Ich liebe ja diese Löcher, wenn man eine Sache abgeschlossen hat. Dank regelmäßiger monatlicher Abgabetermine, folgt danach für einen kurzen Augenblick so eine angenehme Leere. Man sitzt zu Hause rum, im Hinterkopf noch die Termine und die damit verbundenen Gedanken, dass man dieses und jenes ja unbedingt noch fertig machen muss, aber da ist nichts mehr, was gerade zum Abschluß gebracht werden will. Für einen Moment ist man ganz frei, erledigt Krempel, der in der Zwischenzeit liegen geblieben ist und kommt endlich dazu, endlich all die Musik zu ordnen, die man so gesammelt hat die Musik zu hören, die man bei Loronix gefunden hat. Angenehmer Schwebezustand, vor allem bei einem Wein, und dann mal wieder schreiben. Denn auch wenn das literarische hier in den letzten Monaten etwas gelitten hat, bedeutet das nicht, dass ich nicht weiter schreibe. Ich veröffentliche es nur nicht mehr.

Der Grund dafür ist einfach. Zumindest wenn man mich ein wenig kennt. Ich bin ein Mensch, der sich ständig ändert und auch ändern will. Es gibt wenig, wirklich sehr wenig Fixpunkte in meinem Leben, und ich habe mit fortschreitenden Alter auch nicht unbedingt mehr davon entwickelt. Dieses Blog war in den letzten Jahrzehnten viereinhalb Jahren schon etlichen Metamorphosen unterworfen. Es war mal eine Linksammlung, dann war es ein Medium für Bilder und dazu passende Lyrik, dann war es literarisch und im letzten Jahr ist es immer mehr ein "Blog" in modernen Sinne geworden, weil ich angefangen habe Dinge die mich interessieren in einer gewissen neuen journalistischen Form aufzuarbeiten.

Tatsächlich vermisse ich das literarische selber in diesem Blog, aber auf der anderen Seite muss ich auch zugeben, dass ich mir im letzten Jahr nicht mehr sicher war, ob und in wie weit ich mich in der literarischen Form überhaupt wiederfinden kann. Ich frage mich, ob die klassische Form des Autoren Dasein, also schreiben, einen Verlag finden und von den Veröffentlichungen leben können, in der Zukunft überhaupt noch funktionieren können. Der Schriftsteller war immer Zeuge seiner Zeit, aber das funktioniert ja nicht mehr, weil mehr der Literaturbetrieb nur noch zwischen einer hochgebildeten, unfassbar langeweiligen Leere (die man nur noch in den Momenten nachvollziehen kann, wenn man unfassbar betrunken Bus fährt) und belangslose Geplänkel hin und her pendelt. Auf den großen Roman über ein Deutschlands seit nach der Wiedervereinigung wartet man jedenfalls immer noch. Stattdessen hatten wir Stuckrad Barre und diesen Rechtschreib Menschen, Name fällt mir grad nicht ein.

Das schöne an diesem Blog ist, dass ich selber auch keine Ahnung habe, in welche Richtung es sich entwicklen wird. Vielleicht poste ich demnächst nur noch Kochrezepte mit Bildern. Soll ja eine dolle Einnahmequelle sein, wie ich so hörte.

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06

Beste Entscheidung: Vier Wochen Urlaub in den USA Schlechteste Entscheidung: Diesssse Flaaasssssche Wein mach isch noch auf

Beste Anschaffung: Der kleine Daihatsu Cuore für 400 Euro, der brav seine Arbeit verrichtet und alle drei Monate betankt wird. Dämlichste Anschaffung: Komischerweise dieses Jahr keine dämliche, weil teuer und nutzlose, Anschaffung gemacht. Vermutlich, weil ich das Geld für den Urlaub gespart habe.

Schönster Absturz: Alle mit dem wunderschönen Mädchen Schlimmster Absturz: Alle, an die ich mich noch erinnern kann. Die, an die ich mich nicht erinnern kann sind mir egal.

