Nachdem Frau Schnatterliese schon eloquent von Köln und ihrem Garderobenschicksal berichtet, muss ich auch. Meins beginnt an einem Winterabend, an dem ich mal nicht in der Kneipe meines Vertrauens gearbeitet habe. Vielmehr war ich in der Kneipe meines Vertrauens, um das Geld durch meinen Hals zu jagen, welches ich einen Abend zuvor sauer verdient habe. Der rüstigen Bardame Marion ist es zu verdanken, dass am Ende noch Geld übrig war. So was geht natürlich nicht. Außerdem machte die Kneipe meines Vertrauens zu, als ich mitnichten den Zustand erreicht hatte, den ich erreicht haben zu wünschte. Es war klar, das etwas passieren musste. Nun ist Köln nicht arm an Lokalitäten, die auch nach drei Uhr morgens noch Alkohol ausschenken, aber keins befand sich derartig in der Nähe wie das (sic!) "Timp" . Das "Timp" liegt direkt neben dem "Stiefelknecht", womit einigen Menschen sicher schon etwas gesagt ist. Uneingeweihten sei gesagt, dass der "Stiefelknecht" und das "Timp" nebst allen anderen Kneipen rund um den Alter Markt in Köln, eine Art Gästesymbiose geschlossen hatte. Wenn man nicht mehr wusste, wo man einen Gast, möglichst ausländischer Herkunft, hinschicken sollte, murmelte man "Timp" und wies in die ungefähre Richtung. Das "Timp" ist und war aber Köln einzig wahre Transvestiebar. Und, ich bitte Schnatterliese, SvenK, Kathleen und EmliyBeat dies zu bezeugen, es die wirklich einzige Transvestiebar in Köln ist, in der Dragqueens in der Unterzahl sind, weil phillipinische/thailändische Transen, Zuhälter aus der Kölner Südstadt, Schwule und völlig betrunkenene und normalen Leben extrem homophobe Menschen, die ich in meiner Eigenschaft als Barkeeper vorher dahin geschickt hatte, weil sie zu wenig Trinkgeld gegeben hatten, etwas sehr eigenartig besonderes darstellt. Jedenfalls war das "Timp" damals die naheliegende Rettung für mich. Ich kam umsonst rein, ich kannte die (?) Barkeeperin, (hatte jedenfalls Titten, aber das heißt ja nichts), was bedeute, das ich allenfalls jeden dritten Drink zahlen musste. Das "Timp" war also cool. Das Problem des "Timp" war allerdings (ich befürchte heute noch) nicht das Reinkommen, sondern das Rauskommen. Das sehr besondere Problem des "Timp" insbesondere am Wochenende ist nämlich, dass es einen schwulen Dragqueen Karaoke Contest gibt. Das bedeutet, dass die Haupteingangstür, der Zugang zur Garderobe und zur Toilette mit einer 1x1 Meter großen Bühne verbarrikadiert wird, auf der Transen, die nicht mal die Produzenten der "Nackte Kanone Teil 1" in den Film gelassen hätten, weil sie beim Casting mit dem Argument "So was macht doch kein Mensch", auftraten. Natürlich macht das Spaß. Da muss man sich gar keine Gedanken machen, denn man ist schon vorher betrunken, wenn die erste Transe auf die 1x1 m² große Bühne tritt. Wenn man nicht vorher betrunken ist, könnte man ein Problem haben, aber von solchen Problemen habe ich in meiner Zeit in Köln nie gehört. Dumm ist allerdings, wenn man während der Performance nach Hause und/oder auf die Toilette muss. Denn die Toilette liegt, wie erwähnt, genau hinter der 1x1m² großen Bühne, die den einzigen Zugang versperrt. Es war nun aber so, dass ich nach 89075 Bier und drei Tequila den Wunsch verspürte, mich zu erleichtern, meine Jacke zu nehmen und nach Hause zu gehen. Die Jacke befand sich aber beim Türsteher, der stand weit hinter der ... urks.... Bühne. Ich versuchte eine zeitlang die verschiedenen David Bowie Impressionen zu beobachten, selbst Freddy Mercury aus Köln-Nippes mit Plastiktitten machte mir nichts aus. Irgendwann war allerdings Schluss. Ich wollte wirklich nach Hause, vielleicht noch einen Burger auf dem Weg, aber auf jeden Fall nach Haus; da konnten die thailändische/phillipinische Transen neben mir noch so perfekte Titten haben und "Fufsich Maak, mitti exe liebe" säuseln. An der Bühne angelangt wurde ich allerdings zurück gewiesen. Nein, das ginge jetzt nicht, das sei unmöglich. Ich machte so was wie "Hmpf" und "Urgh" und meinte "Häh?" Der Mann (?) an der Bühne meinte:
- Jung, do muss warte, jetzt kütt der Hauptäkt
- Hmpf?
