Es war einmal...

...ein frisch nach Hamburg gezogener Plattenfirmennachwuchsauszubeutenderangestellter. Der freute sich sehr, das er in einer echten Hamburger Altbauwohung wohnen durfte, welche mit einer maroden Gasetagenheizung, einem Bad, in dem man über das Klo steigen musste um zur Dusche zu gelangen, und einem Gasherd ausgestattet war, der, ließ man ihn zu lange brennen, lustige Puffgeräusche machte, oder die Flammenzufuhr, nicht aber die Gaszufuhr einstellte. Wirklich nett waren die Nachbarn. Da war Helma, die unter mir wohnte, mit ihrem kleinen sechsjährigen Sohn. Und Frieder, ebenfalls ein Plattenfirmennachwuchsauszubeutenderangestellter, der wohnte schräg unter mir. Und dann war dann noch Nicole, die wohnte direkt neben mir. Eine Schauspielschülerin (behauptete sie) mit einem Hang zum Rotwein, was meinem Hang zum Rotwein nicht ungelegen kam. Wir vier soffen uns oft in den jeweiligen Wohnungen durch die Nächte und beklagten lachend unser Singledasein. Und Sonntags ging meistens einer Brötchen holen und brachte den anderen auch welche mit. Das war fein.

So störte es uns auch überhaupt nicht, das man beim Bau des Hauses offenbar auf jede auch nur denkbare Form der Lärmisolierung verzichtet hat. Gut, dem kleinen Racker von Helma, hätte ich schon gerne das ein oder andere mal einen dreckigen Spüllappen ins Maul gestopft, wenn er nachts um drei meinte Zahnschmerzen haben zu müssenm. Aber was denkt man nicht so alles nachts um drei, wenn man schlafen will und ausserdem maochte ich den Kleinen sehr.

Eines lauen Sommerabends sass ich in meiner Wohnung, summte vor mich hin, und las irgendwas, als ich plötzlich die üblichen Stöhngeräusche hörte, welche bei der Kopulation entstehen. Das war neu. Ficken war völlig neu in unserer Halb-WG. Eine kurze akustische Ortung ergab Frieder und ich freute mich sehr für ihn. Nach zwei Stunden Beschallung freute ich mich nicht mehr ganz so doll und ging erstmal was Essen. Zurückgekommen sah ich Licht in der Wohnung von Nicole. Fröhlich klingelte ich, und freudig machte Nicole die Türe auf und brach, meiner ansichtig, sofort in hysterisches Gelächter aus. Hey, dachte, vielleicht eine Nudel an ungewöhnlicher Stelle vom Essen im Gesicht hängen geblieben? Es war viel komplizierter: Offenbar war Frieder immer noch nicht bzw. schon wieder nicht fertig: Nicole hatte aber, nicht so wie ich, keine akribische Schalluntersuchung vorgenommen, sondern einfach gedacht: "Der Don, hihi". Also dachte sie, ich sei jeniger welcher, und da kann man schon mal hysterisch lachen, wenn dann plötzlich der vor einem steht, den man die ganze Zeit als Orgienveranstalter im Visier hatte, es aber gleichzeitig weiterlärmt. Wir beschlossen das Gestöhne, welches sich bis in die Nacht hinzog mit leckerem Rotwein zu übertünchen.

So ging das ein paar Wochen j-e-d-e-n Abend. Auch listiges Nachfragen wie "Na, ihr habt aber Spaß" führten bei Frieder nur zu debilen Grinsen, wie das bei Menschen in diesem Zustand eben so ist. Das war ja alles noch nicht schlimm. Man gewöhnt sich an die Hintergrundgeräusche und wenn sie plötzlich weg sind, dann macht man sich schon die Sorge, das die Dame eventuell zu einer Massenmörderin mutiert sei, oder das Frieder impontent geworden war. Eine Zeit verging, und die Treffen zum lecker Rotwein wurden seltener, weil a) Helma einen Freund, und b) Nicole einen Freund hatte. Die schliefen aber aus den bekannten Gründen auswärts, was ich sehr rücksichtsvoll fand. Aber dann war der Abend, an dem wir ein "lustiges Essen" absolvierten und abermals ins Rotweinfass fielen. Ich war meinerseits war frisch verliebt, die Dame war aber aushäusig, wie später auch öfter, aber das ist eine andere Geschichte. Kaum war der Abend für beendet erklärt worden, erscholl zunächst aus Frieders Zimmer die allabendliche Geräuschkulisse. Das schien Helma und ihren neuen Freund auf die Idee gebracht zu haben ebenfalls loszulegen. Die doppelte Symphonie alerter Hormone zog einem morphogenetischen Feld gleich durch das Haus und stachelte desweiteren Nicole an, gab sich aber nicht zufrieden, sondern verendete offenbar bei den Nachbarn über mir, von denen ich noch nie auch nur ein Geräusch gehört hatte. So lag ich also, quadrophonisch beschallt, und wette rund eineinhalb Stunden mit mir selber, wer zuletzt kommen würde. Frieder hat dann, wie üblich, gewonnen.