Vor wem würde man denn auf Knie fallen? Vor wem würde das eigene Rückgrat so weich, dass man sich freiwillig tief verbeugen würde, allein, weil der Mensch da vor einem so unfassbar groß ist? Und was soll man so einen Menschen fragen? Darf ich den überhaupt interviewen? Darf ich mich mit meinen, damals 26 Jahren, vor Robert Mitchum stellen, der Hollywood und das Gesicht aller Bösewichte in allen Ewigkeiten geprägt hatte? Das geht eigentlich gar nicht. "Mr. Mitchum, how do feel about your new movie?" oder "Have you been in Germany before?". Das waren Fragen, die mein Lokalblatt erwartete und es hätte mich bei diesen Fragen nicht gewundert, wenn mich ein großer Stein erschlagen hätte. Aber welche Fragen soll man sonst stellen, wo doch ungefähr drei Milliarden Journalisten vor mir schon alle Fragen gestellt hatten, die man nur stellen kann. Vielleicht mal nachfragen, wie die Sache mit Ava Gardner war?

Das sind so echte Grenzfälle. Klar, sehen will man ihn schon. Aber besser keine Fragen stellen. Vielleicht mal berühren, wegen der Aura, und der Hoffnung, dass sie einen Bruchteil abgibt, damit man auch das Gesicht so in Falten legen kann. Aber das örtliche Käseblatt, dass mir diese Gelegenheit überhaupt erst möglich gemacht hat, will es anders. Ich soll fragen, wie das so ist Köln, und mit dem neuen Film und ob er Kölsch mag. Eine widerliche Unart in Köln. Alle halbwegs Prominenten werden gezwungen ein Kölsch zu trinken, ob sie es mögen oder nicht. Lokalkolorit nennt man das, erhöht auch die Auflage und stärkt die kölsche Seele, wenn sie in ihrer Zeitung sehen können, wie irgendein ausländischer Prominenter am Kölsch nippt. Dann sagt sich der Kölner an sich "Jo,jo, et is ever och wirklisch joot he wo ma läve, da kann ma sachen wat ma will, un der aus Hollywood sach dat auch" und geht wieder an sein Tagwerk. Das ist in etwa der gleiche Refelx wie in Hamburg, wo alle Hamburger antworten, wenn man sich mal kritisch über die langweiligen, mundfaulen, engstirnigen Norddeutschen äußert: "Aber schön ist es hier!".

Ich war mir allerdings ziemlich sicher, dass Robert Mitchum davon überhaupt keine Ahnung hatte. Er mußte einen Film drehen und das mit knapp 80 Jahren, irgend eine Cameo Nebenrolle. Dass er überhaupt noch arbeiten mußte. Wahrscheinlich weil er sein ganzes Geld verlebt hatte. Wahrscheinlich mit Ava Gardner.

Natürlich erschien er nicht zum Interviewtermin. Er sollte Mittags kommen, aber kam nicht. Später würde er sicher kommen, sagte die Frau von der Produktion, und ich glaubte ihr kein Wort. Derweil versuchte ich heraus zu bekommen, was die andern vier anwesenden Kollgen an Fragen parat hatten. Zwei mußten wissen, ob er schon mal in Köln war, und ein Kölsch getrunken hatte. Eine weitere sagte nichts und der letzte hatte einen vierseitigen Fragenktalog, die sich alle auf verschiedene Filme aus den letzten 50 Jahren bezogen. Das war der Filmjournalist. Ich kannte ihn flüchtig, da er der einzige Kölner Filmjournalist war, der geschätzte 150 Kilo wog und immer einem Trenchcoat trug, der so gerade eben noch zuging und unfaßbar nach Schweiß stank. Er wollte von Mitchum wissen, ob er wirklich mal wegen seiner Rolle in "Night of the hunter" in einer US Kleinstadt verhaftet worden war, weil ihn die Bewohner für den dämonischen Harry Powell hielten. Coole Frage. Ich war neidisch, denn ich mußte ja nach Kölsch fragen. Wenn ich diese Frage im Interview stellen würde, dann hätte mein Auftraggeber gesagt: "Jung, wenn dä sujet frachen willst, dann frach dat. Ever dann kriste keen Jeld für. Wat interessiert sich dat Marie usser Südstadt denn für su jät? De will wissen, ob er Kölsch mag. Und wat die Enkel mache. Su Frachen sin doch Kokolores."

