Herrschaftszeiten, bin ich schlecht gelaunt.

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Hallo Arcor,

es wäre toll gewesen, wenn Ihr auf die vielen bunten Blätter, die ihr mir in den letzten Tagen nach Hause geschickt habt, darauf geschrieben hättet, dass man für die Zusage eines Anschlusses auf jeden Fall an seiner neuen Wohnadresse schon angemeldet sein muss, weil ihr sonst bei der Überprüfung einfach davon ausgeht, dass das der Antragsteller, von dem ihr schon Kontonummer, Einzugsermächtigung habt und mit dem ihr mehrfach gesprochen habt, nicht existent ist, und ihr den Auftrag einfach löscht. Das ist in sofern dumm, weil man ja keinen Anschluss für die neue Wohnung bestellen kann, weil man sich nach deutschen Recht ja nicht ummelden darf, bevor man umgezogen ist. Wenn Du das also in Zukunft auf Deine verfickten Drecksflyer schreibst, dann bin ich mir sicher, dass auch mehr Kunden ihren Weg zu Euch finden. Ob ich das jetzt noch will, weiß ich auch nicht. Das jedenfalls die allerkomplizierste Telefonneuanmeldung, die ich jemals in meinem Leben hatte und läßt in mir langsam den Gedanken reifen, dass in der DDR doch nicht alles schlecht war.

Sehr genervt Don

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Langsam zieht sie das Bein hinter sich her. Der linke Fuß steht nicht mehr ordnungsgemäß mit seiner Sohle auf dem Boden, sondern wird vielmehr seitlich verdreht hinterher gezogen wie ein lästiges Anhängsel, ein überflüssiges Stück Fleisch, das man vergessen hat abzuschneiden. Aber der Fuß ist dick verpackt, mit alten Stofffetzen und Luftpolsterfolie. Da kann wenigstens nichts scheuern. Ich kann nicht erkennen, wie sie mit einem Bein das Gleichgewicht halten kann. Sie hüpft ein wenig nach vorne, landet und rudert dabei nicht mal mit dem Armen. Aber das schmutzige Gesicht ist sehr konzentriert. Es ist halb elf am Hackschen Markt und ich will mir gerade ein Sideboard bei "Dom" anschauen, als ich auf die Frau aufmerksam werde. Sie scheint zielstrebig irgendwohin zu hüpfen, die Augen immer ein wenig verkniffen. Vielleicht wegen Sonne, vielleicht wegen Schmerzen. Das mit dem Fuß sieht nicht gesund aus und das ist nicht der einzige Ärger, der heute wohl auf sie zukommt, denn sie hüpft genau auf die schmale Lücke auf dem Bürgersteig zu, die ein Polizeiwagen zulässt, der vor einem britischen Buchladen steht und diesen bewacht. Wegen der Hassprediger. Weiß man ja, wie gefährlich die sind. Die verschwinden erst und explodieren dann ungefragt. Am Fenster des Polizeitransporters lehnt ein wirklich dicker Polizist. Es ist zwar noch Vormittag und nicht so warm, aber unter seinen Armen haben sich schon riesige Schwitzflecken gebildet. Wie das wohl im Sommer aussieht? Und wie das wohl riecht, wenn er im Sommer abends sein Polyester Hemd aussieht? Die Frau hüpft weiter auf die Lücke zu. Es sieht gar nicht anstrengend aus, was sie da macht. Eine natürliche, fließende Bewegung. Wann man einen Fuß hinter her zieht, muss man sich wohl genau so bewegen. Ich bleib vor der Tür des Ladens stehen, weil ich sehen will, wie sie an dem Polizisten vorbei hüpft und wie der reagiert. Sie drückt sich ein wenig an die Wand, lehnt sich mit der Schulter dagegen und hüpft unverdrossen weiter. Dabei Schleifgeräusche des Luftpolster um ihre Knöchel. Das Gespräch des Polizisten mit seinem Kollegen im Auto verstummt, er schaut sich kurz die Frau an, blickt auf den Fuß, dann wieder in ihr Gesicht. Dann "Hey, Sie, Papiere?" Sie hält in ihrer Bewegung inne, bleibt stehen und stützt sich mit einer Hand an der Wand ab, während die andere Hand in einer Tasche wühlt und ein altes, zerknittertes Stück Papier herausholt, das aber den Polizisten offenbar befriedigt. Sie stopft das Papier wieder in eine Tasche, seufzt kurz und hüpft dann weiter. Ich beschließe, dass ich ihr Schicksal scheiße finde und meine Woche mit etwas Gutem starten will. Aber ihr hinter her laufen und ihr Geld in die Hand stopfen? Dabei fällt mir auf, dass das Gefühl der Demut deswegen in mir aufkommt, weil ich nicht einschätzen kann, wie das Gefühl ist, wenn man so rumschlurfen und leben muss, und plötzlich kommt da einer und drückt einem 5 Euro in die Hand, obwohl man nicht darum gebeten hat. Bettler sind ja was anderes - die sitzen da und haben alte, faltige Kaffeebecher aus Papier in das man im Vorbeigehen Geld werfen kann. Kleiner Ablasshandel auf dem Weg zu Edeka. Aber jemanden Geld geben, der zwar so aussieht, als ob er es gebrauchen könnte, aber nicht darum gebeten hat? Haben Bettler Ladenöffnungszeiten für ihre Ehre? Wahrscheinlich nicht. Also hinter her. Ich schließe das Fahrrad ab, gehe hinter ihr her und weiß gar nicht, wie das jetzt anstellen soll. "Hallo, hüpfen sie mal kurz auf der Stelle, ich will ihnen was geben." ? Eher nicht. Also überhole ich Sie, drehe mich um und lassen den 5 Euro Schein aufblitzen. Sie schaut mich sehr entgeistert an und im ersten Moment denke ich, das ich einer dieser Menschen auf dem Leim gegangen sind, die zwar so aussehen, als ob sie auf der Strasse leben, aber in Wahrheit Multimillionäre sind, und von denen es in Berlin jede Menge gibt, wie sich jeder Tourist bei einem Besuch vom KaDeWe selbst überzeugen kann. Aber dann nimmt sie den Schein, öffnet den Mund, in dem sich drei Zähne wie Schornsteine auf einem alten Industriegelände verlassen nach oben strecken, sagt aber nix, sondern lächelt lieber. Ich geh dann zum "Dom" das Sideboard nicht kaufen.

