Ich sage - Hey, so wars Du sagst - Ich glaub Dir nicht Ich sage - Aber so war es wirklich Du sagst - Ich glaub Dir nicht Ich sage - Hey, was glaubst Du eigentlich? Du sagst - Ich weiß es nicht Ich sage nichts mehr. Ich hab Angst vor Deinen Gedanken bekommen.
Gleich gehts mit dem Taxi zum Bahnhof, dann mit dem Nachtzug in die Schweiz, morgen früh dann weiter, und weiter und weiter. Und dann endlich, seit Jahren zum ersten Mal wieder mehr als 5 Tage lang Urlaub. Ohne Internet. Ohne Arbeit. Aber hoffentlich mit viel Sonne, mäßig viel Wein und der Schreiberhintertür, dass ich meinem alten Palm III eine faltbare Tastatur gegönnt habe. Und vielleicht hat die Online Redaktion der "Zeit" mir zwischendurch auch eine Mail geschickt, in dem sie um meine Adresse bitten, damit sie mir das supi zeit.de Fanpacket zu senden können. Das werde ich in zwei Wochen merken.
Januar
- Sex ist wie Salatzubereitung rückwärts, sagt sie und greift mit beiden Händen tief in die Salatschlüssel. Ich schaue sie erstaunt an und versuchte mir darauf einen Reim zu machen. Und weil sie gerade in Fahrt ist, legt sie das nächste Bonmot noch hinter her:
- Wenn man keinen Sex hat, dann wird man kauzig.
- Ha, Du hast keinen Sex. Du lebst seit Jahren mit jemanden zusammen. Leicht beleidigt lässt sie ihre Hände einen Moment im Salat ruhen und starrt auf die Reste, die während ihrer Mischarbeit aus der Schüssel geplumpst sind und nun einen sinnlosen Kreis auf dem Tisch gebildet haben. An ihrem Handgelenk rutscht eine Gurkenscheibe runter und sie kneift ihre Augen zusammen.
- Ja. Mann, wenn Du 1000 mal mit dem gleichen Menschen ins Bett gegangen bist, dann macht es einfach nicht mehr soooo viel Spaß. Und ich hab keine Lust mich an den Deckenventilator zu hängen, nur damit der Kerl das geil findet.
- Demzufolge, sage ich listig, wird man also nie kauzig, je promisker man lebt.
- Typisch, schnaubt sie und lacht dabei.
- Demzufolge liegt es nicht an Deiner Lust, sondern an Deinem Trieb andauernd was Neues haben zu müssen.
- Stimmt. Deswegen gehe ich auf Flohmärkte. Da gibt es keine Männer, aber schönen Tand und der hat immerhin schon mal bewiesen, dass er länger hält. Sie greift nach ihrem Sektglas, schüttet es sich in ihren wunderschönen Hals und schaut mich dabei an. Dann sagt sie
- Fang gar nicht erst an darüber nach zu denken, dass ist mir zu stressig. Ich sage "Ach" und ernte ein "Pssst"
Mai
- Jetzt brauch ich echt mehr Wein. Meine Herren. Sie steht auf, stolpert über ihre irrwitzige Schuhsammlung, kommt dabei leicht vom Kurs ab und streift einen babylonisch hohen Stapel von drei Jahre alten New York Times Ausgaben, die sie alle aus ihrer Zeit in NY gerettet hat, und der nun rauschend in sich zusammenfällt. Zwei Extrakoffer waren nötig gewesen, und vor allem sehr viel Charme beim Einchecken, aber den hat sie ja sowieso, denn keiner kann ihr wiederstehen, wenn sie diese sehr großen braunen Augen aufklappt und mit ihrem spöttischen Katherine Hepburn Lächeln die Distanz verkleinert.
- Ich sollte die Dinger wegwerfen, sagt sie, nachdem sie mit einer neuen Weinflasche in der Hand zurück gekommen ist. Da sie es immer ein wenig eilig hat, trinkt sie schon mal auf dem Weg einen großen Schluck aus der Flasche.
- Solltest Du, rufe ich ihr zu, wirst Du aber nicht, weil Du immer denkst, dass da noch irgendwas drin steht, was Du später mal gebrauchen könntest und dich genau in dem Moment an das genaue Ausgabedatum erinnern wirst. Sie kichert, seufzt, legt sich wieder neben mich und klatscht mir den Tabak auf die Brust.
- Noch eine, bitte.