Zwei Stunden später war immer noch nichts von ihm zu sehen. "Er dreht noch" hieß es. So ist das, im tollen Journalistenleben. Man steht rum und wartet. Stundenlange Langeweile wird allerdings in Sekundenbruchteilen von totaler Hysterie abgelöst. So auch diesesmal, denn plötzlich tauchte Mitchum auf. Das heißt, erst tauchte sein Umriss auf. Ein Hühne, schien es, in einem langen Mantel, im Halbdunkel, zwischen den kahlen Gleisen, der sich langsam und vorsichtig in unsere Richtung bewegte und die Produktionspressetante zu einem verzückten "Hab ichs doch gesagt" bewegte. Wir nestelten alle an unseren Taschen, zerrten den Fragenblock und das Aufnahmegerät heraus und standen Spalier, bis er endlich unfallfrei über die letzten Gleise gesteigen war. Die Produktionspressetante ging ihm entgegen und ich hörte nur "Sure, five minutes" und da war er da. Mitten auf dem alten Güterbahnhof in Köln stand er vor mir, vielleicht einen Meter entfernt, dick verpackt in einem Mantel und einem Schal. Hager war er, das Gesicht wie eine Landkarte des Himalaya und unter seinem Kinn hing ein Lappen Haut runter, der sich immer bewegte, wenn der Kehlkopf nach oben schoß. Und ich hatte weiche Knie. Der Filmkollege, ganz alter Profi, schoss seine Frage wegen der Festnahme raus. Mitchum hörte sich die lange, lange Frage an und sagte "No, thats a legend". Dann folgte die erste Kölsch Frage und es folgte eine lange freundliche Antwort, von wegen, er sei ja nur zwei Tage da, da habe er keine Zeit, aber Köln sei eine tolle Stadt, er sei nun schon so alt, er hätte viel früher hier hin kommen sollen, aber er sei froh, wenigstens einmal hier gewesen zu sein, und wegen des Kölsch, da würde er doch gleich mal seine Betreuer vor Ort fragen, ob sie ihm das Zeug nicht mal besorgen können. Jedes Wort gelogen, aber der Mann wußte eben, was er zu sagen hatte, vermutlich, weil ihn die gleiche Frage schon dreitausendmal in Mexiko, und da wegen Tortillas oder sonst was gestellt wurde. Und als eine kleine Pause bei den Fragen eintrat, nutzte er sofort die Gelegenheit um sich zu bedanken. Er drehte sich um, stieg wieder vorsichtig über die Gleise und verschwand hinter einem alten Güterwaggon. Das Interview ist trotz Kölsch-Frage nie erschienen, nur eine kleine Notiz, dass Mitchum in Köln drehen würde. Der Grund laut Lokalredakteur: "Ach jo, dat ist nett. Ever den kennt doch keiner mehr."

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Oh, Montag! Heute morgen mit der Verwalterin meiner neuen Wohnung gesprochen, und nachgefragt, wann der Mietvertrag kommt. Oh, sagte sie, der Vormieter hat sich doch für jemanden anderen entscheiden, weil die schneller einziehen können. Aha, sage ich, morgens um zehn die Dimension des Ganzen noch nicht völlig begreifend. Ja, sagt sie. Aha, sage ich. Das machen wir ungefähr viermal, bis ich mich zu einem: "Das ist jetzt aber doof" durchringen kann. In dem Moment, wo ich das sage, schieben die kleinen Männchen in meinem Kopf die Einrichtungspläne der letzten Tage beiseite und legen dahinter eine häßliche Tür mit der Aufschrift "Konsequenzen" frei.