Bestes Getränk: Ein alter Calvados nach einem sehr üppigen Abendessen unter Freunden Ekelerregendes Getränk: Warmes Dr. Pepper

Bestes Essen: Das Toastbrot mit Frischkäse, dass ich nach vier Tagen Zwangshungern endlich essen durfte Schlimmstes Essen: Erstaunlicherweise nicht in den USA, sondern eine wirklich widerliche Bratwurst in Düsseldorf

Beste Musik: Mat Kearney, Alan Jackson, Schlimmstes Gejaule: Alle WM Songs. Wirklich alle, inkl. des unfassbar dummen, dreisten, langweiligen "Werden wir Weltmeister sein" Gejammere. Ekeleregend bis zum Fremdschämen.

Eigene, schönste musikalische Wiederentdeckung: Bossa Nova aus den 60ern über die Seite Loronix, die nur nur Alben digitalisiert, die seit Jahren nicht mehr aufgelegt werden. Peinlichster musikalischer Faux-Pas: Den Paris Hilton Song nicht wirklich schlecht zu finden.

Beste Idee/Frage: "Lass uns das Cabrio nehmen" Dämlichste Idee/Frage: "Das ist bestimmt keine Katzenscheisse"

Beste Lektüre: Walter Serner Langweiligste Lektüre: "Endlich Nichtraucher".

Bester, dreckigster, geilster Sex: Mit jemand anderem Langweiligster Sex: Mit mir alleine

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Weihnachten irgendwie, irgendwann

Weil ich vor ein paar Jahren an einem 24.12 nach wochenlanger Promotour Begleitung aus London nach Hamburg zurückkam, und am 27.12 schon wieder Termine hatte, fuhr ich nicht zu meinen Eltern. Ich war so unendlich müde, dass ich es nicht mehr in den Zug nach Bonn schaffen würde, das war mir klar. Ich weiß noch, es war ein Werktag, die Geschäfte hatten vielleicht noch eine halbe Stunde auf, als ich in Fuhlsbüttel landete. Ich hatte weder die Lust, noch die Kraft mich in einen Lebensmittelladen zu stürzen. "Eine Pasta hast Du ja immer im Haus" dachte ich noch, ignorierte den Plus Laden 50 Meter von meiner Wohnung entfernt und fiel bis Abends in einen tiefen Schlaf.

Gegen 19.00 Uhr wurde ich wach, weil das Telefon klingelte. Meine Eltern, meine Schwester. Sie hatten gerade die Bescherung hinter sich gebracht, meine Mutter wuselte in der Küche rum, wollte aber doch hören, wie es mir gehen würde. Ich lag in T-Shirt und Unterhose auf meinem Futon und es war bis auf das Knacken der Gasetagenheizung schrecklich still im Haus. "Mir geht es prächtig", log ich, denn ehrlich gesagt, ging es mir schlecht und dass der Job so weit mein Leben eingeengt hatte, dass ich nicht mal an Weihnachten nach Hause fahren konnte, frustrierte mich zutiefst. Ich hätte auch in London bleiben können. S., irgendeine der vielen Leiterinnen der verzweigten PR Abteilungen der Fabrik hatte mir das vorgeschlagen.

  • Komm, hatte sie am sehr späten Vorabend an der Hotelbar noch gesagt, während ich über meinen Terminplan lamentierte, komm, bleibt doch hier.

Und während sie das sagte machte die Musik eine Pause, und ich hörte ihre Strumpfhose knistern, als sie auf dem unbequemen Hocker ihre Beinstellung wechselte.

  • Ich ruf meine Assistentin an, die bucht den Flug einfach auf den 27.12, du hast doch eh Business. Du kannst bei mir in der WG schlafen, dann zeigen wir dir mal, was eine richtige englische Weihnacht ist.

