Was mich ja an der ganzen Geschichte schon betrübt, ist die Art und Weise, wie das Wort "Glaubwürdigkeit" benutzt wird. Und vor allem, mit was für einer atemberaubenden Geschwindigkeit einem die "Glaubwürdigkeit" entzogen wird. Es reicht manchen Menschen, wenn man eine Geschichte oder einen Satz schreibt, der nicht in das Konzept des Lesers passt. Plötzlich ist alles, was der Leser mit dem Blog verbunden hat, was im Autor gesehen hat, hinfällig. Als ob man plötzlich sein "wahres Gesicht" gezeigt hat und nun wenden sich die Leser enttäuscht ab, hatten sie doch ein anderes Bild.
Ich hab mich schon oft in Gesprächen mit anderen Bloggern darüber gewundert, auf welche Art Leser sich ein Bild von einem Blogger machen. Mit Ix habe ich mich schon lange angefreundet. Ich mag ihn sehr, ich lese seit Jahren sein Blog, wir waren schon gemeinsam betrunken, haben uns Sorgen geschildert und all die Dinge, die eine beginnende Freundschaft so ausmachen. Aber kenn ich ihn? Nö. Und kennt er mich? Nö. Ich bin Ix viel näher, als den vielen anderen Lesern dieses Blogs und wenn ich irgendwas schreibe, was ihn wundert, dann bekomme ich eine Mail oder einen Anruf mit einer Nachfrage. Das macht auch Don Alphonso, den ich längst nicht so gut wie Ix kenne, aber den ich auch schätze. Don Alphonso kennt mich auch nicht, aber er fragt nach, wenn er was genau wissen will, bevor er irgendwas schreibt. Deswegen nehme ich die Kritik von Don Alphonso auch ernst und setze mich gern mit ihr auseinander. Und deswegen sind Menschen wie Ix oder Don Alphonso auch für mich glaubwürdige Menschen, weil sie ihre Bedenken oder auch ihr Lob mir gegenüber nicht einfach so daher sagen.
Die meisten Leser dieses Blogs kenne ich noch viel weniger als Ix oder Don Alphonso. Ich kenn sie gar nicht, ich weiß nicht, woher sie herkommen, was sie machen und warum sie ausgerechnet dieses Blog so oft besuchen. Manchmal treffe ich Leser auf einer Lesung, aber auch nur dann, wenn sie den Mut haben, mich mal anzusprechen.
Gerne wird bei Blogs die Frage nach der Authentizität gestellt, aber beantworten kann die Frage letztlich nur der Autor eines Blogs. Wer weiß schon, was an den Geschichten, die man tagtäglich liest echt ist, welche Passagen vielleicht im Sinne des Spannungsbogens der gute Pointe wegen ein wenig gebogen und verändert sind. Man nimmt Geschichten und den Autoren gerne als glaubwürdig und authentisch wahr, so lange es einem ins eigene Authentizitätsgefühl passt. Und je mehr Geschichten jemand schreibt, die authentisch scheinen, desto mehr meint man von ihm zu kennen. Das ist bei mir nicht anders, als in anderen Blogs. Es scheint niemanden aufzufallen, dass ich weite und mir sehr wichtige Teile meines Lebens aus dem Blog rauslasse. Große Teile meines Privat- und Arbeitsleben finden hier einfach nicht statt, und das aus guten Grund. Und doch meint man mich soweit zu kennen, dass man mir Glaubwürdigkeit absprechen kann.
Das es jetzt viele Blogger gibt, die draußen brüllen, ich hätte meine Glaubwürdigkeit verloren, verwirrt mich. Ich kenn diese Menschen nicht, ich wusste nicht mal, dass sie mein Blog lesen, aber dennoch meinen diese Menschen, mir sagen zu können, ich hätte meine "Glaubwürdigkeit" verloren. Und je mehr gebrüllt wird und je mehr das Wort "Glaubwürdigkeit" in geradezu inflationärer Weise benutzt wird, desto mehr verliert das Wort an Glaubwürdigkeit.
Die Opel Aktion läuft gerade mal eine Woche. Ich habe zwei Geschichten über den Wagen geschrieben und ich bin noch lange nicht am Ende mit meinen Reflektionen über den Wagen, die Automobilindustrie und Autos im Allgemeinen. Aber nach einer Woche ist vielen die Glaubwürdigkeit meines Tun und Schreibens aus den letzten vier Jahren nichts mehr wert. Da frag ich mich, mit welchem Hintergrund manche Menschen das Wort "Glaubwürdigkeit" benutzen. Wie gut sie meinem, den Autor dieses Blogs zu kennen. Ganz ehrlich: ich verzichte gerne auf Leser, die angeben, sie hätten mich jahrelang gelesen, aber nun sei alles anders. Sie haben weder dieses Blog, noch mich jemals verstanden.