Denn: meine Wohnung ist schon vermietet . Ab dem 01.06.04. Und der kleine, freundliche Neapolitaner würde gerne deutlich vor dem 01.06.04 einziehen, wie er mir schnatternd am Telefon berichtet hat, nachdem er den Mietvertrag für meine alte Wohnung unterschrieben hat.

Ich sage zu der Verwalterin: "Das ist aber mehr als sehr doof, DENN ICH HABE LETZTE WOCHE MEINE WOHNUNG VERMIETET, NACHDEM MIR IHR VORMIETER ZUGESAGT HAT, UND SIE MEINTEN ICH SOLLE DAS MIT IHM KLÄREN, SIE WÜRDEN NUR NOCH DEN VERTRAG RAUSSCHICKEN!" Ich sage das ein wenig lauter. Die Verwalterin zuckt durchs Telefon mit der Schulter, sagte aber "Ohje", Ich so: "Allerdings". Sie so: "Tja". Ich so:"Das ist, um es deutlich zu sagen, Scheiße" Sie so: "Tut mir leid."
Ich so:"Haben Sie noch was anderes in der Ecke?" Die Antwort hätte ich mir auch selber geben können.

Ich bin obdachlos! Ich werde nie wieder eine Wohnung bekommen! Nie! In nichtmal vier Wochen werde ich weinend unter einer Brücke schlafen müssen, verzweifelt den Stecker meines PC in der Hand auf der Suche nach einer passenden Dose. Denke ich gerade, während ich sehr, sehr, sehr teure Maklerangebote durchscanne, wo immer 2,32 x NKM/incl.MWSt hinter steht, dafür, dass diese Wegelagerer einem die Tür aufmachen und Sachen wie "Da ist eine sehr exklusive Gegend" sagen. Maklern sollte es verboten werden, Wohnungen und Häuser unter 500qm zu vermieten. Da klingelt mein Handy. Die Verwalterin nochmal: Sie so: "Also, dass ist ja ein Ding" Ich sie: "Wie jetzt?" Sie so: "Da leg ich auf, das Telefon klingelt und dran ist eine Mieterin in der Raumerstrasse, 20 Meter von der anderen Wohnung entfernt, auch 2 Zimmer, blablabla die spätestens zum 1.6. einen Nachmieter sucht. Schauen Sie sich die Wohnung heute Abend an, wenn sie sie wollen, ist es ihre." Ich so: "Ach" und setze gedanklich in Klammern: "Wehe, die ist nix."

Montag, doo!

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Während in anderen Stadtteilen Berlins, die Völker aufeinander schlagen, habe ich mich heute in das wirkliche, echte Grauen begeben. Nicht so läppisches Steine rumwerfen, Autos abfackeln und unschöne Dinge über die Ordnungshüter rufen. Das kann ja jeder. Das ist ja leicht. Das machen die ja schon im Kindergarten, besonders in staatlichen, wo sowas zur Grundbildung gehört. Naaahein...ich war im Wedding unterwegs. Auf dem Müllerstrassenfest. Das Müllerstrassenfest geht so: Man sperrt die vierspurige gleichnamige Strasse, stellt in loser Reihenfolge Losbuden, Bratwurststände und Klamottenbuden auf, nebst einem von der freiwilligen Feuerwehr und dann kommen alle, alle Weddinger und wollen sich auf Teufel komm raus amüsieren. Als gefühlter embedded Journalist im Wedding habe ich meine alte, knarzende Kodak DC 3200 Kamera (1Mp!) herausgeholt, mir ein altes T-Shirt mit einem lustigen Spruch angezogen und folgende Dokumentation unter Einsatz meines Lebens (mußte eine Bratwurst essen) zusammengestellt.