Ein verlockendes Angebot. Für einen Moment leuchtete das Bild einer überheizten englischen Wohnung in mir, die Küche, das Fenster zum Hinterhof, in der Küche fünf Leute, die irgendwie alle in der WG mehr oder weniger wohnten, vielleicht eine Lichterkette über dem Regal mit den Gewürzen die ja eh nie einer benutzt, weil sie von einer veganen Vormieterin mal angeschleppt wurden. Dazu viel Bier, vielleicht Gin oder Wodka oder der Weihnachtspunsch, den S. mir vollmundig versprach. Das Bild war warm und schön und wurde noch wärmer, als ich S. ansah, denn es würde keine zwei ihrer versprochenen Weihnachtspunsche brauchen, und wir würden neben ihrem Plastikweihnachtsbaum vögeln. Ich würde ihrem Stöhnen lauschen, während nur durch eine Pappwand abgetrennt in der Küche die Engländer lärmend George Michael Imitationen zum Besten geben würden.

Ich lehnte das Angebot ab, nicht ohne zwei Stunden später, nach dem ich mit S. noch an der Bar geknutscht hatte, frustriert im Bett es mir selber zu machen. Ich hatte nicht den Mumm gehabt, sie mit aufs Zimmer zu nehmen, vielleicht auch, weil man wenigstens an Weihnachten mal ehrlich sein soll. Der rheinische Katholizismus steckte schon damals tiefer in mir, als ich es wahrhaben wollte. Oder es war ein Anflug von Ehrlichkeit gegenüber meiner damaligen Freundin, weil unsere Beziehung gerade mal einigermaßen lief, und sie versprochen hatte einen Tag früher von ihren Eltern zurück zu kommen, damit wir noch den zweiten Weihnachtsabend zum streiten, saufen und versöhnen haben würden.

Nachdem ich meine Eltern und meine Schwester belogen hatte, ging ich ging ich die Küche. Dort stand eine Reihe von Flaschen, alles irgendwelche PR Geschenke von Kollegen, Firmen, Managern, was weiß ich. Vor Weihnachten wurde das Büro der Fabrik zugeworfen mit diesen Geschenken. Wein, Sekt, Whiskey, Cognac, alles womit man sich laut beiliegender Karte einen "schönen, gemütlichen Abend nach all dem Weihnachtsstress" machen sollte. Die Verlockung, einfach eine Flasche zu greifen war groß, aber der Kater vom vorigen Abend war noch da und ein Rest von Stolz auch. Wollte man wirklich in der Unterhose vom Vortag, ungeduscht, mit wirren Haaren am 24.12 am Küchentisch sitzen und eine Flasche Alkohol entkorken? Nein. Also duschte ich erstmal, zog mir eine frische Unterhose an und entkorkte dann den Wein. Und warf einen Blick in meinen Vorratsschrank.

Aber egal wie lange ich schaute, es wurde nicht besser. Ich hatte Dosen Tomaten, ich hatte Thunfisch, ich hatte Kapern, ich hatte sogar noch eine halbwegs verwendbare Zwiebel, aber ich hatte weder Nudeln noch hatte ich als Alternative Reis oder irgendwas anderes. Während meine Eltern zeitgleich wie jedes Jahr üblich versuchten die Tonnen an Fleisch zu vertilgen, die meine Mutter wie jedes Jahr üblich zu viel gekauft hatte, konnte ich mir gerade mal eine Pasta Soße ohne Pasta machen. Also Bestelldienst.

  • Ja, ich hätte gerne einmal die 12a ohne Dressing, dass hab ich selber, und die Pasta mit Filetspitzen.... in Cognac, genau...142wasauchimmer... nein, sonst nix.... wie lang?..... 60 min??? Warum das denn?.... Ja, ich weiß das Weihnachten ist, ja und?.... ach, soviel Bestellungen....interessant...

Nach 70 quälenden Minuten, in denen ich mich durch das Weihnachtsprogramm gezappt hatte, klingte es an der Tür. Geliefert wurden lauwarme Filetspitzen, ein Salat ohne alles und eine Flasche Wein mit Korbgeflecht drum herum, die ich sicher nicht bestellt hatte.

