Technik

Es gibt so Phasen im Leben, da sollte man einen sehr, sehr großen Bogen um Technik machen. Denn egal was man kauft oder anfasst, es geht sofort kaputt und selbst die elektrische Zahnbürste wird zu einem todbringenden Monster, dass nur darauf wartet, das Zahnfleisch weg zu kärchern. Es geht aber noch schlimmer. Man kann auch mal eine Phase haben, in der einfach alles kaputt geht, sich auflöst, atomisiert, selbst wenn es einem nicht mal gehört! Zum Beispiel meine Telefonleitung. Die blinkte und blitzte Donnerstag Nacht noch wundervoll, erfüllte freudig ihren Dienst, in dem sie mir Gigabyteweise Informationen auf meinen Rechner schauffelte. Es ging ihr gut bei. Sie wurde täglich gefüttert, gepflegt und machmal habe ich mich einfach nur neben die Telefondose gesetzt und sie ein bißchen gestreichelt. Freitag Morgen (naja, Morgen....) Also Freitag stehe ich auf, werfe einen liebevolle Bilck auf meine ISDN/DSL Anlage und was sehe ich? Alles Rot! Alles blinkt! Rot! Ein Griff zum Telefon, und die schreckliche Wahrheit wurde gewiss: Die Leitung war tot. Einfach so. Völlig überraschend. Von heute morgen. So mir nichts, dir nichts. Ohne Vorwarnung. Wie aus heiterem Himmel. Noch nicht mal einen Abschiedsbrief hatte sie hinterlassen. Diese verfickte Leitung war einfach abgehauen und ICH konnte jetzt sehen wie an meine Mails, mein Blog, mein Forum, meine Pornoseiten und meine Nachrichten komme. Die Telekom versprach mir eine neue, was aber 24 Stunden in Anspruch nehmen würde. Fickende 24 Stunden ohne meine Nabelschnur! Was soll ich da machen?

Ich trabte traurig ins Bad, als meine elektrische Zahnbürste plötzlich meinte, sich meiner Parandontose nicht mehr annehmen zu müssen. Tot. Nichts. Nada. Niente. Aus. Vorbei. Schluss. Feierabend. Völlig ungläubig starrte ich lange, sehr lange meine Zahnbürste an, um sie dann in die Ecke zu werfen. Ich regte mich ein wenig auf, brüllte "Menno" und "Ach" schlug meinen Kopf an der spitzen Ecke der Heizung ein wenig an und jammerte. Dann beschloss ich der Sache auf den Grund zu gehen. Ich würde diese Zahnbürste auseinander nehmen. Sie aufschrauben, jedes Teilchen checken. Wieder und wieder, bis sie wieder funktionieren würde. Don, der Heimwerker King. Das erste Problem, dass sich mir stellte, war ein Mangel an Schrauben. Wie bekommen die diese Scheißdinger zusammen??? Vielleicht mal im Internet reinschauen, ob es da Bastelanleitungen gibt? Ach, neeeee...geht ja AUCH nicht. Ich musste also selber, nur mit meiner Intuition und meinem handwerklichen Geschick der Sache auf den Grund gehen. Ok - in diesem Fall war es einfach. Ich hab sie dann einfach wieder aufgeladen. Nicht so einfach zu ergründen war dann die Tatsache, warum meine Waschmaschine nicht mehr will. Was soll das überhaupt, dachte ich, in einem RTL-Werbe-South-Park-T-Shirt von 1999 und Unterhose zitternd in meiner Küche stehend, überlegend ob ich die Maschine einfach mal treten soll, was ich aber unterlassen habe. Stattdessen ließ ich mich auf einen "Staring-Contest" ein. Ich starrte die Maschine hasserfüllt an. Ich legte meine gesamte Überlegenheit in den Gedanken "Du bist eine Maschine, wie Menschen haben Dich gebaut, Du bist der Diener, ich der Herr. Funktioniere!" hinein und begann die Waschmaschine mental fertig zu machen. Schließlich habe ich einfach das richtige Programm gewählt.