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Die erste Frage war "Oh mein Gott, was zieh ich nur an?" Ich meine, ich war ja nicht einfach irgendwo eingeladen, sondern in einer der Schaltzentralen der bundespolitischen Macht: Der Landesvertretung von Rheinland-Pfalz. Dazu erreichte mich die Einladung auch erst gegen 16.00 Uhr und würde ich eine hysterische Tucke sein, dann wäre ich kreischend zum "Gianni" gelaufen und hätte ihn angefleht, das er mich noch dran nimmt, weil die Haare, so kann man doch nicht unter Leute gehen und Gianni hätte "Tsi Tsi" gesagt, und "maken wia alles gut, trinke erstemale Prosecco auffe Hausse, dann wia sehen was mitti Haare" und ich hätte "Danke, Gianni," gesagt und übermorgen hätte ich meiner besten Freundin erzählt, wie toll Gianni das noch gerettet hat, nur 150 Euro, aber ich schweife ab, denn ich bin ja keine Tucke und meine Haare sind nach einem heftigen Anfall neulich kurz und stehen jetzt in alle Richtungen, so wie in der Loreal Werbung, wenn die jungen Dinger mit dem Gel in den Haaren rumturnen und Klimmzüge machen, nur das meine Haare das mit ohne Gel und einfach so machen, was so schon ein wenig peinlich ist und noch peinlicher wird, wenn die Frage kommt, warum man denn jetzt auch so eine Frisur hat und man sagt, dass das von Natur ist, aber ich schweife ab, denn mir ist ja relativ wenig peinlich. Jedenfalls musste ich mich schnell zwischen zwei gleich sauberen Hosen und zwei gleich sauberen Hemden entscheiden, was ja ganz schön anstrengend ist, ungefähr so anstrengend wie ein tödlicher Männerschnupfen. Männer wissen was ich meine.

Drei Stunden später stehe ich also in einem Monster aus Glas und Beton mit Blick auf den Reichstag und das Brandenburger Tor und bin ein wenig erleichtert, denn die Künstler, deren Werke da ausgestellt werden, sehen natürlich aus, als hätten sie ihre Klamotten, ihre Frauen und ihre Kinder bei Humana gekauft. Meine mutige Kombination, grau-blaues Hemd auf japanische Jeans zu Markenschuhen von Woolworth wird von den wichtigen Honoratioren nicht naserümpfend zur Kenntnis genommen.

Nun muss die Ausstellung eröffnet werden. Das ist immer so, und ich erkläre den Hasen, die nie auf Ausstellungseröffnungen gehen jetzt auch mal gerne warum das so ist: Das ist so, weil da einer was erzählen kann, der vorher 12 Semester BWL studiert hat, im 11. Semester seine Frau auf einer Bumsparty im Keller eines Freundes kennengelernt hat und er sie solala fand, aber wegen des Diplom/Magister/Staatsexamensstress wusste er jetzt auch nicht, was er mit ihr sollte, also war sie halt da, hat Kaffee gebracht und sich mit ihm gefreut, als er bestanden hat und das gleich so dolle, dass sie schwanger war und sich dachte: "Na, als Kulturhistorikerin kann ich ja auch später noch was machen, oder vielleicht auch was mit Sprachen, das wird ja immer gebraucht" und er dachte "Ups - na ja, hoffentlich wird sie nicht dick später" und jetzt ist er Referent in einem Rheinlandpfälzischen Ministerium, wohnt aber Wiesbaden, weil es sich da netter leben lässt, und hat zwei Kinder und wenn er in Woche ab und zu in die Schaltzentrale der Macht nach Berlin fahren kann, dann kann er auch gleich die ansässige Kulturreferentin ficken, was praktisch ist, weil seine Frau wegen der Dauerdiät und der damit verbundenen leichten Neigung zu Depression, die der Hausarzt mit ebenso leichten Anti-Depressiva auffängt, sowieso nichts bemerkt und die etwas blöde Kulturreferentin glaubt ihm, dass er unbedingt nach Berlin will, was natürlich gelogen ist, wegen des Hauses in Wiesbaden und weil er keine Gütertrennung hat. So, ist das. Soll ja keiner sagen können, dass es hier keinen bildungspolitischen Auftrag gibt, der nicht erfüllt wird.