  • Das habe ich nicht bestellt
  • Istn Geschenk wegen Weihnachten

Als ich dann so mit meinen sahnigen, lauwarmen Filetspitzen am Küchentisch saß schaute ich aus dem Fenstern auf das gegenüberliegende Haus. Vom Haus sah man wegen der Dunkelheit nicht viel, aber in den Fenster hingen diese ganzen beleuchteten Weihnachtsmänner, Christbäume, Sterne, Engel, Schneeflocken und Kometen dass man die Umrisse erkennen konnte. Und hinter den Figuren in den Fenstern tauchte hier und da das warme Licht eines Wohnzimmers auf, und für einen Moment dachte ich darüber nach, mein altes Fernglas zu holen, um wenigstens einen Blick auf Menschen werfen zu können, die nicht alleine waren.

Es war gar nicht so leicht gewesen, ein Taxi zu bekommen.

  • Ist ja Weihnachten, trompetete der Taxifunkmensch fröhlich, aber für sie hamwa auch noch eins.

Fürs P. war es noch zu früh. Das war unbedacht denn jetzt musste ich mich entscheiden. Zum vorglühen entweder eine einsamen Kneipe mit irgendeiner Mitfünfzigerin hinter der Theke und alleine einer 60er Jahre Jukebox lauschen oder eine lärmende Kneipe mit Weihnachtsmusik. Ich entschied mich für einen Laden weit hinter der Silbersackstrasse, ziemlich zertrümmerte Frau hinter der Theke, mit vielen Ketten um Hals, und Zigarette, na klar, und den Beatles im Hintergrund. Hallo Schätzchen, ein Bier, na klar, sonst noch was, ne danke, meld dich, mach ich. Dann ca. vier Mal noch: Noch eins, ja, ok sonst noch was?

  • Was heißt eigentlich 'Sonst noch was?'
  • Was meinst du?
  • Was willst du damit sagen? Sonst noch was?
  • Na, ob du einsam bist.
  • Bin ich nicht
  • Na, dann ist ja gut. Ich mein ja nur, wir haben hier guten Kontakt nach drüben, wenn du magst, kommt eine rüber.

Das wurde dann auch zu stressig, und mittlerweile hatte das P. geöffnet und man konnte davon ausgehen, dass dort jemand anwesend war. Also wankte ich nach einer knappen Flasche Wein zu Hause und vier Bier in der Kneipe die paar Meter rüber.

Ich erinnere mich nicht mehr an viel, außer an das Mitglied einer Berliner Kultband das ich dort traf und mit dem ich mehrere Runden Bier und Korn trank. Ich wunderte mich gar nicht, dass er da war, obwohl ich wusste, dass er Familie hatte. Ich war einfach nur froh darüber, dass ich überhaupt jemanden traf, den ich kannte. Er war schwer angeschlagen, und starrte die ganze Zeit zu einer kleinen Gruft-Frau rüber, eine von denen, die mit wippenden Knien an der Wand lehnte, die Hände auf dem Rücken, während der Saum des Samtkleidchens um die Bein mit den Netzstrümpfen schlackerte.

  • Geh doch rüber, die hat dich eh erkannt
  • Ich bin verheiratet
  • Aha
  • Meine Frau ist....

Und dann folgte dann die Geschichte seinen heiligen Abends, die ich nicht hören wollte, und gnädigerweise war es so laut, dass ich nichts hören musste, sondern nur aha, oder jaja, sagen musste, und ich war zwischendurch mindestens vier mal auf dem Klo, also da unten in der Hölle, wo man den Dealern schon fast aus Mitleid fast abgekauft hat, und jedes Mal wenn ich wieder nach oben kam, stand er da, und starrte weiter auf das Mädchen und beim letzten Mal war er plötzlich einfach weg, nach draußen und ich dachte, na, dann mach ich die halt an, und legte mir meine Rechtfertigung schön zurecht, von wegen, ich könnte ja jetzt bei S. im WG Bett in London liegen, mindestens genauso betrunken, und meiner Freundin ist es doch eh egal, die hat es warm und weich bei ihrer Familie mit vielen Lichtern und ebenso viel Liebe, die merkt das doch gar nicht, wenn ich mir hier jetzt auch ein bisschen klaue.

