Schon wieder schlimmer Männerschnupfen. Kopf fühlt sich an wie ein Marshmellow kurz vor der Explosion. Gefühl im Hals, als wäre dort eine Legion Römer mit sehr ausgelatschten Sandalen die ganze Nacht durch gelaufen. Körper wie die ganze Nacht mit einer Dachlatte unfreundlich durch geprügelt. Das finde ich ganz schön gemein. Ich meine, das Jahr hat gerade erst angefangen, hier wollen Texte erdacht und geschrieben werden, was mit einem Kopf voller Marshmellows nur so mittel geht. Kurz überlegt, mir dieses Wick Medidingens oder anderes Zeug mit ordentlich Bums drin zu kaufen, aber wieder verworfen, da schlechte Erfahrung mit sowas.

Ich war damals 12 oder so, jedenfalls noch in die Schule und ich war erkältet. Kein Grund nicht in die Schule zu gehen, meinte meine Mutter, wofür gibt es denn diese tollen Säfte, die einen rubeldibums wieder gesund und glücklich machen. Außerdem - die halbe Familie besteht aus Ärzten, dementsprechend hat man eine gut gefüllte Hausapotheke, die sich über die Jahre krakenartig in einem alten Kleiderschrank im Keller ausgebreitet hat und ihn mittlerweile fast völlig ausfüllte. Für jedes Zimperlein gab es da etwas, auch sehr viele Pröbchen und Sachen, die in Krankenhäusern in Panzerschränken verschlossen werden, zu denen nur der Chefarzt einen Schlüssel hat.

Wenn in der Familie jemand krank wurde, dann ging meine Mutter in den Keller, kramte, suchte und fand meist irgendwas, von dem sie meinte, dass es schon passen würde. Auf wundersame Weise wurde nie jemand ernstlich vergiftet. Meine Mutter meint, dass man ihr das zu verdanken habe, ich bin mir allerdings in dem Punkt nicht so sicher, sondern denke, dass wir a) eine sehr gute Leber haben, die so was tadel- und klaglos abbaut und b) einfach unverschämtes Glück hatten.

Als ich mich mit meinem ersten schlimmen Männerschnupfen kämpfte (Initiationsmännerschnupfen kurz vor der Pubertät) und mich besonders Halsschmerzen plagten, die mich auf jeden Fall und ganz besonders von dieser Englischarbeit abhalten sollten, ging meine Mutter also wieder in den Keller und kam mit einer sehr staubigen, sehr alten, sehr braunen Flasche wieder. Das Papieretikett der Flasche war trocken und rissig, die Farben so weit verblasst, dass man den Herstellernamen kaum noch lesen konnte. Eine Dosierungsanleitung gab schon lange nicht mehr, die aber in unserem Haus sowieso nie genutzt wurden, weil man der Überzeugung war, dass die Anleitungen eh nur für Übervorsichtige seien, und man einfach nach Gefühl die Menge einnehmen sollte, die man für richtig hielt.

Folgerichtig schaute mich meine Mutter sehr scharf an und frug: "Tut es denn sehr weh?", was ich, in Anbetracht der Englischarbeit, heftig benickte. Sie nickte zurück und meinte dann: "Na, dann kommwa mit dem Löffel wohl nicht aus, ich hol mal ein Glas." Der sehr zähflüssige, leicht ungesund grünlich aussehende Husensaft floss erst in rauen Mengen in ein Wasserglas, Sekunden später in meinen Hals. Dann schickte mich meine Mutter zur Schule.

Schon im Bus bemerkte ich eine leichte Müdigkeit, die aber mit einer angenehmen, aber nicht überwältigenden Euphorie einherging. Dolles Gefühl. Ich lächelte ob dieses Gefühl sehr selig in mich hinein und stieg eine Station zu spät aus dem Bus. Aber das war ja nicht schlimm. Geht man eben ein Stückchen zurück, dauert ja nicht lang. Eine dreiviertel Stunde später war ich dann endlich auch mal in der Schule angekommen und nahm zur zweiten Stunden lächelnd meinen Platz ein. War der Spaziergang noch sehr schön gewesen, weil es so viele tolle Sachen zu sehen gab, zum Beispiel den Busfahrplan, der so viele Zahlen hatte die einen ganz wuschig machten, war die Schulklasse nicht so schön. Vor allem anstrengend diese Tafel da vorne. Außerdem wurde ich jetzt wieder sehr, sehr müde.