Also einer redet, dann noch eine, auch eine Referentin, diesmal aber für Kunst und sie sagt Sachen wie "Variationen des Formenalphabets" und "imaginäre Farbkompositionen" und "visuelle Haptik". Das muss sie sagen, dafür wird sie bezahlt, auch wenn sich der Text, den sie über die Künstler vorliest anhört wie die Wohnungsbeschreibung eines windigen Maklers. Das die zweijährige Tochter des Malers mit dem Humana Fetisch während der Rede die ganze Zeit halblaut "blblblblblbl" macht, amüsiert aber leider nur mich, aber es kann ja auch nicht jeder in diesem Raum die Metaebenen von Kindersprache durchschauen. Die anderen Menschen sind scheinbar damit beschäftigt der Frau zuzuhören, was ich außerordentlich interessant finde. Aber die tragen auch Krawatten und müssen das wohl tun. Ich kenn mich mit diesen Menschen, die tagtäglich in einer Schaltzentralen der Macht sitzen ja nicht so aus. Im ersten Moment scheinen sie irgendwie anders zu sein, sehr konzentriert. Im Gegensatz zu mir langweilen sie sich nicht und scannen die Dekolletees der anwesenden Damen, was allerdings auch langweilig ist, bis auf eine, aber die scheint an ihrer linken Hand festverwachsen mit einem deutlich älteren Herren mit großem Bauch und wenig Haaren und einer sehr, sehr hässlichen Nase, um den immer andere jüngere Herren stehen, und deswegen ist er wohl einer der Macht hat in der Schaltzentrale der Macht und ich frage mich, ob ich sie fragen soll, ob es nun ordinärer ist mit der Macht zu vögeln oder sie genau danach zu fragen, aber ich habe die leise Vermutung, dass meine Frage in der Gruppe nicht das Amüsement auslösen wird, was ich gerade habe. Am Ende ist es dann auch noch seine Adoptivtochter oder Nichte und dann ständ ich aber ganz schön blöd da.

Die mir fremden Menschen werden etwas normaler, als die Reden vorbei sind und das Buffet eröffnet wird. Dann sind alle wieder Tiere denn bei Schweineschulter auf Wirsing und Gemüse in Salbeibutter geht’s halt los, und wer zu erst mit einem Teller voller Essen wiederkommt, ist eben ein Winner. Komischerweise kommen erst ganz viele Frauen mit vollen Tellern. Ich trinke derweil Rotwein um meinem Image gerecht zu werden. Zwei Stunden später bin ich ein klein wenig angeheitert, aber immer noch ein wenig fassungslos über die Sache auf der Toilette. Die war natürlich auch ganz doll modern und ich bin gut erzogen und das führte fast zu einer Katastrophe, denn ich versuchte den Wasserhahn aufzudrehen, nachdem ich mir schon die Seife auf die Finger geschmiert habe, nur: da war kein Wasserhahn. Also, da war schon ein Hahn mit was dran, aber das ließ sich nicht bewegen. Ich dachte: "Aha, Lichtschranke vielleicht. Oder Annäherungsdeflektor" aber nix da. Ich schwenkte meine Hände, die mit einer Seife getränkt waren, die ein ganzkleines bisschen nach Sperma aussah wie ein blöder hin und her und hoch und runter und mal langsam mal schnell, aber nix passierte. Kein Wasser für mich. Der Hahn starrte mich amüsiert an und ich hasste ihn und seinen Designer sofort. Dann kam noch einer raus und wusch sich hinter mir die Hände. Mit Wasser. Das konnte ich hören. Also warte ich bis er weg war, drehte mich um und starrte wieder auf so einen Designerhahn und nichts passierte. Und dann trat einer neben mich und machte eine listige Handbewegung mit dem Hahn, sagte: "So geht das" und schaute mich dabei an, als sei ich eben aus einem Irrenhaus in Bayern entflohen, wo man sich sowieso nicht wäscht. Ich hab den Hahn gehauen, als er weg war und verfluche hiermit alle Wasserhahndesigner. Alle Zähnen sollen ihnen ausfallen, bis auf einen, und der soll stinken.