Aber immer noch kein Telefon geschweige denn Internet. Kläglich zuckten die roten Dioden. Vor Samstag würde das auch nichts werden. Was mach ich nur, was mach ich nur? Einfach mal raus gehen? Erschrocken von diesem Gedanken legte ich mich erstmal wieder hin. Fernsehen ist gut. So schlimm ist "Dr. Verena Breitenbach" ja nun auch nicht, und kann ja auch nicht schaden, wenn man sich über das Problem "Ich rieche unangenehm im Schritt" mal gründlich informiert. Ungefähr fünf Minuten später war ich angezogen und begab mich auf den Weg zu einem freundlichen Batterienhändler, der die passenden Energielieferanten für meine Fernbedienung auf Lager hatte.

Naja - ich hab dann statt Internet den ganzen Abend meine Playstation malträtiert, welche mir als einzige treu zur Seite stand. Heute morgen kam dann die neue Leitung. Sie ruckt noch was, aber man sagte mir, dass sei ganz normal und würde die Datenübertragung nicht bein&Ð-øß³ÍËóÈÈèw§i±?Ç

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Gute Takes, Schlechte Takes

Natürlich war uns klar, dass es sich um einen verzweifelten Hilfeschrei von Frau Bucuresti handelte. Zwar war ihre Stimme fest, und sie sprach von einem "großen Spaß", aber dem geschulten Beobachter fiel natürlich sofort das unsichere Flackern in ihren Augen auf. Es ist selbstverständlich, dass man einen Menschen in einer derart verzweifelten Lage nicht die gewünschte Hilfe verweigern kann, zumal es sich auch noch um eine geschätzte Freundin handelt, die in der Regie bei "GZSZ" sitzt. Also tauschten Klaus Cäsar, Ignaz Wrobel, OdC (gute Freunde) und ich nur kurz ein paar Blicke aus und sagten zu, bei einem Aussendreh der TV Serie "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" in Berlin Mitte mit zu wirken.

Nunja, das schon unten erwähnte Wohnmobil war bei meiner pünktlichen Ankunft leider nicht da. Das war aber nicht so schlimm, denn das gesamte Drehteam ließ auch noch auf sich warten. "Kann ja heiter werden, " dachte ich. Nach und nach trudelten die Angestellten des Filmzirkus ein. Nicht einem viel es ein, mich zu begrüßen. Auch als Ignaz, Klaus Cäsar und ich zusammen, mitten unter den recht arroganten Filmmenschen sassen, kam niemand auf die Idee mal "Hallo" zu sagen. Seufzend nahmen wir diese Unverschämtheit hin. Klaus Cäsar meinte "Normalerweise würde ich ja jetzt gehen. " Aber Ignaz und mir gelang es ihn in ein Gespräch über Lyrik-Anthologien der 50er Jahre zu verwickeln, so dass er sitzen blieb. Mittlerweile war dem Aufnahmeleiter der schlimme Fauxpas aufgefallen und er begrüßte uns mit dem Worten. "Ach, die Komparsen". Nur weil Bettinescu uns allen gut zuredete und sich vor allem mit ihren Blicken erleichert zeigte, dass wir da seinen, verliessen wir nicht unter Protest den Drehort.

Es wurde also gedreht. Ein Mensch, der vorher an unserem Tisch sass und seine Zigaretten bis auf den Filter aufrauchte, stellte sich plötzlich als Protagonist der Szene dar. Ich dachte es sei der "Best Boy", aber es handelte sich um Wolfgang Bahro, der einen Menschen namens Dr. Gerner zu spielen versuchen sollte. Bei dem Versuch sollte es dann auch bleiben. In einer erstaunlichen Eile wurde die Gerätschaften aufgebaut und der Regisseur betrat die Szenerie. Ein graumelierter Mann, dessen Augen eine freundliche, aber kalte Authorität ausstrahlten. Er blickte mich an, und als sich unsere Blicken kreuzten, lächelten wir unwillkürlich, wie eben es nur zwei erfahrene alte Hasen machen können, die sich im gegenseitigen Respekt erkennen.

Lange und leise erklärte der bedauernswerte Regisseur seinem vermeintlichen Hauptdarsteller die Szene. Eine einfache Restaurant Szene, ihm gegenüber eine durchaus ansehnliche Dame, welche im Laufe des Gesprächs mit einem Fuß einen erotischen Kontakt unter dem Tisch aufzubauen sucht. Die Schauspielerin war sich ihrer misslichen Lage bewußt, gegenüber einen Menschen zu haben, dessen mimische Fähigkeiten noch nicht mal reichen würden um eine Statue zu spielen. Gelassen nahm sie das Einweihungsprozedere hin. Ich musste genau hinter dem diesem Bahro sitzen. Während die anderen Schauspieler zu zweit an Tische gesetzt wurden, wußte Bettinescu, dass mein Können und meine Ausstrahlung reichen würden, die Szene zu füllen. Ignaz Wrobel, Klaus Cäsar und OdC wurden so zwischen die anderen gesetzt, dass sie im Notfall schnell eingreifen konnten, falls zu schauspielerischen Katastrophen kommen würde.