- Ich denke, du rauchst nicht
- Ich rauche auch nicht. Ich rauche nur mit Dir. Du rauchst sie und ich ziehe dran.
- Arbeitsteilung
- Ja, fein, was? Ich hab die Pakoras gemacht.
- Ich das Kouskous und das Gemüse für deine Pakoras hab ich auch geschnibbelt
- Aufrechner
- Faules Mädchen
- Du hast die Wahl. Drehen oder noch mal.
- Dann noch mal.
Oktober
Ihre Kopf liegt auf den gefalteten Händen auf dem Tisch und sie versucht einen halbtoten Eiswürfel in ihrem Campari beim Sterben zuzusehen.
- Ich hätte bei den Flohmärkten bleiben sollen
- Was? Ich bin nicht sehr überrascht, nur ein wenig traurig. Aber das war ich schon, seit dem ich gespürt hatte, das es weniger wird. Weniger Mails. Weniger SMS. Weniger Wein.
- Ich habs ihm gesagt
- Was? Wieso das denn?
- Mir war danach.
- Pffff Sie setzt sich wieder gerade auf, kramt eine Zigarette raus und fummelt lange mit ihren Streichhölzern rum, bis sie endlich so weit ist.
- Willste nicht wissen, was er gesagt hat?
- Er hat sich wahrscheinlich nicht gefreut
- Er hat geweint, sagt sie paffend, und fügt hinzu, natürlich nicht sofort. Erst einen Tag später. Da hat er geweint. War schlimm
- Und Du?
- Ich auch, aber zum Trost für ihn.
- Warum hast du? Ich meine, es war doch ok.
- Weil Du irgendwann geweint hättest, ganz sicher. Das will ich nicht.
- Du willst das beenden, damit ich nicht weinen muss? Hallo?
- Es ist mir lieber wenn nur einer weint. Wenn das weiter geht, dann weinen wir alle drei am Ende. Also Schluss. Ich bin versucht Dinge wie "Komm, wir machen das jetzt anders. Das passt doch so gut" zu brabbeln, aber ich glaube mir ja selber nicht. Ich war immer auf der anderen Seite, und sie ist nur mal eben rüber geschlüpft.
- Wieder Freunde, fragt sie und hebt das halbvolle Glas
- Wieder Freunde, seufze ich und mache ein leicht angesäuertes Gesicht. Sie füllt unsere Gläser nach. Einmal, zweimal. Nach dem dritten Mal blitzen ihre Augen.
- Wieder Freunde, wenn Du aus der Tür gehst?
- Und vorher?
- Ich bin bald wieder auf Flohmärkten
Ich nehme einen tiefen Atemzug, als ich mich dann dummerweise doch noch mal umgedreht habe und angezogen im Türrahmen stehe. Ich starre auf das Chaos, den wirren, bunten Haufen Schuhe, ihre Kissenlandschaft, die drei längst ausgetrockneten Teetassen mit den Zigarettenstummeln drin, die auf einem statisch bedenklich arrangierten Magazinstapel thronen. Ich rieche sie, das alte Holz, altes Leder, den Staub, den kalten Rauch, die alten Zeitungen.
- Freunde sein ist gar nicht so leicht, denke ich und mache die Tür zu.
"Ach, lass doch. Wenn ich schwanger werde, könnte ich zur Zeit sowieso nicht sagen, von wem es ist"
Ladies & Gentleman - the Beichtblog est arrivée.
In diesem ZusammenhangMöchte mich an dieser Stelle auch für das überraschende Buchpaket beim anonymen Sender bedanken, welches heute in meinem Briefkasten gelandet ist und gleich mir den Nachmittag auf dem Balkon verschönern wird.
