Es ist ja wirklich unglaublich, wie schnell sich doch alles verändert. Wenn man sich einfach nur mal vier Wochen ausklinkt, keine Blogs liest, was anderes macht, andere Dinge sieht, ißt, fühlt und tut, dann ist er plötzlich da, der Abstand. Und dann kommt man wieder und hat das Gefühl, das sich zwischen dem, was man mal vorher gemacht hat und dem wie man sich jetzt fühlt, eine Schlucht liegt, die mindestens so breit ist, wie der Grand Canyon. Und man hat keine Lust, die Schlucht wieder zu schütten. Am liebsten würde man alles, was vorher war, einfach auf der anderen Seite liegen lassen und mit einem Schulternzucken in eine neue Richtung gehen. Das geht natürlich nicht. Ein paar Sachen wollen schon mühsam rüber geholt werden. Meist weil man sie braucht um Geld zu verdienen.
Interessant ist der Abstand aber, was Blogs angeht. Ich habe tatsächlich vier Wochen nix gelesen. Nur einmal bei Felix reingeschaut und gestaunt, wieviel er geschrieben hat. Während ich irgendwo in Utah dei Tage lang sehr schöne Steine angeschaut habe, waren ihm offenbar (ich meine das nicht böse oder negativ) einige Sachen so wichtig, dass er sie in sein Blog geschrieben hat. Mir war in der Zeit wichtig, welche Steine... naja. Ein Blick in meinen RSS Reader (siehe zwei Einträge weiter unten) offenbarte das Elend das mich bei der Rückkehr erwartete. Dabei war das nur die Zahl Einträge der Blogs, die ich täglich lese. Dazu kamen noch mal ungefähr gleich viele Einträge von Flickr Seiten und anderen Blogs. Das ist also die Menge, die ich jeden Monat konsumiere, dachte ich nach meiner Rückkehr. Ich lese, bzw. überfliege also rund 5000 Blogeinträge, werfe einen Blick auf ein paar tausend Flickr Bilder und scanne vielleicht 6000 News. Dazu schreibe ich in diversen Blogs mind. einen Eintrag pro Tag und kommentiere sicher auch irgendwo. Das ist eindeutig zu viel. Ich werde das kommentieren einschränken.
Nein, ernsthaft, es ist schon erstaunlich, was man alles so konsumiert. Dazu kommt ja häufig abends noch Fernsehen und/oder Radio. Ein ziemlicher Overkill, den ich in den USA nicht vermisst habe. Abends mal ne Stunde TV mit Nachrichten und einer Late Show, oder mal die ein oder andere Serie reichten völlig aus. Und dann kommt man wieder, und es erreichen einen gerade noch die Auswirkungen dieser Edelmann Nummer, die ich auch nach dem ich etliches gelesen habe, immer noch nicht so ganz verstehe. PR Firmen setzen darauf, Listen zu erarbeiten die sie Kunden oder potentiellen Kunden zeigen können. Diese Listen sollen belegen, dass mit minimalem Aufwand, maximale Reichweiten erlangen können. Nichts anderes ist die Edelmann Liste. Eine Liste für eigene Zwecke und das Geschrei der deutschen Blogszene und der daraus resultierenden Technorati Verlinkungen bringt Edelmann nur eine weitere Seite in der Powerpoint Präsentation für angehende Kunden, in der dann steht, wie toll man die Blogszene in Deutschland angekommen ist. Letztendlich ist die Liste nix anderes, wie die "Top Ten" irgendeines beliebigen Counters. Austauschbar, vernachlässigbar und ohne qualitative Aussage über die Inhalte oder die Menge an Multiplikatoren unter den Lesern. Die Liste, so nett die Intention auch gewesen sein mag, belegt auch die Verzweiflung der PR Strategen, was Blogs angeht. Man versucht verzweifelt etwas greifbar zu machen, eine Form für etwas zu finden, was sich ständig neu erfindet. Das kommt mir vor, als würde ein Biologe versuchen eine im Zeitraffer ablaufende Evolution zu klassifizieren. Kaum ist es aufgeschrieben, ist es schon wieder veraltet.
