Drogen
Meine Drogen waren mir ausgegangen, und meine Hausärztin hatte zu. Urlaub. Lächerlich. Mist, dachte ich, wat nu? Es sind keine schlimmen Drogen, aber zumindest solche, die regelmäßig genommen werden wollen. Achje. Aber da fiel mir der Doc und seine Links ein, die er in seinen Texten versteckt. (Danke, by the way). Gesucht, gefunden. Ein Dr. Conzelmann, nur drei Häuser weiter, der über Sprechstunden verfügt, die, sagen wir mal, interessant sind. Die Praxis liegt im ersten Stock, also schon mal nichts für gebrechliche, alte Damen, denen das Treppensteigen schwer fällt. Die wären auch ein wenig erstaunt gewesen, denn die Tür würde nicht von einem Summer, oder einer übertoupierten, übergetünchten Sprechstundenhilfe aufgemacht, sondern vom Herrn Doktor persönlich. Hui - was für ein Mann. Hager, groß, ein fisseliger Bart, Anfang 50. Eher jemand, denn man am Bahnhof Zoo wegen ein paar Joints anschnorren würde. Er bat mich kurz ins Wartezimmer. Naja, Wartezimmer. Ein völlig zugestellter Raum mit alten IKEA Stühlen, welche mit Plastikfolie überzogen waren. Der Gedanke "Der operiert hier bestimmt auch drauf" formierte sich in meinem Hirn und ich unterliess das Hinsetzen erstmal. Auch deswegen, weil die Altbauhohen Wände bis unter die Decken mit riesigen, aus Zeitungen rauskopierten Artikeln zu gekleistert waren. Oder Sinnsprüchen. Und einem A0 Poster mit Text. Darauf wurde die Geschichte berichtet, wie er, der Arzt, Drogenabhängigen versuchte zu helfen, in dem er bestimmte Medikamente und Codeine an sie weiter gab. Das wiederum rief die Polizei auf den Plan und dann folgte eine sehr lange und komplizierte Geschichte, mit Staatsanwälten, Ärztekammern, Drogenbeauftragten, Patienten, Demonstrationen, Einbrüchen, Drohungen, Geldstrafen, Gerichten und sonstigem. Hatte ich erwähnt, dass im Wartezimmer krachend laut die 25 Minuten Version von "Inagaddavidaa" von Iron Butterfly lief?
Er bat mich ins Sprechzimmer. Sprechzimmer. Wenn ich ehrlich bin, sah es eher aus wie eine Abstellkammer eines Systemadminstrators. Irgendwo weit hinten summte ein Server, daneben stapelte sich 2.50 Meter hoch CDs, Computer Bücher und andere Dinge. Ich betrachtete den statisch äusserst interessanten Turmbau, während er anfing Papiere raus zu holen und zu kopieren. Er kopierte und kopierte. Ein Rezept. Eine Rechnung. Ein Datenblatt. Einen Fragebogen. Irgendwas mit Zahlen. Dabei unterhielten wir uns über Zeitungen. Ich sah mich derweil weiter um, und entdeckte hinter mir, gestapelt auf der Untersuchungsliege (Haha, ich hatte recht mit den Stühlen im Wartezimmer) eine ganze Batterie von Überwachungsmonitoren. Zehn Stück, ordentlich verstaubt, aber funktionstüchtig. Damit beobachtete er seine Tür, sein Wartezimmer, den Flur, den Hausflur, die Eingangstür unten, das Klo (!) und andere Räume. Schließlich war er fertig. Ich mußte diverse Foumlare unterschreiben: Unter anderem, dass ich ihn nicht anzeigen würde, eine Rechnung (wieso ich??), dass die Behandlung (??) stattgefunden habe, dass ich das Rezept bekommen habe und das ich das Rezept nicht weiter geben würde. Dann nahm er all die von mir unterschrieben Formulare, riss eine riesige Schublade einer alten Kommode auf, in der nach meiner vorsichtigen Schätzung ca. tausend dieser Zettel lagen, schmiss die Papeire unsortiert rein, trat die Schublade zu und erklärte mir in ca. drei Minuten die üblen Methoden der Pharmaindustrie, dass dies alles Verbrecher seien usw. Er brachte mich zur Tür, schaute mich an, ich lächelte zurück und er meinte dann schulterzuckend: "Na, wenigstens mal wieder ein Patient mit guten Zähnen".