Nun ist es für einen Lehrer wahrscheinlich nichts ungewöhnliches, wenn ein paar Schüler in der Stunde mal einschlafen. Wenn die nett sind, dann lassen sie einen schlafen, solange man nicht schnarcht. Mein Lehrer, ich glaube es war der Deutschlehrer, war sehr nett, aber als ich nicht aufhörte zu reden und leise zu kichern und als ich nach dreimaliger Aufforderung damit nicht aufhörte, wollte er mich dann doch mal wecken. Was wohl nicht so leicht war, denn als ich wach wurde, stand er vor erschrocken vor mir und die Klasse starrte mich an. Ich starrte glasig zurück und wurde ins Sekretariat geführt, wo man meine Mutter darüber verständigte, dass ich abzuholen sei. Ich schlief derweil selig auf der Couch.

Zu Hause wurde mein Großvater gerufen, Allgemeinarzt, der mich untersuchte, aber nix besonderes fand. Erst als meine Mutter ihm die Flasche Hustensaft zeigte und ihn über die Menge informierte, welche sie mir eingeflößt hatte, schaute er erstaunt, dann nickte er bedächtig und meinte, das sollte für einen gesunden Schlaf bis zum nächsten Morgen reichen. Der Hustensaft stammte noch aus der guten alten Zeit, als man in alle Medikamente Beruhigungsmittel in so großen, fröhlichen Dosen reinmengte, das aus einem Kind ein schlafwandelnder, sabbernder Zombie wurde. Meine Mutter war sehr betroffen und kaufte neuen Saft.

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Normalerweise ist das ja so: So spätestens ab 15.12 verfalle ich in eine lähmende Jahresendlethargie, die mich zu einem auf dem Bett liegenden, Talkshow schauenden, Dominosteine essenden, fett werdenden, nicht nachdenkenden Faulpelz macht. Das war schon immer so, warum sollte es jemals anders sein? Weil sich zum Beispiel verschiedene Institutionen dazu aufgerufen sahen, dies mal für mich zu ändern. Neben verschiedenen, wenig lustigen Briefwechseln mit Rentenanstalten (Die so: "Sie haben immer noch nicht geschrieben, was sie 1985 gemacht haben". Ich so: "Da war ich in der Schule und hab versucht die kleine Süße aus Syrien rum zu bekommen." Die so: "Welche Schule?" Ich so: "Na die halt." Die so: "Beweisen Sie das!" Ich so: "Wie denn?" Die so: Wenden Sie sich ans das damals für sie zuständige Schulamt" Ich so: "Och nööö") hat sich dieses Jahr zusätzlich meine Krankenversicherung dazu entschlossen, mich auf Trab zu bringen, in dem sie mir einfach mal so gekündigt hat.

Angeblich, weil ich wegen einer Sache schon mal vor Jahren in Behandlung war, was ich nicht gesagt habe, aber nun wieder behandeln lasse, weswegen sie nun kündigen wollen und gleich auch alle gezahlten Beiträge für dieses Jahr einbehalten. Das ist natürlich Quatsch, das sagt selbst mein zuständiger Versicherungsfritze, aber, es sei nun leider so, dass die computergesteuerte Riesenmaschine (hihi) angelaufen sei, und nun müsse ich aktiv werden. In dem ich a) alle Arztberichte der letzten Jahre zusammen suche und b)nachweise, dass das, weswegen ich in diesem Jahr behandelt wurde, nicht das ist, weswegen ich schon mal vor ein paar Jahren behandelt wurde und mein Hausarzt mir genau das schreibt.

Das ist alles unschön, wie Versicherungen überhaupt schon sehr unschön sind. Neben hinterlistigen lustigen Fragebögen, in den auf 20 Seiten Fragen wie "Sind Sie jemals nicht wegen Hassunichgesehen niemals untersucht worden, oder haben Sie auf die Untersuchung verzichtet? Ja/Nein?" sucht man offenbar jede auch nur sich bietende Möglichkeit aus Verträgen raus zukommen und die gezahlten Beiträge des Jahres (Solidargemeinschaft!) einzubehalten. Was ich sowieso merkwürdig finde. Wenn sie einen rauswerfen, dann können sie das ja gerne machen, aber die Beiträge einbehalten? Seit wann ist das Risiko eine Versicherung abzuschließen auf der Seite desjenigen, der sich versichert? Natürlich gibt es dafür eine Klausel. Mein Versicherungsfritze ist aber guter Dinge, dass dies ein "automatisch wegen der Computer zustande gekommener Fehler" sei, der leicht auszuräumen ist. Derweil bin ich einfach mal nur vielleicht versichert, denn wenn die Versicherung ihren Fehler einräumt, dann bin ich versichert, wenn nicht, dann nicht, kann aber auch für den Moment keine neue abschließen, da das Verfahren ja nicht abgeschlossen ist.