Ein Keller, vielleicht 1989 oder 90. Die Begegnung mit dem teuflischen Beat
Das waren hellsichte Nächte voller Dunkelheit, damals. Angefangen hatte es mit einem Anruf. "Hey, heute Abend, da und dort, Abbruchhaus in Köln Ehrenfeld, genau, um die Ecke vom Underground, geile, neue Sache." Angekommen. Ein morscher Keller voller Mäusescheiße, im stickigen Muff von tausend Liter Wasser in Backsteinen, die atmeten. Keine Luft, aber Musik. Hart, schnell, elektronisch. Kraftwerk waren tot, aber die Beats waren lebendig. Es war Techno, dunkel, düster, voller Kraft, einsam pulsierende Beats, knackend, herzbrechend. Ein Tapeziertisch war das DJ Pult, das Bier gab es umsonst im Sommer 89 oder 90. Komische Leute waren da, die im grünblaurotem Licht tanzten, die sich mit ihrem Leben in die Musik schmissen. Claude hatte die Drogen. Kleine Trips, die vielleicht ein Stunde wirken und die so anders waren, als die anderen Trips, die man sich bisher im Selbstversuch und Übereifer eingeworfen hatte. Es wurde noch wärmer, als es eh schon war, aber es wurde auch schön. Wunderschön. Die alten Wände atmeten. Langsam. Puslierend wie der eigene Herzschlag, den man so falsch einschätzte. Aber auch das war egal, denn man war plötzlich eins. Mit sich, der Musik, dem Leben, den Mauern, den Menschen. Alles war fließend, es gab keine Übergänge, keine Brüche, die Hand auf der Brust, in meiner Hose, das war alles völlig klar. Es passierte nicht nach der inneren, nicht nach der erzogenen Logik, sondern nur, weil es passieren mußte. Weil alles voller liebevollem Determinismus war. Und die Musik brach die Klippen ab. Sie war neu, sie nahm keine Rücksicht, sie machte weiter, auch wenn man schon lange das Gefühl hatte, dass man jetzt den ultimativen Höhepunkt erlebt hatte, dass es jetzt nicht mehr weiter gehen konnte, weil Herz, Seele und Unterleib schon längst an ihren Grenzen waren. Und doch fraß sich die Musik weiter, immer weiter, immer tiefer. Schweiß war keiner mehr da, nur noch die Lust nach Konservierung, der Angst und der gleichzeitigen Hoffnung, dass man den Moment das Seins gefangen halten würde, bis in alle Ewigkeit, dass es nicht mehr weiter geht, weil es nicht mehr weiter gehen kann, weil alles, was danach kommt doch eigentlich der Tod sein muß, aber auch der ist egal, denn er ist ja einer von uns.
Das Licht hat uns immer wieder gerettet. Und der McDonalds, in dem wir alle an einem Tisch, aber jeder für sich selbst, die Pappschachteln stumm und langsam immer kleiner reißend, bis man mit dem Konfetti kleine Bilder in dem hart werdenden Ketchup legen konnte, den Moment verdrängend, an dem uns der Schein des Seins wieder einholte.
Aber eigentlich war es schon das erste Licht, das scharfkantige Licht der Morgensonne, dass die Treppenstufen zeichnete, wenn wir aufgedunsen aus dem Keller stolperten, wenn wir mühsam den Kokon durchbrachen, und die Erkenntnis, dass es wieder hell war, uns erschreckte. Die ewige Nacht, die ewige Musik hatte uns ein halbes Leben um Griff gehabt, unsere Seelen und unsere Zungen geführt und das verdammte Licht erinnerte uns an Dinge wie Schlaf und Hunger. Das war eine fremde Welt und es war doch unsere, und wir mußten erkennen, dass alles vorher nur ein süßer, einsamer Traum war. Einer, in dem die Erektion ewig hielt und doch unwichtig war. Einer, in dem alles ging. Wo die trockene Bassdrum uns an die Hand genommen hatte, eine teuflische Hand, die uns immer weiter zog, die nicht aufhören wollte, die uns verschmelzen ließ, die die Leiber zu einander führte, ganz automatisch, weil man sich doch wenigstens aneinander festhalten mußte, wenn die Drogen und die Musik alles vaporisierte, was man bisher als sein Leben meinte zu kennen. Alles löste sich auf, auch die fremde Zunge im Mund wurde zuviel, und sie weg zu stoßen war unwichtig, weil die nächste nicht weit weg war, weil sie ebenso brennend auf die Abwechslung wartete, wie man selber. Alles ging, alles war so egal. Die Musik, die Drogen, das Mädchen auf dem umgedrehten Bierkasten, das den Kopf an die pulsierenden Mauern legte und trotzdem schlief, als ob sie darauf warten würde, dass sie gleich ihre Mutter mit einem Kuss zum Frühstück wecken würde. Dass war der Kosmos. Das da draußen, das war nur der Müll, der aus Erziehung, Schule, Staat und Angst übrig geblieben war. Im dreckigen Keller, da waren wir. Da draußen war alles, was wir hassten.
<a href=www.covermedia.de">Zugabe, weil man mehr braucht