Und genau das dasselbe dachte ich ca. 30 min Minuten später, nachdem das wippende Mädchen verschwunden war ohne auf meine Anmache zu warten, und mich die Frau am Ende des Hans-Albers-Platz angesprochen hatte. Ja, ist doch egal, dachte ich, dann biste halt das erste Mal an Weihnachten bei einer Nutte, das ist wenigstens einprägsam. Rechts, links, zwei Gassen, dann eine schmale Stahltür, dahinter der Koberer am Tisch und viele Stufen nach oben, bis unters Dach, wo es unfassbar heiß war.

  • Hier ist es ja heiß
  • Da haste recht, ich bestell uns mal was zu trinken
  • Ich dachte mehr ans Fenster aufmachen
  • Ach, komm, ist doch Weihnachten

Ich hatte keine Ahnung, was das mit Weihnachten zu tun hatte, aber es war dann auch egal, denn ich wusste sowieso nicht, wie das jetzt weitergehen würde.

  • Wie geht denn das jetzt hier weiter?
  • Kommt darauf an, was Du willst
  • pfffff....ja.... was soll ich wohl wollen
  • Entspann Dich Süßer, zieh dich doch schon mal aus, ich hol mal die Getränke

Nackt war die Temperatur angenehm. Aha, dachte ich vernebelt wie ich war, deswegen also, und starrte auf die rotblickende Weihnachtdekoration im Fenster. Dann kam sie wieder, sagte, dass ich ja wenigstens was zwischen den Beinen hätte, was sich lohnt, da sei für sie doch auch Weihnachten und sie machte sich mal die Mühe den einstudierten Satz einigermaßen ehrlich rüberzubringen. Ich konnte nicht so recht lachen und plötzlich wollte ich eigentlich nur noch nach Hause. Alles war falsch. Die Arbeit, die mir mein Weihnachten genommen hatte, die Idee, das Haus zu verlassen, der viele Alkohol, das dämliche Gespräch im P., die Idee mich von der dicktittigen Tante im Skianzug mit den Worten, Kohle klären wir später, du bist süß, besoffen abschleppen zu lassen. Ich wollte jetzt in diesem Moment zufrieden, voll gefressen und glücklich im unbequemen Gästebett meiner Eltern liegen. Hier in diesem Bett wusste ich noch nicht mal, ob ich einen hoch bekommen würde. Sie kam mit zwei zimmerwarmen Cola wieder, zog sich aus schnell aus und legte sich neben mich.

  • Ich weiß nicht ob ich einen hochbekomme, ich hab zuviel getrunken
  • Dafür bin ich ja da. Aber bitte nicht an die Titten fassen, die Narben sind frisch.

Sprachs und verschwand nach unten, während ich tatsächlich wie bei einer schlechte Kamerafahrt in einem schlechten Film meinen Blick wieder an die rotblickenden Weihnachtslichter heftete und mir überlegte, dass 150 Mark für einen Blowjob ziemlich Geld waren, dafür, dass man die Titten nicht mal anfassen durfte.

  • Und wo ist meine Uhr?

Fragte ich mich 20 Minuten später. Die Uhr war wichtig. Die Sonderausgabe eines Chronometers von Calvin Klein, die ich von S. aus London wegen eines Jobs bekommen hatte. Sonderauflage, nur zu Promo Zwecken einer ehemaligen Kellnerin aus New York, die es geschafft hatte, den richtigen Tisch und dort den wichtigsten Mann zu bedienen. Ganz selten, blabla. Die Uhr hatte ich wohl im Suff abgelegt, so wie ich das immer mache, wenn ich mich ins Bett lege. Als ich wieder alleine draußen stand und zu Burger King wankte, um mir wenigstens mit einem Whopper Wärme in den Bauch zaubern, hatte ich nicht Mut, noch mal rein zu gehen. Ich hatte nicht mal den Mut einen Moment vor der Stahltür des Puffs stehen zu bleiben, weil ich selbst in meinem Suff wusste, dass da Kameras hingen. Also ging ich um die Ecke und überlegte ein bisschen um dann zu Pommes und Burger weiter zu wanken. Die Uhr war weg, aber das war nur ein Problem. Das zweite Problem war die Wärme. Das ist nämlich das blöde, am bezahlten Sex: am Ende steht man doch wieder alleine draußen in der Kälte. Selbst wenn man soviel Geld hat, dass man sich jemanden nach Hause bestellen kann, liegt man nachher alleine im Bett, spürt, wie die Wärme sich aus den Laken grußlos verabschiedet und am Ende alles wieder so ist, wie ein paar Geldscheine vorher. Man hat sich nur ein Zeitloch erkauft, einen Moment, der nicht mal bis zum nächsten Frühstück reicht. Man kann nicht mal jemanden widerlich finden, oder dafür hassen, dass man selbst mal wieder so schlecht war. Man ist nur genauso alleine wie vorher.