- Tilly aus Porz
- HMPF????
- Tilly aus Porz macht Marianne Rosenberg
Das war noch nicht der Moment, in dem ich einen weiteren Tequila freiwillig orderte. [Man beachte meine Gelassenheit bei der Wortkombination "Tilly aus Porz". Danke] Den doppelten Tequila brauchte ich, als sich "Tilly aus Porz, die Marianne Rosenberg macht" auf der (ich betone das gerne noch mal) 1x1m² großen Bühne zwischen Ausgang und Toiletten bereit machte. Tilly war es sicher sehr ernst mit ihrer Performance. Sie hatte die Schritte einstudiert, sie hatte den Lichtmenschen, der drei Lampen zu steuern hatte, instruiert, sie hatte lange geübt, sie hatte den Text auswendig gelernt, die Bewegungen von der Rosenberg, ja sogar das Kleid hätte vom Original stammen können. Nur leider hatte Tilly aus Porz niemals eine Tanzschule von innen gesehen, soviel Talent zum singen wie die meisten Menschen für anorganische Chemie und vor allen vergessen sich seit fünf Tagen zu rasieren. Ich war, bei allem Respekt für Menschen, die diese Neigung haben, kurz davor, mir vor Lachen ein paar Tröpfchen ins Höschen zu machen. Aber das Problem war ja, dass die Gefahr nicht allein aus dem Lachen bestand. Ich wollte da raus, vorbei, aufs Klo, nach Hause, zu McDonalds, in einer beliebigen Reihenfolge. Zudem war ich wirklich ernsthaft betrunken. Also dachte ich
- Don, machet einfach. Geh vorbei. Geh raus. Nach Hause. Tilly aus Porz mag sauer sein, aber das ist jetzt ein ganz kleines bisschen egal, angesichts der vollen Blase, die du hast.
Ich enterte also ebenso mutig wie betrunken die Bühne und Tilly aus Porz erweis sich im selben Moment als perfekte Entertainerin. Sie freute sich ob meiner rasenden Begeisterung, nahm mich in der Arm und drückte mir das Mikro in den Mund. Ich kann aber nicht singen. Wenn ich singe, dann verlassen Kakerlaken freiwillig ihren Garten Eden, dann fallen Engel vom Himmel und die normale Menschen denken über eine Spende an Miseor nach. Tilly aus Porz war unerbittlich. Sie hielt mich in einer Art Schraubenzangengriff in ihrem Arm und leider auch das Mikro vor den Mund. Ich krächzte, ich litt und Tilly fand es toll, toll, toll, das sie endlich einen Fan hatte, der die Bühne gestürmt hatte.
Und dabei wollte ich nur nach Hause. Ins Bett. Und das dauerte noch Stunden, weil nach dem Auftritt der Fanclub von Tilly mich mit weiteren Bieren abfüllte. Letztlich rettet mich oben erwähnte Marion aus meinem Laden morgens um halb sechs, als sie sturzbetrunken im Timp einlief und trotzdem als erfahrene Barfrau die Lage abschätzend mich abknutschte und sagte: Jeh nach Hause, Jung. Als hätte ich das nicht gewollt.