Der erste Take ging schon mal daneben, weil Bahro seinen Text vergessen hatte. Ich hatte mich derweil mit einer Zeitung so platziert, dass ich sowohl die Szene, als auch die Kamera immer im Blick hatte. Man kann ja nie vorsichtig genug sein, denn der Kameramann schien einen leichten sächsischen Dialekt zu sprechen. Mehrfach musste die Kamera mich so aufnehmen. Das fiel dann auch Bettinescu auf, die, hinter der Kamera stehend, mich mit Blicken anflehte, nicht mein gesamtes Mimikrepertoire zu zeigen, damit die Aufmerksamkeit der Zuschauer auch beim"Hauptdarsteller" bleiben würde. Seufzend fügte ich mich in mein Schicksal und frug mich, was die Produktionsfirma wohl gemacht hätte, wenn ich auch noch gesprochen hätte. "Es ist ja ein Freundschaftsdienst" sagte ich mir, die bittenden Augen von Bettinescu erinnernd.

Die Szene lief dann solala. Bahro gab sich Mühe, mehr ging eben nicht. In den kurzen Drehpausen, in denen Bahro erklärt wurde, wie er zu schauen habe, flirtete ich ein wenig mit der Schausspielerin, die einen ordentlichen Job machte, wenn man die Umstände berücksichtigte. Mehrfach signalisierten mir ihre Augen, in welcher Lage sie stecken würde, und das sie lieber mit einem Profi wie mir eine solch, in ihren Bestandteilen durchaus komplizierten, Szene spielen würde. Aber das ging ja leider nicht.

Mittlerweile wurde es schon dunkel, und noch kein Meter Film war abgedreht. Die Szene war wichtig, also was tun. Bettinescu hatte die rettende Idee. In dem sie OdC bat, während des Gespräches auf zu stehen, und Ignaz mit einem Telefon in der Hand den Raum durchqueren sollte, konnte die Szene an Dynamik gewinnen. Und so war es auch, während Bahro seine Sätze stammelte, schwiegen die Teammitglieder ergriffen, als Wrobel und OdC mit Grandezza und der gewohnten spielerischen Leichtigkeit, die man nur erreichen kann, wenn hochkonzentriert ist, ihre Szene spielten. Niemand achtete mehr auf die beiden am Tisch und auch der Regisseur verfolgte voller Ehrfurcht den Auftritt der beiden.

Schnell war die Szene dann fertig gestellt. Der Regisseur ging an uns vorbei, und wie es sich für einen Mann der alten Schule gehört, kam kein Lob über seine Lippen. Aber das Blitzen in seinen Augen verriet uns, wie stolz er war mit uns zusammen arbeiten zu dürfen. So hatten wir die Szene, wahrscheinlich auch die Serie und den Sender RTL gerettet.

Da wir nur stumm die Szene retten konnten, mussten wir schon sehr intensiv spielen und so machten wir uns dann bald erschöpft auf den Weg nach Haus. Die Szene wird dann im Februar zu sehen sein.

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Lesen & Spielen

Bzgl. des Flyers der da rechts mal stand von wegen Lesung und so. Hat stattgefunden und ich freue mich sagen zu können, dass es ein sehr guter Abend war. Es wird auf jeden Fall in den nächsten zwei oder drei Wochen eine Wiederholung geben. Flyer wird dann wieder rechts eingebastelt. Aber gestern war es schön. Viele Gäste, die sich köstlich amüsierten und eine Überraschungsstarmitvorleserin, welche die karge Kasse der Lesenden durch das Angebot eines Komparsenjobs bei der hochklassigen und mehrfach prämierten Fernsehserie "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" auf zu bessern gedenkt. Da waren wir natürlich alle hell auf begeistert und so wie es aussieht, wird ein Doktor der Germanistik, ein Schriftsteller, ein holländischer Russe, ein Architekt und moi evtl. durchs Bild huschen. Wir sollen wohl "den typischen Mitte Erfolgstyp mit Anzug" mimen. Das machen wir natürlich mit links. Es gab zwar heute schon einige erschreckte Äusserungen die in die Richtung "Oh mein Gott, wir waren doch alle betrunken und ich dachte, dass ein Scherz. Ich hab unterschrieben?" gingen, aber das ist eben das Lampenfieber, das alle großen Stars vor dem nahenden Auftritt befällt. Und ausserdem: 55 Euro!