Und diese Edelmann Nummer belegt dann auch das Gefühl, dass ich hatte, als ich in den USA war: es ist unglaublich, wie laut und oft in Deutschland geschrieen wird. Quasi jeder brüllt einen an. Um Aufmerksamkeit zu haben. Offenbar. Denke ich mir. Vielleicht liegt das Gebrüll daran, dass man hier zu eng aufeinander hockt. Vielleicht ist das so, wie im Tierreich mit der Hektik. Je enger Tiere zusammen leben (Ameisen, Nacktmulle) desto hektischer rennen sie rum und versuchen irgendwelche Sachen zu machen, von denen niemand weiß, warum sie sie eigentlich machen. Tiere, die eher für sich alleine leben (Koalas, Wale) scheinen diese Hektik nicht zu kennen. Warum auch, sie müssen sich nicht dauernd neu erfinden. Und vielleicht ist das auch so in Deutschland, bzw. Europa. Weil hier alle so eng aufeinander hocken, schreien alle laut durcheinander. Wie in einem Sandkasten. Wenn in den USA, aber vermutlich auch in Russland, Argentinien oder sonst wo, wo die Leute nicht so eng zusammen leben, durch die Gegend fährt, verlieren sich die Stimmen und auch das Interesse für Leute die sehr schreien. Stattdessen sagt man zu seiner Begeleitung: "Oh, schau mal, ein schöner Stein, den fotografier ich."
Wie dem auch sei: mein Urlaub war lang, erholsam, schön und hätte gerne noch ein paar Wochen weiter gehen können. Und deswegen will ich mich jetzt mal bedanken: beim wunderschönen Mädchen wegen allem, beim Wortschnittchen fürs Pflegen der Katze Karla und bei der wundervollen Dreasan für die Blogvertretung und die schönen Geschichten. Ich hab ihr gerade per Mail vorgeschlagen, dass sie das ruhig ab und zu hier wiederholen kann. Dann muss ich nicht mehr so viel schreiben und kann schöne Steine fotografieren.
So.
Hab ich irgendwas sehr wichtiges verpaßt? Kann ich eine Zusammenfassung bekommen? Gibt es neuen Blogklatsch? (Wer schläft mit wem usw.)?
Werde ich nie verstehen, diesen Selbstdarstellungs Journalismus. Diese mit roten Wangen gestellten Fragen. Und überhaupt Fragen, auf die man noch keine Antwort bekommen hat. Das ist wirklich eine schlimme Krankheit mancher Journalisten, die aber meist daher rührt, dass sie selten zu einem Interview gehen, sondern vom Vorgesetzten geschickt werden. Natürlich mit der Anweisung, diese oder jene besonders infame/unverschämte Frage zu stellen, damit man einen guten Aufhänger hat. Weil sich die Journalisten das nicht trauen, stellen sie erst so ein paar unverfängliche Fragen, quasi um das Tier vor ihnen ruhig zu stellen, um dann überraschend mit der investigativen Hammerfrage zu kommen. Und wundern sich dann, wenn der Gesprächspartner keine Lust hat zu antworten. Da wird eine Pressekonferenz, wo man nur eine Chance auf eine Frage hat, mit einem Interview verwechselt. Und gleichzeitig kommt so eine eklige von "Unten-nach-oben-fragen" Attitüde, so eine RTL mäßige an die Zielgruppe Anbiederung, es den "Großen" jetzt mal so richtig zu geben. Aber die Entlarvung der "Bösen" oder die Entzauberung der Macht oder des Images gelingt nur, wenn man auf dem gleichen Niveau arbeitet, und nicht wenn man sich in die Rolle der fragenden grauen Haselmaus begibt, der mal zufällig ein Interview gewährt wurde.
Ich hab Interviews immer als Gelegenheit zu einem Gespräch gesehen. Natürlich hätte man gerne die ein oder andere Frage beantwortet. Manchmal kommt man im Verlaufe eines Interviews dazu, manchmal eben nicht. Das ist oft nicht schlimm, denn in einem netten Gespräch bekommt man meist Antworten, mit denen man so auch nicht gerechnet hat und die meist sogar spannender sind, als das, was man eigentlich wissen wollte. Es ist eben ein Gespräch, das etwas intensiver ist, weil man wenig Zeit hat. Nicht alle Interviews, die ich auf diese Art geführt habe, sind gut gelaufen. Manchmal war es nicht druckbar, manchmal war es fabelhaft, aber bis auf wenige Begegnungen hat die Art, meine Art von Interviews, immer sehr schön funktioniert. Manche gingen weit über die verabredete Zeit hinaus, bei manchen habe ich sogar das Band zwischendurch ausgemacht, weil man auch nicht alles schreiben muss, was man in einem Gespräch so erwähnt. Mit diesen rotwangigen Fragen, die eine Antwort schon beinhalten, kann ich nix anfangen. Ist auch nicht unbedingt das, was ich von Blogs erwarte, wo man doch so viel mehr Zeit hätte, sich mit seinem Gesprächspartner zu beschäftigen, anstatt vorgefertigte Fragen zu stellen.