Der Wind ist warm auf meiner Haut, und das ist schön. Ich rolle mit dem Fahrrad die einzige Straße Berlins herunter, die der Stadt das Flair einer Metropole gibt. Unter den Linden. Wundervoll vom Dom ab, rechts Uni, links Oper, dann Geschäfte, der lächerliche Bentley Store, die Botschaft Russlands, die von außen ein bißchen so aussieht, als ob Citizen Kane noch drin wohnen würde, die mit Betonblöcken, Maschinenpistolen und Absperrband verammelten Botschaften von USA und GB, das Adlon, dann das Brandenburger Tor, durch das ich immer gerne fahre. Den architektonischen Brechdurchfall Potsdamer Platz umfahr ich lieber. Dann der harte Schnitt. Plötzlich bin ich umgeben von Lederfetischschwulenlesben, von Lederuniformen, Lederwesten, Lederstrings und ledernen Genitalienaufbewahrungsbehältnissen, von Piercings, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat, getragen von Männern, die gerade herzhaft in eine Thüringer Bratwurst beißen. Sehr fein. Nicht meine Liga, und der abgetrennte Bereich des Strassenfestes gibt dem ganzen leider den Eindruck eines Zoos. Aber ich mag so Treffen, wo Menschen rumlaufen, die wie selbstverständlich ein paar Millimeter neben der Spur laufen und sich wie kleine Kinder freuen, wenn es andere auch machen. Mich augenblicklich in die sehr attraktive Dame am Stand von SMart verliebt und mich ungefähr drei Sekunden später wieder entliebt, als sie ihren Freund knutschte und ich deutlich sehen konnte, dass ich nicht in ihrer Liga spiele. Immer diese Grenzen. Ein bißchen leid tun mir die drei alten Damen mit dem Fahrrad, die sich so weit es eben geht an die Häuserwanden randrücken, die Gesichter erschrocken, aber irgendwie auch interessiert. Sie bleiben dann tatsächlich an dem Stand mit den Ledermasken stehen, schauen in die Auslage und werden sofort allerfreundlichst gefragt ob man helfen könne.
Auf dem Rückweg einmal quer durch den Tiergarten, wo türkische Grossfamilien auf drei Quadratmeter grossen Grillen Fleischberge zubereiten. Der ganze Park riecht wie ein Imbiss kurz vor der Explosion, aber das macht nix, denn die Sonne scheint und Barbara Morgenstern säuselt mir ins Ohr:
leg deinen kopf auf mich sing mir das lied über dich das was uns hierher gebracht liegt weiterhin in der nacht und stellt die fragen an sich ich tu als kümmert mich das nicht und dann, und dann leg ich den kopf auf dich summ dir das lied über mich träum bis tief in die nacht vom horizont und der macht du schützt die dinge und weißt irgendwann schließt sich der kreis nur wann, nur wann?
Gestern der Geburtstag von dem selben Menschen, der neulich schon mit seinem russischen Wodka für ein erhebliches Maß an Freude gesorgt hat. Diesmal gab es zum Wodka keine sauren Gurken, dafür aber Rollmöpse. Angeblich auch eine russische Trinksitte, aber so langsam nehmen die russischen Trinksitten exorbitante Formen an, so dass ich geneigt bin, ihm nicht mehr so recht zu glauben. Schlimm auch, das alle anwesenden auf die Frage, wann sie das letzte Mal drei Monate ohne Alkohol waren, antworten mussten: Mit 18. Leichte Gewissensbisse deswegen. Später ein warmer, süßer Geruch in der Nase. Machte mich fast wahnsinnig, bis die Quelle gefunden hatte. Meine Nase riecht immer so komische Sachen; mitten aus dem größten Wirrwarr raus, sagt sie plötzlich: Oh, was ist denn das, und das kann sie, obwohl ich sie seit knapp 20 Jahren mit Rauch betäube. Quelle war eine Dame, die offenbar kurz vorher einen bedauernswerten und sehr, sehr schlimmen Unfall in einer Douglas Parfümerie hatte, bei der eine Literflasche "Poison" wohl die tragische Hauptrolle gespielt hat.
Jetzt aber die sehr schwierige Frage: soll ich mich jetzt noch auf mein Rad schwingen um entweder da hin</a,>, oder lieber da hin fahren? Ach, ich mach beides. Mist, Digicam kaputt, das gäb eine hübsche Mischung an Bildern.
Edit: Auf jeden Fall bei der Folsom Seite mal in die Rubrik "Über uns" schauen. Ich frage mich bei sowas immer: Warum? Warum müssen die einfach jedes Klischee erfüllen, dass man sich auch nur im entferntesten vorstellen kann? Das ist eine nette Gesellschaft, die ein nettes Anliegen hat, das durchaus umsetzbar sein sollte, (siehe unter "Förderprojekte") und dann kommen die einem so, als hätte ein leicht homphober Südtexaner auf Speed für einen drittklassigen Film Udo Kier ausstaffiert. Aber auch: Schweizer schaffen es einfach nicht , so böse zu schauen, wie alle anderen.