Wer einen modernen Wasserhahn aber nicht benutzen kann, der hat auch nichts in der Schaltzentrale der Macht verloren. Allerdings habe ich mir geschworen, dass, sollte ich jemals von Landesvertretung von NRW zum lesen eingeladen werden, genau diesen Text vorlesen werde.

P..S.: Der Rotwein war geil. Dornfelder aus dem Staatsgut. Kann man direkt in der RP Landesvertretung beim Pförtner für 5 Euro die Flasche erwerben. Hicks. Prost.

P.P.S.: Bilder waren auch hübsch

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Das grosse Rennen von Belleville

Frankreich, Ende des der 40er Jahre. Champion hat ein Problem. Zum einen seinen Namen, aber das ist zunächst nicht so schlimm. Viel schlimmer ist für das kleine, pummelige Kind, dass es alleine bei seiner Großmutter, Mme. Souza, lebt und sehr, sehr traurig ist, da die Eltern nur noch als schwarz-weiß Bild an der Wand existieren. Da hilft es auch nicht, wenn die Oma ihrem Enkel einen kleinen, tolpatschigen Hund schenkt. Oder eine Eisenbahn. Oder ein altes Klavier entstaubt. Champion bliebt traurig und alleine, bis Mme. Souza die rettenden Idee hat: ein Fahrrad. Von hier bis zu der Teilnahme an der Tour de France 10 Jahre später ist es nicht weit. Doch Champion wird entführt. Aber die Entführer haben nicht mit Mme. Souza, Bruno, dem mittlerweile ebenso fetten wie alten Hund und den Tripletts von Belleville gerechnet.

Der Film ist ganz großes, grandioses Kino. Und das gerade weil er nach alten tradionellen Zeichentechniken gemalt wurde und auf den Einsatz von Computern weitesgehend verzichtet. Der Film ist überzeichnet: die Bösen sind nur tiefschwarze, rechteckige Klötze, Schiffe haben einen Rumpf, der 100mal höher als der Aufbau ist und die Radfahrer bestehen nur aus Waden, Oberschenkeln und einem einem riesigen Adamsapfel. Und obwohl er urkomisch ist, schwebt über dem Film die ganze Zeit eine leichte Melancholie, eine dunkle Traurigkeit, eine latente Verzweiflung, die nur wenig durch den Kampfgeist der Figuren aufgefangen wird. Die Figuren sind unten, sie haben keine Chance auf einen Aufstieg, aber sie lassen sie auch nicht weiter runterdrücken. Wie Bruno, der immer die vorbeifahrenden Züge anbellt. Man braucht ein paar Minuten, um sich in den Zeichnungen und der Stimmung der 50er Jahre wieder zu finden. Aber schnell ist man mittendrin im Geschehen, dass im übrigen fast ohne Dialog auskommt. Mme. Souza und ihr Enkel sprechen jedenfalls nicht. Am Ende bleibt aber eine wundervolle Mischung aus Melancholie und schrägem Humor, aus Stille und Überzeichnung, aus Sieg und Hoffnung. "Das grosse Rennen von Belleville" ist definitiv der schönste Film, den ich bisher dieses Jahr gesehen habe, und es wird schwer, ihm dieses Jahr diesen Titel streitig zu machen.

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