Meine Mutter hat mir mal gesagt: "Wer zu lange alleine lebt, wird schrecklich kauzig." Dabei unterstrich sie ihre Worte mit dem Beispiel eines Bekannten. "Stell Dir vor, als ich neulich bei H. war, wollte ich mir einen Kaffee machen, und er räumte immer hinter mir her, und am Ende schob er die Kaffeemaschine die zwei Zentimenter wieder zurecht, die ich sie verschoben hatte. Sowas ist doch nicht normal! Aber so wird man wohl, wenn man mit Ende Dreißig immer noch alleine lebt".
Wer einmal meine Wohnung betreten hat, und meine zwischen Retro-Beuys und neuer Sachlichkeit eingerichtete Zimmer bewundern konnte, weiß wieviele Gedanken ich mir mache, neue, innenarchitektonische Versuche zu starten, und das mir sowas nicht passieren kann. Neulich, als mal Besuch da war, überlegte ich laut, ob ich die beiden Ikea Gartenstühle. welche mein "großes" Zimmer schmücken, nicht abschaffen sollte. "Ja, mach doch, " meinte Sie, "dann hast Du mehr Platz. Man sieht die unter den Klamotten sowieso nicht". Gutes Argument - nur wohin dann mit den Klamotten? Sie waren eigentlich mal dafür gedacht, dass, wenn mal Besuch kommt, man sich mit diesem zwanglos dort drapieren kann. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass der Besuch in der Küche bleibt. Den hinteren Flügel meiner Wohnung betreten nur sehr wenige Menschen. Wenn ich sie aber weg geben würde, dann gäbe es nur noch die Möglichkeit in der Küche zu sitzen oder ins Bett zu gehen. Gut - das schafft klare Fronten, dass muss man schon zugeben. Der Satz "Laß uns doch nach hinten gehen" läßt dann keine Zwischentöne mehr zu, allerdings konnte ich auch schon Menschen beim betreten des hinteren Zimmers dabei beobachten, wie sie unentschlossen zwischen Bett und dem Platz vor der Stereoanlage hin und her schauten, leicht verwundert, wo denn das Sofa ist. Ich hab kein Sofa, es paßt noch nicht in mein Wohungskonzept rein. So hat dann auch schon mal ein Gesprächsthema, das meistens mit dem Satz "Ach, auf dem Boden ist ja auch ganz gemütlich" endet. Damit man nicht so sinnlos rumliegt, habe ich meine knapp 1000 CDs neben die Stereoanlage gestellt, damit man in Gesprächspausen die sich in Ruhe anschauen kann. Das geht allerdings nur, wenn es hell ist, da ich mich gerade in einer Phase befinde, in der ich mit unterschiedlichen Lichtquellen beschäftige. Die Phase "Versuch einer Schreibtischlampe von Ikea mit 40 Watt einen 30qm Raum auszuleuchten" dauert nun schon knapp 18 Monate. Allerdings musste ich schon früh einsehen, dass ich scheitern würde, also hab ich das Experiment in "Versuch einer Schreibtischlampe von Ikea mit 40 Watt und einer 10 Euro Lavalampa (Rot) mit 20 Watt einen 30qm Raum auszuleuchten" umbenannt.
Das "kleine Zimmer" besteht eh nur aus 12 nicht ausgepackten Kartons und meinem Schreibtisch. Ich versuche dem Besucher klar zu machen, das man ergonomischer und ökonomischer denken muss, und 12, mit Tüchern abgedeckte Kartons, durchaus ein Sideboard darstellen, dass im Gegensatz zum teuren im Möbelhaus erworbenen Sideboard, auch keine Schubladen hat, in denen man zwischendurch immer wieder etwas verstauen muss, damit sich der Kauf auch lohnt. Bei mir ist die Devise: Wegwerfen oder so lange neben Schreibtisch legen, bis man es nicht braucht oder vergessen hat. So lernt man sich von Sachen zu trennen. Das ist gut für die Disziplin.
Bei meiner Küche mußte ich leider ein wenig von meiner Sachlichkeit abgeben. Eine gute Küche verlangt nach einer Unmenge von Gerätschaften, die alle ihren Platz brauchen. Hier habe ich allerdings mein Spardepot für schlechte Zeiten eingerichtet, in dem ich vier Bierkästen von der letzten Party nicht zurück gegeben habe. So werde ich zum einen immer daran erinnert, dass Freundschaft etwas sehr wundervolles ist, und ich, selbst wenn meine Bank plötzlich pleite macht, im Besitz von vier wertvollen Bierkästen bin, deren Abstoßung mir mindestens zwei warme Mahlzeiten auf den Tisch zaubert.
So sieht also meine, in jahrelanger Kleinarbeit, auf den Punkt genau eingerichtete Wohnung aus. Und da kommt doch neulich jemand, und sagt:"Hier sieht es aus, wie bei einem kauzigen Junggesellen, der zu lange alleine lebt". Kommt mir auch nicht mehr in die Wohnung, die Sau.