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Muskelkater & Schnupfen

Das hat man davon, wenn man für ein paar Tage zu seinen Eltern fährt um ihnen beim bevorstehenden Umzug zu helfen. Muskelkater und einen Schnupfen. Ersteren bekam ich durch das Schleppen und Entsorgen von unter anderem: ungefähr 30 Tonnen Altpapier (jemand Interesse an den Jahrgängen 80-88 der "Auto, Motor und Sport? Liegen bis morgen noch im Container), zwei Schrankwänden (Feinstes Gelsenkirchner Barock in der 70er "Bauhaus" Variante. Mit Rauchglas Inlays), ca. 3 cbm² Weihnachtsdekorationsschmuck meiner Mutter, und leider, leider zwei komplette Jahrgänge der legendären "Tempo" aus meinen Beständen, aber ich konnte meinen Vater beim besten Willen nicht dazu überreden, die noch mal mit umzuziehen, zumal er gerade vorher seiner "Auto, Motor und Sport" Jahrgänge verlustig geworden war.

Den Schnupfen hab ich auch von meinem Vater. Ein krimineller, tückischer, gemeiner Männerschnupfen, mit schlimm laufender Nase, Kopfschmerzen, Husten, Halsweh und so Sachen. Frauen werden offenbar von diesem Virus ausgelassen, wohl weil das böse Virus weiß, dass ein Frauenkörper so einen üblen Schnupfen nicht aushalten könnte. Werde ich nun großflächig in Berlin verteilen. Jemand Interesse?

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Veränderung

Mir fällt das beim Schreiben immer auf. Wenn die Sätze kürzer werden und im Hirn so eine leere Gedankenschleife kreist, die Augen den Halt verlieren und das Sehen immer ins unscharfe driftet. Dann schlackern die Arme ein wenig sinnlos rum, der Magen knurrt und doch tut man nichts dagegen. Nicht weil es zu anstrengend wäre. Oder weil man keine Lust hat. Man steht vor dem Essen, und denkt, jo, könnte man auch machen, aber irgendwie jetzt nicht. Was denn nun, frag man sich, und der Domino Day auf RTL scheint die einzig richtige und logische Alternative zu sein, ergänzt durch Dosenbier und ein belegtes Brot, damit der Magen endlich Ruhe gibt. Man streunt durchs Internet, klickt willenlos mal hier mal da und findet das ganze recht sinnlos. Private Homepages. Aber da sind nur Menschen die irgendjemand anderen, möglichst die Liebe des Lebens, suchen. Was geben sich die Leute für eine Mühe sich hinter Masken zu verstecken, nur um sie endlich fallen lassen zu können.

Also doch Bier. Über mir sägt jemand seit Stunden rum: klingt, als ob er Holz durchsägt, könnten aber auch die Knochen seiner Mutter sein. Man liest ja viel. Ich säge mein altes Brot an und es klingt genauso. Wird wohl doch Holz sein, denke ich, und belege das viel zu dick geschnittene Brot doppelt mit rohem Schinken. Hat mir meine Ärztin gesagt. Das mit dem Schinken. Ist kein Fett dran, und würde besser schmecken. Stimmt. Passt auch besser zum Dosenbier.