Der Taxifahrer war gnädig zu mir, morgens um vier oder fünf, was weiß ich. Ich ließ mich auf die Rückbank fallen und sagte Sillemstraße und der Wagen floss wie langer Strich den bekannten Weg einfach entlang, bis er vor meiner Tür stand.

  • Frohe Weihnachten
  • Das nächste mal. Der Rest ist für sie.

Das war die erste und die letzte Weihnacht, die ich alleine verbracht habe. Und jedes Mal, wenn ich bei meinen Eltern bin, oder mit Freunden zusammen feiere, denke ich an diesen Heilig Abend vor vielen Jahren. Die Uhr hab ich nie wieder bekommen. Als ich irgendwann bei Ebay eine Uhr aus der Serie sah, hab ich kurz überlegt, ob ich mitbieten soll. Ich hab gelassen, weil meine Erinnerungen an den Abend reichen. Die müssen nicht aufgefrischt werden.

Ich wünsche allen ein frohes Weihnachtsfest.

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Kommen wir mal zu etwas ganz anderem. Mit einer Katze zu reisen, ist gar nicht so kompliziert. Zumindest nicht mit meiner. Wenn nicht die anderen Mitreisenden wären.

Wenn ich zum wunderschönen Mädchen, meinen Eltern oder woanders hin fahre und weiß, dass ich länger als zwei Nächte weg bin, kommt die Katze mit. Das bedurfte am Anfang einer gewissen Logistik, weil man überall Katzenklos aufstellen musste, aber war das einmal erledigt, ging alles reibungslos. Das hat vor allem damit zu tun, dass meine Katze sehr reiseerprobt ist. Einmal im Monat, manchmal auch häufiger geht es in den Transportkorb was meine Katze ohne Gejammer hinter sich bringt. Sie legt sich rein, pennt und wenn sie ankommt streckt sie sich und will was zu fressen. Nur einmal lief es nicht so gut. Da fuhr ich nicht mit dem Zug, sondern stand mit dem Auto Stau und aus einer fünfstündigen Reise wurden acht Stunden. Nach sieben Stunden wurde die Katze unruhig und wenn tellergroße Augen das Äquivalent zu Dingen wie Beine zusammenpressen, auf die Lippe beißen und Augen zusammenkneifen sind, dann musste sie wohl relativ dringend ins Gebüsch.

Während sich das mit Katze also völlig unproblematisch darstellt, sieht es in Punkto Mitreisende allerdings anders aus. Nun bin ich ja gewohnt, dass es Menschen gibt, die gewisse Schwierigkeiten um Umgang mit Haustieren haben. Meine Eltern hatten früher drei Schäferhunde, alle, bis auf einen vielleicht, lammfromm, aber wenn man mit denen spazieren ging, war irgendwie immer alleine. Andere Menschen winkten aus der sehr weiten Ferne schon mit beiden Händen, manchmal auch mit ihrem Mantel, um anzuzeigen, dass sie nun einen anderen Weg wählen würde, einen der sie möglichst lange und möglichst weit weg von den drei Bestien führen würde, die gelangweilt neben und vor mir her trotteten. Tauchten Menschen unvermittelt aus Waldwegen auf, blieben sie meist einen Moment vor Schreck stehen um dann nervös ihren Partner zurück in den Wald zu schubsen. Ich war ein einsames Kind.