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Ah - Arcor hat - nein, noch nicht freigeschaltet - mir bestätigt, dass sie meinen Auftrag erhalten haben, was aber nicht gleichbedeutend damit ist, dass sie den Auftrag bestätigen. Das macht nichts. Ich will demnächst sowieso jemanden umbringen, fange ich eben bei Arcor an. Ich hab die Wut neulich überraschend gefunden, so als ob man einen Säugling vor der Tür findet und "Huch" sagt. Und ebenso wenig wie bei einem Säugling vor der Tür, weiß ich, wo meine Wut herkommt. Ich versuch sie dadurch los zu werden, dass ich jeden Tag den Col de la Madelaine Prenzlauer Berg so schnell wie möglich hochfahre, aber mittlerweile ist meine Kondition so gut, dass ich am Ende nur fünfmal durchatme und gut ist. Vielleicht kommt das mit der Wut daher, dass ich gestern abend mal wieder meine Insel der Glückseligkeit (Premiere) verlassen habe, und in der Hölle (PROSIEBENRTLSAT1VOX) gelandet bin. Ich war ziemlich fassungslos a) über die Scheiße, die einem angeboten wird, b) über die Aggressivität mit der das geschieht und c) und die Unverfrorenheit der Lügen, die einem aufgetischt werden. Knorr verkauft DreckScheisseMüll getrocknet in Tüten und sagt, dass es superlecker schmeckt, das es quasi von Jungfrauen bei Mondlicht zubereitet wurde und die brotdummen Deutschen glauben diesen Mist und kaufen den DreckScheisseMüll und ich weiß gar nicht, was mich mehr aufregt, dass es jemanden gibt, der den Schrott produziert, dass es Werbefachleute gibt, die nicht sagen "Schiebt euch doch bitte diesen DreckScheisseMüll in die Nase, für so einen Mist machen wir keine Werbung", oder dass es Menschen gibt, die den Horror in Tüten auch noch kaufen, weil er ja ab und zu "so praktisch ist, wenn es mal schnell gehen muss". Nach ein paar Wochen kompletter Werbefreiheit, und einer halben Stunde "normales" Fernsehen, kommt man sich vor wie in Guantanamo Bay. So als ob man im Schlaf plötzlich einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet bekommt, 25 Leute gleichzeitig auf einen einbrüllen und Bush-Bilder zeigen. Vielleicht liegt es aber auch an dem Abend neulich, bei dem diese Mitte Wichser anwesend waren, diese Cordjacken und dicke schwarze Brillen tragenden, fettige Haare habenden Schmalspurspießer, die da hin gehen, weil man da ja hingeht, denen man schon im Gesicht ansieht, dass sie mit einem Rolf Benz Sofa liebäugeln und das Arschgeweih ihrer Freundin, dass sie im letzten Sommer noch so aufgeilend und schmutzig fanden, nun lieber nicht mehr sehen wollen, weswegen sie ihrer Freundin raten, doch mal das Hemd über der Hose zu tragen und die Freundin, die kurz an Haarspange nagt, schiebt sich den Pony zur Seite und klammert sich weiter an die dünnen Ärmchen ihrer Freundin mit dem lustigen 70er T-Shirt. Man kann förmlich riechen, wie die Kinder in 12 Jahren ein altes Fotoalbum entdecken und brüllen "SO habt ihr mal ausgesehen?" während er die "Auto, Motor und Sport" kurz sinken lässt und sagt "Macht ja keine Flecken auf die Fotos" und sie an ihrer Haarspange nagt .

