Januar

  • Sex ist wie Salatzubereitung rückwärts, sagt sie und greift mit beiden Händen tief in die Salatschlüssel. Ich schaue sie erstaunt an und versuchte mir darauf einen Reim zu machen. Und weil sie gerade in Fahrt ist, legt sie das nächste Bonmot noch hinter her:
  • Wenn man keinen Sex hat, dann wird man kauzig.
  • Ha, Du hast keinen Sex. Du lebst seit Jahren mit jemanden zusammen. Leicht beleidigt lässt sie ihre Hände einen Moment im Salat ruhen und starrt auf die Reste, die während ihrer Mischarbeit aus der Schüssel geplumpst sind und nun einen sinnlosen Kreis auf dem Tisch gebildet haben. An ihrem Handgelenk rutscht eine Gurkenscheibe runter und sie kneift ihre Augen zusammen.
  • Ja. Mann, wenn Du 1000 mal mit dem gleichen Menschen ins Bett gegangen bist, dann macht es einfach nicht mehr soooo viel Spaß. Und ich hab keine Lust mich an den Deckenventilator zu hängen, nur damit der Kerl das geil findet.
  • Demzufolge, sage ich listig, wird man also nie kauzig, je promisker man lebt.
  • Typisch, schnaubt sie und lacht dabei.
  • Demzufolge liegt es nicht an Deiner Lust, sondern an Deinem Trieb andauernd was Neues haben zu müssen.
  • Stimmt. Deswegen gehe ich auf Flohmärkte. Da gibt es keine Männer, aber schönen Tand und der hat immerhin schon mal bewiesen, dass er länger hält. Sie greift nach ihrem Sektglas, schüttet es sich in ihren wunderschönen Hals und schaut mich dabei an. Dann sagt sie
  • Fang gar nicht erst an darüber nach zu denken, dass ist mir zu stressig. Ich sage "Ach" und ernte ein "Pssst"

Mai

  • Jetzt brauch ich echt mehr Wein. Meine Herren. Sie steht auf, stolpert über ihre irrwitzige Schuhsammlung, kommt dabei leicht vom Kurs ab und streift einen babylonisch hohen Stapel von drei Jahre alten New York Times Ausgaben, die sie alle aus ihrer Zeit in NY gerettet hat, und der nun rauschend in sich zusammenfällt. Zwei Extrakoffer waren nötig gewesen, und vor allem sehr viel Charme beim Einchecken, aber den hat sie ja sowieso, denn keiner kann ihr wiederstehen, wenn sie diese sehr großen braunen Augen aufklappt und mit ihrem spöttischen Katherine Hepburn Lächeln die Distanz verkleinert.
  • Ich sollte die Dinger wegwerfen, sagt sie, nachdem sie mit einer neuen Weinflasche in der Hand zurück gekommen ist. Da sie es immer ein wenig eilig hat, trinkt sie schon mal auf dem Weg einen großen Schluck aus der Flasche.
  • Solltest Du, rufe ich ihr zu, wirst Du aber nicht, weil Du immer denkst, dass da noch irgendwas drin steht, was Du später mal gebrauchen könntest und dich genau in dem Moment an das genaue Ausgabedatum erinnern wirst. Sie kichert, seufzt, legt sich wieder neben mich und klatscht mir den Tabak auf die Brust.
  • Noch eine, bitte.
  • Ich denke, du rauchst nicht
  • Ich rauche auch nicht. Ich rauche nur mit Dir. Du rauchst sie und ich ziehe dran.
  • Arbeitsteilung
  • Ja, fein, was? Ich hab die Pakoras gemacht.
  • Ich das Kouskous und das Gemüse für deine Pakoras hab ich auch geschnibbelt
  • Aufrechner
  • Faules Mädchen
  • Du hast die Wahl. Drehen oder noch mal.
  • Dann noch mal.

Oktober

Ihre Kopf liegt auf den gefalteten Händen auf dem Tisch und sie versucht einen halbtoten Eiswürfel in ihrem Campari beim Sterben zuzusehen.

  • Ich hätte bei den Flohmärkten bleiben sollen
  • Was? Ich bin nicht sehr überrascht, nur ein wenig traurig. Aber das war ich schon, seit dem ich gespürt hatte, das es weniger wird. Weniger Mails. Weniger SMS. Weniger Wein.
  • Ich habs ihm gesagt
  • Was? Wieso das denn?
  • Mir war danach.
  • Pffff Sie setzt sich wieder gerade auf, kramt eine Zigarette raus und fummelt lange mit ihren Streichhölzern rum, bis sie endlich so weit ist.
  • Willste nicht wissen, was er gesagt hat?
  • Er hat sich wahrscheinlich nicht gefreut
  • Er hat geweint, sagt sie paffend, und fügt hinzu, natürlich nicht sofort. Erst einen Tag später. Da hat er geweint. War schlimm
  • Und Du?
  • Ich auch, aber zum Trost für ihn.
  • Warum hast du? Ich meine, es war doch ok.
  • Weil Du irgendwann geweint hättest, ganz sicher. Das will ich nicht.
  • Du willst das beenden, damit ich nicht weinen muss? Hallo?
  • Es ist mir lieber wenn nur einer weint. Wenn das weiter geht, dann weinen wir alle drei am Ende. Also Schluss. Ich bin versucht Dinge wie "Komm, wir machen das jetzt anders. Das passt doch so gut" zu brabbeln, aber ich glaube mir ja selber nicht. Ich war immer auf der anderen Seite, und sie ist nur mal eben rüber geschlüpft.
  • Wieder Freunde, fragt sie und hebt das halbvolle Glas
  • Wieder Freunde, seufze ich und mache ein leicht angesäuertes Gesicht. Sie füllt unsere Gläser nach. Einmal, zweimal. Nach dem dritten Mal blitzen ihre Augen.
  • Wieder Freunde, wenn Du aus der Tür gehst?
  • Und vorher?
  • Ich bin bald wieder auf Flohmärkten

Ich nehme einen tiefen Atemzug, als ich mich dann dummerweise doch noch mal umgedreht habe und angezogen im Türrahmen stehe. Ich starre auf das Chaos, den wirren, bunten Haufen Schuhe, ihre Kissenlandschaft, die drei längst ausgetrockneten Teetassen mit den Zigarettenstummeln drin, die auf einem statisch bedenklich arrangierten Magazinstapel thronen. Ich rieche sie, das alte Holz, altes Leder, den Staub, den kalten Rauch, die alten Zeitungen.

  • Freunde sein ist gar nicht so leicht, denke ich und mache die Tür zu.