Mit einer Katze, dazu noch mit so einer Bonsaikatze wie meiner, die mit etwas über einem Jahr nur halb so groß ist, wie eine normale Katze, sollte man dererlei Dinge nicht erleben. Dacht ich jedenfalls, bis ich eines Tages bepackt mit Koffer, Rucksack, Essen und Transportkorb im strömenden Regen vor dem bestellten Taxi stand und der Fahrer bei Ansicht der Katze vor Schreck sofort wieder in seinen Wagen hüpfte und mit den Worten "Katzenallergie" enteilte. Wie gut, dass es nicht nur eine Taxe in Berlin gibt. Es gibt mindestens noch eine zweite Taxe, und zwar mit einem Fahrer, der zwar keine Katzenallergie hat, dafür aber eine panische Angst um seine Ledersitze, weswegen die Katze die zehn Minuten zum Bahnhof im Kofferraum reisen musste.

Im Zug, und jetzt komm ich endlich zum Punkt Mitreisende, auf dem ich schon so lange rumreite, im Zug jedenfalls sieht es nicht besser aus. Ich habe ja lange im Raucherabteil gelebt, also jenem Bereich, der normalerweise wie folgt besetzt ist: Vier laut biertrinkenden Wehrpflichtigen mit sportiven Kurzhaarschnitt, eine toupierte Dame unbekannten Alters, ein sehr grauer Mann, ein sehr dicker Mann mit rauen Bauarbeiterhänden, eine junge Frau mit Bauchpiercing und einem Mobiltelefon, dass alle drei Minuten mittels lustigen SMS Ton den Ankunft einen eben solchen ankündigt, ca. 785 rein und raus rennende Jugendliche die gerade auf Klassenreise sind, aber natürlich im Nichtraucher sitzen müssen weswegen alle fünf Sekunden ein paar von ihnen ins Abteil wanken um eine zu rauchen und eine Gruppe Angestellter aus dem mittleren bis unteren Management aus Bielefeld oder Hanau, die einen sehr fragwürdigen Krawattengeschmack haben und sich einmal die Stunde zu zweit oder dritt ins Raucherabteil setzen, damit ihre Anzüge nicht nach Rauch riechen, bzw. die Frau zu Hause das nicht mitbekommt. In dieser Gesellschaft reist man mit Katze relativ ungestört, es denn, die Frau mit den toupierten Haaren hat zufälligerweise auch eine Katze. Dann gibt es zwei Varianten:

a) Frau geht vorbei, klimpert mit dem was um den Hals trägt (Steine, Holz, Metall, alles aus original indianischer Handarbeit) und nicht nickt wissend, mich völlig ignorierend, in Richtung der Katze

b) Frau bleibt stehen und ich vermute, dass sie Sachen ohne Punkt und Komma sagt. In etwa so: "Ist das eine Katze ich habe auch eine Katze meine Katze würde ja nieeeee im Leben so ruhig sein das ist aber eine ruhige Katze das ist aber eine hübsche Katze wie alt ist sie denn was ist denn das für eine Katze?" Dann werde ich angeschaut und ich nehme erstmal meine Ipod-Stöpsel raus und sage "Ja, die ist das gewöhnt." Ich weiß nie was man von mir wollte, aber meistens scheine ich mit meiner Antwort auf das, von dem ich vermute, was man zu mir gesagt hat, richtig zu liegen, denn die toupierte Frau verabschiedet sich meistens mit einem "Also meine würde das nie..." Manchmal aber auch "Unverschämtheit"