Vielleicht liegt es doch daran, das ich kein Internet habe und meine Wut nicht unter falschen Namen in anderen Blogs abreagieren kann.

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Kein eigenes Internetz zu haben ist gar nicht so schlimm, wie ich nach vier Jahren Dauer DSL Flat gedacht habe. Man macht dann allerdings komische Sachen. Zum Beispiel Samstag Abend: Weil meine Verabredung die Verabredung verschlief, saß ich zu Hause und hab die gesamte Wochenendausgabe der SZ, sogar MIT dem Bayernteil gelesen. Und dann die Zeit, bis zur Rubrik Sport Wissen. Dann war mir langweilig und ich hab am Hinterhoffenster rumgelümmelt, weil zwei Stockwerke gegenüber Menschen eine Party feierten. Ich hörte immer untz-untz-untz-untz-, dann mal "Its raining man" später auch untz-untz-untz "Love is in the air" Muss eine Studentenparty gewesen sein, so doppelbödig, hintergründig, witzig auf zwei Metaebenen wegen der Musik. Als mir kalt war, hab ich einfach die Heizung unter meinem Hintern angemacht und weiter geraucht. Sonntag wieder: Zeitung lesen. Die FAZS, den Rest der Zeit, dann Formel Eins, dann vergeblich den 802:WLAN unter mir versucht anzuzapfen. Meine neuen Nachbarn haben zwar auch WLAN Points die "Oben" oder "Lovepoint" heißen, aber auch verschlüsselt sind. Schweine. Also auch noch ein Canetti Buch halb gelesen, um Abends mit <a href="girlscamp.antville.org" target=blank"> Goldchen und Piefke 3000 Tobi zu überlegen, ob und wie gut die Meisterköchin wohl aussieht. Trotz viel Bier keine Lösung gefunden. Und dann komm ich heute morgen nach fünf internetlosen Tagen ins Büro und hab nur die Absage vom Salbader im Postfach, denen ich im Frühjahr 2003 mal einen Text geschickt habe und die den nun doof fanden. Ansonsten aber netter Spam. "Dahlmann, Melanie tut der Po weh" stand da, aber das ist nun wirklich nicht mein Problem und schon gar nicht meine Schuld. Soll sich mal lieber bei ihren Eltern wegen des Namens beschweren, anstatt bei mir rum zu jammern.

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