Hallo Konfuzius. Du sagst mir gerade per Mail: Zu wissen, was man weiß, und zu wissen, was man tut, das ist Wissen. Also, wenn ich immer gewußt hätte, was ich tue, dann wäre ich niemals in der Lage zu schreiben. Schreiben bedeutet ja, dass man etwas tut, von dem man nicht weiß, wie es endet. Schon gar nicht bei einem selber. Man schreibt ja so aus sich selber raus, und wenn Du da sagst, dass man weiß, was man tut, aber dann macht das Schreiben ja keinen Sinn mehr, weil ja gerade das nicht wissen das ist, was dem Schreiben den besonderen Kick gibt. Nicht planen, nicht wissen ist großartig, denn es läßt einem alles offen. Man kann den ganzen Determinismus umgehen, der ja fürs Schreiben eh der letzte Dreck ist. Zu Wissen, was man tut, ist auch in der heutigen Dating Gesellschaft sehr schlecht. Wenn ich jedesmal, bevor ich eine Frau angesprochen habe, gewußt hätte, was ich tue, wäre mir eine Menge Ärger (eine exorbitant große Menge Ärger) erspart geblieben, aber auf der anderen Seite auch eine Fülle von gedanklichen Universen, die mich ja auch erst zu dem gemacht habe, was ich bin, weil ich sie inhaliert habe. So sehr ich leide, so sehr lerne ich auch. Immer nur wissen, vor allem vorher, macht einem zu einem Hamburg-Mannheimer Kunden. Und ich hab noch nicht mal eine Lebensversicherung, aber vielleicht auch genau aus dem Grund.
J. war immer so ein Hansguckindieluft. Er träumte gerne, er ließ sich gerne treiben, weil er lieber zusah und in seinem unendlich langsamen Denken zerging. J. war nicht blöd, kein Idiot. Er wollte nur das feinstoffliche fassen. Wo andere schnell drüber schauten, wo andere sich an Oberflächlichkeiten aufrieben, da wollte er immer wissen "Warum? Warum, denkt jemand, wie er denkt? Warum handelt er aus seinem Denke so, und nicht anders? Warum schaut er nicht? Was sucht der andere?" Gespräche mit ihm zu führen war immer etwas anstrengend. Er wollte immer in die Tiefe, er wollte immer mehr sehen, er wollte erkennen. Aber er wollte nicht nur die Sonnenseiten sehen. Ihm war früh klar, dass die Sonnenseiten nur die Projektion eines Menschen sind, etwas, was er in jahrelanger Kleinstarbeit aufgebaut hatte, damit die anderen ihn mochten. J. wollte die andere Seite des Herzens sehen. Er wollte die Abgründe erforschen, er wollte sehen, welche Geheimnisse die anderen in sich tragen. Er sagte immer: "Wenn du die andere Seite siehst, dann kannst du erst lieben, denn erst, wenn man gemeinsam die Abgründe beschritten hat, dann kann Vertrauen erwachsen." Was man halt so sagt mit Anfang oder Mitte zwanzig.
Wie gesagt: Kommunikation mit ihm war eher schwierig. Er lebte irgendwo in sich selbst, und auf der Suche nach dem Verständnis, was Menschen antreibt, ging er auch immer wieder in sich selber rein. Zum Vergleich, um zu sehen, ob er das, was er beim anderen gesehen hat, auch bei sich wiederfinden würde. Mal konnte man mit ihm wundervolle Abende haben. Leichte, beschwingte Abende, voller Witz und Humor, mal versank er in dunklen Wolken. Wenn man Probleme hatte, dann konnte man zu ihm kommen. Er wollte nie wissen, was das Problem ist, er wollte immer nur wissen, was der andere gerade empfand, was ihn bewegte und seine Analysen waren immer erstaunlich gut. Man wollte ihn vielleicht als Freund, aber man kam nie so richtig an ihn ran. Vielleicht, weil er Angst davor hatte, vielleicht weil er es einfach nicht bemerkte, wo er doch immer auf der Suche war.
Von außen betrachtet war er stark. Immer kräftig, groß, aber mit weichen Gesichtszügen, die erst dann zu seinem Äußeren passten, als er etwas zunahm. Aber so stark er wirkte, sein innerer Schutz war fein wie Seide. Eigentlich nicht existent. Er hatte versucht, seine eigenen Mauern abzureißen, aber dummerweise machte ihn das orientierungslos. Jede Niederlage, jedes böse Wort ließ ihn zusammenklappen. Mit der Zeit legte er sich eine Vermeidungsstrategie zu Recht. Je mehr er in andere Menschen eindrang, je mehr er sich versuchte wie eine Schlange in die letzten Winkel zu bohren, desto weniger musste er von sich selbst preisgeben. Nicht das deswegen seine Verletzungen weniger wurden, aber zumindest nach außen hin klappte er nicht mehr zusammen, und die meisten fielen auf sein Schauspiel rein. Sogar er selber.
