Dienstag, 5. Dezember 2006

Kommen wir mal zu etwas ganz anderem. Mit einer Katze zu reisen, ist gar nicht so kompliziert. Zumindest nicht mit meiner. Wenn nicht die anderen Mitreisenden wären.

Wenn ich zum wunderschönen Mädchen, meinen Eltern oder woanders hin fahre und weiß, dass ich länger als zwei Nächte weg bin, kommt die Katze mit. Das bedurfte am Anfang einer gewissen Logistik, weil man überall Katzenklos aufstellen musste, aber war das einmal erledigt, ging alles reibungslos. Das hat vor allem damit zu tun, dass meine Katze sehr reiseerprobt ist. Einmal im Monat, manchmal auch häufiger geht es in den Transportkorb was meine Katze ohne Gejammer hinter sich bringt. Sie legt sich rein, pennt und wenn sie ankommt streckt sie sich und will was zu fressen. Nur einmal lief es nicht so gut. Da fuhr ich nicht mit dem Zug, sondern stand mit dem Auto Stau und aus einer fünfstündigen Reise wurden acht Stunden. Nach sieben Stunden wurde die Katze unruhig und wenn tellergroße Augen das Äquivalent zu Dingen wie Beine zusammenpressen, auf die Lippe beißen und Augen zusammenkneifen sind, dann musste sie wohl relativ dringend ins Gebüsch.

Während sich das mit Katze also völlig unproblematisch darstellt, sieht es in Punkto Mitreisende allerdings anders aus. Nun bin ich ja gewohnt, dass es Menschen gibt, die gewisse Schwierigkeiten um Umgang mit Haustieren haben. Meine Eltern hatten früher drei Schäferhunde, alle, bis auf einen vielleicht, lammfromm, aber wenn man mit denen spazieren ging, war irgendwie immer alleine. Andere Menschen winkten aus der sehr weiten Ferne schon mit beiden Händen, manchmal auch mit ihrem Mantel, um anzuzeigen, dass sie nun einen anderen Weg wählen würde, einen der sie möglichst lange und möglichst weit weg von den drei Bestien führen würde, die gelangweilt neben und vor mir her trotteten. Tauchten Menschen unvermittelt aus Waldwegen auf, blieben sie meist einen Moment vor Schreck stehen um dann nervös ihren Partner zurück in den Wald zu schubsen. Ich war ein einsames Kind.

Mit einer Katze, dazu noch mit so einer Bonsaikatze wie meiner, die mit etwas über einem Jahr nur halb so groß ist, wie eine normale Katze, sollte man dererlei Dinge nicht erleben. Dacht ich jedenfalls, bis ich eines Tages bepackt mit Koffer, Rucksack, Essen und Transportkorb im strömenden Regen vor dem bestellten Taxi stand und der Fahrer bei Ansicht der Katze vor Schreck sofort wieder in seinen Wagen hüpfte und mit den Worten "Katzenallergie" enteilte. Wie gut, dass es nicht nur eine Taxe in Berlin gibt. Es gibt mindestens noch eine zweite Taxe, und zwar mit einem Fahrer, der zwar keine Katzenallergie hat, dafür aber eine panische Angst um seine Ledersitze, weswegen die Katze die zehn Minuten zum Bahnhof im Kofferraum reisen musste.

Im Zug, und jetzt komm ich endlich zum Punkt Mitreisende, auf dem ich schon so lange rumreite, im Zug jedenfalls sieht es nicht besser aus. Ich habe ja lange im Raucherabteil gelebt, also jenem Bereich, der normalerweise wie folgt besetzt ist: Vier laut biertrinkenden Wehrpflichtigen mit sportiven Kurzhaarschnitt, eine toupierte Dame unbekannten Alters, ein sehr grauer Mann, ein sehr dicker Mann mit rauen Bauarbeiterhänden, eine junge Frau mit Bauchpiercing und einem Mobiltelefon, dass alle drei Minuten mittels lustigen SMS Ton den Ankunft einen eben solchen ankündigt, ca. 785 rein und raus rennende Jugendliche die gerade auf Klassenreise sind, aber natürlich im Nichtraucher sitzen müssen weswegen alle fünf Sekunden ein paar von ihnen ins Abteil wanken um eine zu rauchen und eine Gruppe Angestellter aus dem mittleren bis unteren Management aus Bielefeld oder Hanau, die einen sehr fragwürdigen Krawattengeschmack haben und sich einmal die Stunde zu zweit oder dritt ins Raucherabteil setzen, damit ihre Anzüge nicht nach Rauch riechen, bzw. die Frau zu Hause das nicht mitbekommt. In dieser Gesellschaft reist man mit Katze relativ ungestört, es denn, die Frau mit den toupierten Haaren hat zufälligerweise auch eine Katze. Dann gibt es zwei Varianten:

a) Frau geht vorbei, klimpert mit dem was um den Hals trägt (Steine, Holz, Metall, alles aus original indianischer Handarbeit) und nicht nickt wissend, mich völlig ignorierend, in Richtung der Katze

b) Frau bleibt stehen und ich vermute, dass sie Sachen ohne Punkt und Komma sagt. In etwa so: "Ist das eine Katze ich habe auch eine Katze meine Katze würde ja nieeeee im Leben so ruhig sein das ist aber eine ruhige Katze das ist aber eine hübsche Katze wie alt ist sie denn was ist denn das für eine Katze?" Dann werde ich angeschaut und ich nehme erstmal meine Ipod-Stöpsel raus und sage "Ja, die ist das gewöhnt." Ich weiß nie was man von mir wollte, aber meistens scheine ich mit meiner Antwort auf das, von dem ich vermute, was man zu mir gesagt hat, richtig zu liegen, denn die toupierte Frau verabschiedet sich meistens mit einem "Also meine würde das nie..." Manchmal aber auch "Unverschämtheit"

Im Raucher ging es also meist. Schlimmer ist es im Nichtraucherbereich in dem ich seit ein paar Monaten sitze. Was im Raucher die Bundeswehrbesetzung darstellt, ist im Nichtraucherbereich die vierköpfige Familie aus Baden-Württemberg. Egal welche Strecke man fährt, egal wie lange man fährt - es gibt immer eine vierköpfige Familie aus Baden-Württemberg, die Nebentisch sitzt. Diese besteht aus

a) Vater, dünn, schwer schwäbelnd, so eine merkwürdig filigrane Designerbrille in rot oder rot/grün, Sandalen (Sommer), Sandalen mit dicken Socken (Winter) b) Mutter, nicht mehr ganz so dünn, strähnige Haare, manchmal leichter Über- oder Unterbiß, Mundwinkel hängen c) erstes Kind, dünn, gelangweilt, hört von einem riesigen gelben Kinderwalkman, den die Großeltern geschenkt haben, Kassetten d) zweites Kind, dicker, laut

Alle essen Äpfel, trinken Apfelschorle und essen trockene Kekse und man hat Gefühl die Neurodermitis schon riechen zu können. Kleines Kind sieht die Katze und will die Katze sehen. Es folgt folgender Dialog:

Kind: "Ohhhhhh, Katze" Vater: "Ja, muasch den Mann froga, obsch dearfsch" Mutter: "Denk an dei Allergie" Kind: "Katze, Katze" Vater: "Des goht scho, oder was moinsch Gundula? Mutter: "Aber nur kurz"

Kind kommt. Kind starrt in Korb. Katze blinzelt. Katze schläft weiter. Kind steckt einen angelutschten Keksrest in den Katzenkorb. Katze macht große Augen und verzieht sich weiter nach hinten. Kind geht enttäuscht um nach ca. einer halben Stunde wieder unruhig auf dem Sitz zu rutschen.

Kind: "Katze, Katze" Mutter: "Noi, denk an dia Allergie" Vater: "Gugamol Kühe" Kind: weint Kind 2: verdreht die Augen Kind: weint Mutter: "Die Katze will au schlofa" Vater: "Gugamol Schafe" Kind: weint lauter Mutter: "Nimm erschtamol Deine Pulsatilla"

Mit drei Schäferhunden ist mir sowas nie passiert.

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