Nun überlege ich, wie ich mein persönliches Risiko abmildern kann. Ich werde also am besten zu Hause bleiben, alle Briefe und Unterlagen, die zur Post müssten per Fahrradkurier dort hin bringen lassen, dass Fahrrad stehen lassen, zum Arzt nur gehen, in dem ich mit dem Taxi fahre (Insassenunfallversicherung des Fahrers überprüfen!) und keine elektrischen Geräte mehr anfassen. Die Matratze lege ich auf den Boden, damit ich nicht aus dem Bett falle, ich esse nur noch vorgeschnittenes Brot, bade nur noch mit Schwimmflügeln und gehe die Treppe runter, in dem ich mich mit beiden Händen am Geländer festhalte. Alles Dinge, die man vor Weihnachten unbedingt noch braucht.

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Nach Hause kommen, Rechner anwerfen. Nichts passiert. Rechner scharf anschauen. Nichts passiert. Rechner... [insert hier: verzweifelter Dialog, leichte Schläge, Anrufung verschiedener Gottheiten[/insert hier]... zum Elektrofachmann schleppend.

Elektrofachmann (EF): Das ist aber staubig Ich: Ja, aber er geht nicht mehr an. EF: Na dann... fummel, wühl, hält irgendwas elektrisches an was anderes elektrisches... Nö. Ich: Wie? Nö? EF: Netzteil hinüber und ich würde sagen... Kauderwelsch Ich: Also Prozessor gleich mit? EF: Jau, sieht so aus. Überspannung beim Einschalten...blabla Ich: Ach EF: Ja. Ich: Ach, ach, ach. Und meine Daten? EF: Also Festplatte geht bestimmt noch, musste nur in den neuen Rechner einbauen. Ich: Na dann.

Zwei Stunden und eine Kreditkartenrechnung, die ich lieber nicht sehen will, später:

Ich: *#%& Festplatte (FP): Isch kenn disch nisch Ich: Hrrrrgghhh FP: Isch kenn hier ja gar nischt, hier komm isch nisch wesch Ich: Gib mir bitte, bitte, bitte meine Daten FP: Ma sehen Ich: Schnell den Ordner "Eigene Dateien" sichernd in dem ich aus Faulheit immer alles reinlege Uff, uff, uff FP: macht Geräusche wie ein Sack Schrauben, den man einen Abhang runterrollen lässt tilt Ich: Aber....meine Bookmarks....

Nicht mein Monat.

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Kaum öffnen sich die Türen der U-Bahn, stürmt er hinein und drängt die Leute, die aussteigen wollen, zur Seite. Schwarze Fleckenlederblouson, schwarzer, an den Ecken abgewetzter Lederimitatkoffer, graue Sparkassenhose, grauweiße Slipper, weiße Socken, Oberlippenbart. Zufrieden läßt er sich auf den einzigen freien Sitz fallen und beißt wie ein Tier in seine klebrige Kamps-Brotpampe. Er grinst zufrieden. Wahrscheinlich sein einziger Sieg heute.

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Manche Leute sind so dumm, so unfassbar, gnadenlos, hirnrissig dumm. Die sind als Kinder zu heiß gewaschen worden und dann ist der Kopf geschrumpft. Das sind Taschentuchkinder. Sie müssten den ganzen Tag schreien, wenn Dummheit weh tun würde und man würde es ihnen gönnen, ja, man wäre richtiggehend froh, wenn sie nichts anderes täten als schreien, weil man dann vorher schon genau wüßte, um wen mal lieber mal einen großen Bogen macht. Die haben den Kopf mit Ballonseide ausgestopft und gehören zu dem ganz großen Plan, der vor 5 Milliarden Jahren gestartet wurde, nur um mich gerade jetzt wahnsinnig zu machen. Die sollte man zwangsweise unter Dormicum stellen. In die Schlagerbranche stecken. Nach China schicken und dort auf Marktplätzen ausstellen. Aber auf gar keinen Fall sollten Sie in Callcentern der Firma * arbeiten.

*Name der Redaktion bekannt

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