Die Gedanken wollen immer noch nicht Fuß fassen. Sie bleiben in einer Warteschleife. Ich habe keine Lust mit meinen Gedanken fangen zu spielen. Sind eh meistens langweiliger, als man denkt. Vielleicht rauchen? Ich hab mir mal wieder Tabak gekauft. Neulich. Warum weiß ich nicht, aber ich hatte plötzlich Lust, mal wieder zu drehen. Dabei rauch ich eigentlich gar nicht. Das war jetzt eine Lüge. Ich rauche zwar tagsüber nicht mehr, dafür aber Abends. Und neulich trank ich viel Bier und hatte nichts mehr zu rauchen und wollte auch nicht zur Nachttanke runter gehen. Ich war in einem Zustand der mittleren Verwahrlosung. Drei Tage keine Haare gewaschen, die Addidas Trainigshose, die ich mir mal heimlich gekauft hatte, an, dazu ein schwarzen T-Shirt, in dem viele kleine Lenor Moleküle gegen eine Übermacht von körpereignen Moleküle verbissen ankämpften. So kann man nicht raus gehen. Schon gar nicht ohne Socken bei schlappen drei Grad. Selbst in einem Zustand mittlerer Verwahrlosung möchte man so nicht Nachts um vier durchs Treppenhaus schleichen, die Straße überqueren und vor dem eh schon erniedrigendem Sicherheits-Nachtschalter stehen. Ich probiere das mit dem Verwahrlosen ab und an mal aus. Sich dauernd neues T-Shirts anziehen, immer alles sofort aufräumen, und eine fusselfreie Hose anziehen, kommt mir erbärmlich langweilig vor. Man steht dann fusselfrei und mit nach Pfirsichen riechendem Haar in der saubernen Wohnung und streichelt lächelnd über die Edelstahl Spülgarnitur. Das ist für einen Moment schön, besonders im Frühjahr, wenn die warme Luft durchs Fenster strömt. Aber es ist eben nur einen Moment, den kann man nicht konservieren. Man kann auch nicht NOCH sauberer putzen. Man kann den Moment nehmen, und seufzend feststellen, dass er, sobald man auch nur den Wasserhahn aufdreht, sofort wieder zerstört ist. Ich habe schon tagelang auf das Aufdrehen des Wasserhahns verzichtet, nur um den Moment zu konservieren, was ganz schön anstrengend ist. Kein Tee, nichts mehr benutzen. In der Sekunde, in der ich den Wasserhahn aufdrehe, bricht dann alles zusammen. Mit der Verwahrlosung ist das einfacher. Sie schreitet voran. Man kann ihr zusehen. Sie ist ein Zustand, der immer einen Moment hat, und dieser Moment entwickelt immer wieder neue Höchstleistungen. Erstaunt schaut man dann eines morgens in den Spiegel, und denkt sich: "Wow" In so einem Zustand ist man irgendwo bei sich selber und doch ganz weit weg. Vor allem weg von da draussen. Man hat mit dem da draussen nichts mehr zu tun, und möchte auch nicht, dass das da draussen etwas mit einem zu tun hat. Deswegen bin ich dann nicht die Treppen runtergestiegen um Zigaretten zu holen. Ich hab noch alte Zigarillos gefunden, bei denen mir, sofort nach dem ersten Zug, schwindlig wurde. Also hab ich sie nur im Aschenbecher qualmen lassen, und zugeschaut, wie sich die Rauchkringel um die Weinflasche schlängelten. Aber das mit der Verwahrlosung ist jetzt vorbei. Irgendwann stellt man fest, dass die Verwahrlosung nicht mehr so linear ansteigt, wie die Tage zuvor. Der Bart wird nur marginal dichter, die Krümmel auf dem Küchentisch haben ihre maximale Ausdehnung erreicht und fallen hier und da auf den Boden. Dann fängt es an unangenehm zu werden, denn wenn man ohne Socken über den Küchenboden läuft und sich kleine Brocken in die Fußsohlen bohren ist es mit der morgendlichen guten Laune schnell vorbei und man denkt sich: "Man, man, man".

Also fällt man zurück. Oder besser nach vorn? Ich weiß nicht. Auf jeden Fall ist die Arbeit plötzlich getan und die kleinen Alltagsdinge fangen wieder an ihr Recht einzufordern. Plötzlich fällt einem auf, dass die Nachbarn von gegenüber seit zwei Woche durch die Vorhangslosen Fenster auf den relativ unberührten Wäscheständer starren können. Man fragt sich, wo man neulich eigentlich die nicht peinliche Hose hingeworfen hat. Und dann stellt man fest, dass sie verborgen unter einem Stapel T-Shirts liegt, in denen die Lenor Moleküle den Kampf längst verloren haben. Und eigentlich müsste man jetzt das alles zusammenräumen, aufräumen, wegräumen, umräumen. Man müsste die Ordnung wieder herstellen, aber dann plötzlich hängt man eben in dieser Gedankenschleife fest, die sinnlos ihre Kreise dreht und man findet das irgendwie erheiternd und auch tröstlich, denn man erkennt, das sich die Dinge wieder anfangen zu ändern.

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