Im Raucher ging es also meist. Schlimmer ist es im Nichtraucherbereich in dem ich seit ein paar Monaten sitze. Was im Raucher die Bundeswehrbesetzung darstellt, ist im Nichtraucherbereich die vierköpfige Familie aus Baden-Württemberg. Egal welche Strecke man fährt, egal wie lange man fährt - es gibt immer eine vierköpfige Familie aus Baden-Württemberg, die Nebentisch sitzt. Diese besteht aus

a) Vater, dünn, schwer schwäbelnd, so eine merkwürdig filigrane Designerbrille in rot oder rot/grün, Sandalen (Sommer), Sandalen mit dicken Socken (Winter) b) Mutter, nicht mehr ganz so dünn, strähnige Haare, manchmal leichter Über- oder Unterbiß, Mundwinkel hängen c) erstes Kind, dünn, gelangweilt, hört von einem riesigen gelben Kinderwalkman, den die Großeltern geschenkt haben, Kassetten d) zweites Kind, dicker, laut

Alle essen Äpfel, trinken Apfelschorle und essen trockene Kekse und man hat Gefühl die Neurodermitis schon riechen zu können. Kleines Kind sieht die Katze und will die Katze sehen. Es folgt folgender Dialog:

Kind: "Ohhhhhh, Katze" Vater: "Ja, muasch den Mann froga, obsch dearfsch" Mutter: "Denk an dei Allergie" Kind: "Katze, Katze" Vater: "Des goht scho, oder was moinsch Gundula? Mutter: "Aber nur kurz"

Kind kommt. Kind starrt in Korb. Katze blinzelt. Katze schläft weiter. Kind steckt einen angelutschten Keksrest in den Katzenkorb. Katze macht große Augen und verzieht sich weiter nach hinten. Kind geht enttäuscht um nach ca. einer halben Stunde wieder unruhig auf dem Sitz zu rutschen.

Kind: "Katze, Katze" Mutter: "Noi, denk an dia Allergie" Vater: "Gugamol Kühe" Kind: weint Kind 2: verdreht die Augen Kind: weint Mutter: "Die Katze will au schlofa" Vater: "Gugamol Schafe" Kind: weint lauter Mutter: "Nimm erschtamol Deine Pulsatilla"

Mit drei Schäferhunden ist mir sowas nie passiert.

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Schon ein paar Mal gesehen, zuletzt bei Isa

HSV oder Bayern? Ohje, Fußball. Eigentlich ja nur Motorsport. Kann auch damit zusammenhängen, dass ich mal als Torwart in der E-Jugend ausgerechnet bei dem Spiel, bei dem die gesamte Familie inkl. Tanten anwesend war, sechs Tore kassiert und mich fürchterlich geschämt habe.

Beatles oder Rolling Stones? Beatles. Meine allererste selbstgekaufte Kassette war eine "Best of the Beatles". Erworben bei Hertie, Bad Godesberg für ca. 3 DM mit dem Geld meiner Mutter.

Schwarzenegger oder Van Damme? Van Damme ist lieb, aber sehr doof. Weiß ich aus einem Interview. Schwarzenegger hab ich leider nie vors Mikro bekommen, halte ihn aber für deutlich klüger, als man ihm zutraut.

Rot- oder Weißwein? Rot.

Mallorca oder Ibiza? Mallorca. Ich bin nicht schwul.

Berlin oder Bonn? Ich stamme aus Bonn. Das ist Heimat und wird es immer bleiben. Aber Berlin ist dann doch die etwas lässigere Stadt.

Auto oder Motorrad? Auto. Motorräder haben mich nie sonderlich interessiert. Auf Mallorca habe ich mir mal eins geliehen und bin ein paar Tage damit rumgefahren. Ja, war lustig. Nein, hat mich nicht überzeugt. Ja, ich hab mich auf die Fresse gelegt. Nein, das ich nicht der Grund. Als ich neulich in den USA war, hab ich überlegt, ob ich die weiten Strecken lieber mit dem Motorrad gefahren wäre, aber das musste ich verneinen, denn es war schon sehr bequem in einem Cabrio mit Tempomat zu sitzen und diverse Getränkehalter um sich zu haben. Was zu dem völlig gegen ein Motorrad spricht: das wunderschöne Mädchen könnte ihre Beine nicht aufs Amaturenbrett legen.

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