Der Wind ist warm auf meiner Haut, und das ist schön. Ich rolle mit dem Fahrrad die einzige Straße Berlins herunter, die der Stadt das Flair einer Metropole gibt. Unter den Linden. Wundervoll vom Dom ab, rechts Uni, links Oper, dann Geschäfte, der lächerliche Bentley Store, die Botschaft Russlands, die von außen ein bißchen so aussieht, als ob Citizen Kane noch drin wohnen würde, die mit Betonblöcken, Maschinenpistolen und Absperrband verammelten Botschaften von USA und GB, das Adlon, dann das Brandenburger Tor, durch das ich immer gerne fahre. Den architektonischen Brechdurchfall Potsdamer Platz umfahr ich lieber. Dann der harte Schnitt. Plötzlich bin ich umgeben von Lederfetischschwulenlesben, von Lederuniformen, Lederwesten, Lederstrings und ledernen Genitalienaufbewahrungsbehältnissen, von Piercings, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat, getragen von Männern, die gerade herzhaft in eine Thüringer Bratwurst beißen. Sehr fein. Nicht meine Liga, und der abgetrennte Bereich des Strassenfestes gibt dem ganzen leider den Eindruck eines Zoos. Aber ich mag so Treffen, wo Menschen rumlaufen, die wie selbstverständlich ein paar Millimeter neben der Spur laufen und sich wie kleine Kinder freuen, wenn es andere auch machen. Mich augenblicklich in die sehr attraktive Dame am Stand von SMart verliebt und mich ungefähr drei Sekunden später wieder entliebt, als sie ihren Freund knutschte und ich deutlich sehen konnte, dass ich nicht in ihrer Liga spiele. Immer diese Grenzen. Ein bißchen leid tun mir die drei alten Damen mit dem Fahrrad, die sich so weit es eben geht an die Häuserwanden randrücken, die Gesichter erschrocken, aber irgendwie auch interessiert. Sie bleiben dann tatsächlich an dem Stand mit den Ledermasken stehen, schauen in die Auslage und werden sofort allerfreundlichst gefragt ob man helfen könne.

Auf dem Rückweg einmal quer durch den Tiergarten, wo türkische Grossfamilien auf drei Quadratmeter grossen Grillen Fleischberge zubereiten. Der ganze Park riecht wie ein Imbiss kurz vor der Explosion, aber das macht nix, denn die Sonne scheint und Barbara Morgenstern säuselt mir ins Ohr:

leg deinen kopf auf mich sing mir das lied über dich das was uns hierher gebracht liegt weiterhin in der nacht und stellt die fragen an sich ich tu als kümmert mich das nicht und dann, und dann leg ich den kopf auf dich summ dir das lied über mich träum bis tief in die nacht vom horizont und der macht du schützt die dinge und weißt irgendwann schließt sich der kreis nur wann, nur wann?