Das mit den Frauen wurde immer schwerer für ihn. Er suchte Liebe und fand sie immer seltener. Den meisten war er zu schwer, zu nachdenklich, zu fordernd in seinem Willen, alles zu erforschen. Vielen war er zu verschlossen. "Wie ein langsames, freundliches Verhör" sei ihr die Zeit mit ihm vorgekommen, sagte mal eine seine Ex-Freundinnen. "Ich hab da gesessen, geredet, er hat zugehört, mir tolle Dinge gesagt, aber dann ist er aus dem Raum und war weg, bevor man selber auch nur eine Frage stellen konnte."
Ich hab ihn immer ein wenig bewundert für seine Lebensweise. Er hat sich nicht beirren lassen, auch nicht, als er vor lauter Nachdenken und Erfassen wollen auf der Strasse, stand, weil er nicht gearbeitet hatte und die Miete nicht zahlen konnte. Sein Schreibtisch bestand oft nur aus unbezahlten Rechnungen. Kümmerte ihn nicht. Er nahm die Rechnungen, legte sie zur Seite und vergaß sie im gleichen Moment. Das brachte ihn mehrfach in massive Schwierigkeiten, aber er wand sich am Schluss doch immer wieder raus. Wenn der Gerichtsvollzieher vor ihm stand, zauberte er ein wenig Geld her, arbeitete mal ein paar Wochen in einer Kneipe, und bezahlte alles. Nur um alles wieder von vorne anzufangen. "Du brauchst ne reiche Frau, die es geil macht, wenn Du rumsitzt, nachdenkst und ihr Fragen stellst" hab ich ihm gesagt und weil ich die Idee so gut fand, hab ich in der Kölner "Prinz" für ihn eine Kontaktanzeige geschaltet: "Gutaussehender Philosoph sucht reiche Frau, die es anmacht, wenn sie ihm beim Denken zu sehen kann." Es kamen tatsächlich drei Antworten, alle von Frauen mit Kuscheltieren in den Regalen und ganz offensichtlich nicht reich.
Mit der Zeit wurde er etwas kauzig. Er zog sich weiter zurück, auch wegen einer dummen Geschichte mit einer Frau, die ihn sehr verletzt hatte. Was genau passiert, wusste keiner, außer, dass er tagelang mit weit aufgerissenen Augen durch die Gegend lief, so als ob er in einem permanenten Schockzustand hängen würde. Es dauerte bis er sich fing, und danach war er plötzlich etwas härter. Vor allem zu sich. Er arbeitete plötzlich viel, er machte Sport. Er redete noch weniger. Ich verlor den Kontakt.
Kurz bevor ich nach Hamburg ging, rief ich ihn noch einmal an, weil ich mich verabschieden wollte. Wir trafen uns in einer Kneipe, setzten uns wie üblich an einen Tisch in einer ruhigen Ecke und nach drei, vier Kölsch redeten wir. Das heißt, er redete. Er sprach von emotionaler Perfektion, und von emotionaler Gradlinigkeit, dass man wohl den perfekten Moment in seinem Herzen konservieren kann, dass er immer und in allen weiteren Momenten existieren würde. Nach etwas anderem dürfe man gar nicht suchen. Man sollte mit einer Frau nicht über all die Vorstellungen die man hat reden müssen. Das sei nur eine Bremse, ein gerade biegen der Projektionsfläche, die der andere darbieten würde. Man müsse sich in den Blicken finden, jede Berührung mehr als alle Worte sagen, der Sex sei am Ende die Fortführung der Kommunikation mit anderen Mitteln. Sich über die Sprache erheben, dort existieren. Und wenn man dort sei, dann würden auch die alten Narben weg sein, weil sie unwichtig geworden sind. Sagte er. Er wollte das reine Gefühl spüren. In jedem Moment sollte es da sein, die Seelen sollten ineinander Wurzeln schlagen.
So sehr mich seine Worte faszinierten, so sehr machten sie mich auch skeptisch. Zu schön, als dass es wahr werden könnte. Aber vergessen hab ich sie nicht. Dann kam Hamburg, und viel Arbeit und als ich mal wieder anrufen wollte, gehörte die Nummer schon jemand anderem Umgezogen ist er wohl,das bekam ich raus, wohin wußte keiner. Ich hab das dumme Gefühl, das er immer noch hadert, wartet, aber auch das Wissen, dass, egal welche Nackenschläge er noch einstecken musste, er weiterhin daran glaubt.