Huhu Professor Christoph Neuberger von der Uni Münster!
Sie als Kommunikationswissenschaftler, als habilitierter Kommunikationswissenschaftler, haben sicherlich eine Menge Ahnung, wie man kommuniziert. Deswegen geben Sie auch Interviews zu Themen, die irgendwie mit ihrem Wissensgebiet zu tun haben. Und wenn es nix mit ihrem Wissensgebiet zu tun hat, dann ist das auch egal, Hauptsache, sie können mal was sagen. Deswegen sagen Sie auch gegenüber des Magazin "Insight" in einem Interview, dass "vier Blogger [die]im Auftrag einer Automobilfirma Probefahrten unternahmen und ihre Eindrücke im Internet dokumentierten" etwas ganz schlimmes getan haben. "Hier haben Blogger, die bisher dem Ideal des anarchischen, antiautoritären Schreibens anhingen, die Seiten gewechselt."
Ich dachte, ich schreibe immer nur ab und zu was hin, auf das ich Lust habe. Ist das schon anarchistisch und antiautoritär? Ist man damit schon ein Anhänger irgendeiner Seite, die man wechseln kann? Meine Herren, wenn das schon anarchistisch ist, wenn man mal ein paar Seiten über sein verflossenes Sexleben ins Internet schreibt, was wäre, wenn man dann zum Beispiel ein Blog aufmachen würde, dass die Überschrift hätte: "Unter den Talaren, der Muff von 1000 Jahren"? Wäre das schon Beamtenbeleidigung, also quasi die schlimmste denkbare Revolutionsform, die es in Deutschland geben kann?
Vielleicht täte es Ihren wissenschaftlichen Äußerungen auch einfach gut, wenn sie sich mit den Blogs über die Sie sich äußern, auch vorher mal beschäftigen. Wahlweise können Sie mir auch gerne mal erklären, welche Teile des Blogs zum Beispiel von Pia oder auch diesem Blog hier, Sie eigentlich "antiautoritär" und "anarchisch" finden.
Danke DD
Zur Zeit geht ein Bild durch Blogs, dass israelische Mädchen dabei zeigt, wie sie irgendetwas auf große Granaten schreiben. Das Bild hat, nicht wenig überraschend, auf arabischer Seite für jede Menge Aufregung gesorgt. Ein wenig janusköpfig ist so eine Reaktion schon, wenn man bedenkt, dass man den eigenen Kindern gerne Süßigkeiten gibt, wenn es was militärisches zu feiern gibt. Bei den seit Generationen und tausenden von Jahren in sich verwobenen Schuldzuweisungen, wer denn jetzt mit all dem angefangen hat, bleibt es aber dennoch wichtig, dass man zumindest versucht eine gewisse Form von Aufrichtigkeit in der Berichterstattung zu wahren. Lisa Goldman, eine kanadische Journalistin die in Israel lebt, hat das bei dem erwähnten (und bei ihr zu sehenden) Photo versucht, und die wahre Geschichte über die Kinder herausbekommen, die da ihre Botschaften auf Granaten schreiben.
The photograpers gathered around. Twelve of them. Do you know how many that is? It's a lot. And they were all simultaneously leaning in with their long camera lenses, clicking the shutter over and over. The parents handed the markers to the kids and they drew little Israeli flags on the shells. Photographers look for striking images, and what is more striking than pretty, innocent little girls contrasted with the ugliness of war? The camera shutters clicked away, and I guess those kids must have felt like stars, especially since the diversion came after they'd been alternately bored and terrified as they waited out the shelling in their bomb shelters.
Nachtrag: Wer es nicht kennt: Lila, eine Deutsche die schon lange in Israel lebt, bloggt unter anderem über die momentare Krise im Nahen Osten und hat ein paar Links zu weiteren Bloggern in Israel.