Peter Kabel, einer der größten Pleitiers der letzten Jahren darf wieder ran. Ich traf den Herrn Kabel vor rund zwei Jahren mal bei der Eröffnung einer Musikfirma. Musikfirmen-Partys sind Veranstaltungen, auf denen man definitiv leiden muss. Weil alle, auch wenn sie sitzen, die Ellbogen ausfahren. Weil die Plattenfirmentussis immer eine Sonnenbrille in die Haare schieben. Weil alle ein Schlüsselbund um den Hals haben. Weil die "No Angles" auftreten. Aber gut, ich denke, es gibt für Dinge die man erleiden muss, gute Karmapunkte. Dieser Abend versprach mein Karmapunktekonto mächtig aufzuladen.
Die freundlichen Plattenfirmenmenschen, die das alles am Spreeufer organisierten, hatten sich sehr viel Mühe gegeben und überall Bierstände hingepflanzt. Das hinterhältige, undankbare aber eingeladene Volk ignorierte herzlichst die Bierstände und der Colastand glich dem Beratungspavillion des Vatikans auf einer Messe für Abtreibungen. Die rund 4000 Gäste hatten beschlossen sich um die drei winzigen Stände zu gruppieren, welche Gin, Wodka und (natürlich) Prosecco umsonst unters Volk warfen.
Gerade eben hatte ich zwei Getränke erkämpft und kam zurück zu meiner freundlichen Begleitung. Die war in dem Getümmel, Geschiebe und Gedränge nicht mehr alleine, sondern in zwei Millimeter Abstand zu ihr stand eine unauffällige Dame, ca. 30 Jahre alt, und ein Herr, vielleicht 50 Jahre. Ich gesellte mich auf die erkämpften Quadratmillimeter und mir wurde Peter Kabel, ehemaliger Gründer der Pleitefirma Kabel New Media vorgestellt. Gekleidet in einer Jeans und einem Hemd, mit dessen Farb-Design Kombination Kabel mit Sicherheit gegen irgendeine Genfer Konvention verstieß. Während er seinen Namen murmelte zuckte ganz leicht der rechte Teil seiner Oberlippe mürrisch zur Seite. Vielleicht ein Tick, seit der letzten Aktionärssitzung.
Was muss das wohl für ein Gefühl sein, überlegte ich, während Herr Kabel seine Brust an meinen Bauch drückte, wofür er aber nichts konnte. Wie ist das also, wenn man nach Branchenschätzungen 125 Millionen Euro auf dem Konto hat, während freie Mitarbeiter der Ex-Kabel New Media AG beim Konkursrichter um ihre Aussenstände feilschen? Denkt man darüber nach, wenn man gerade ein Lokal in Brandenburg aufgemacht, und eine siebenstellige Summer investiert hat? Wie begegnet man den hasserfüllten Blicken diverser ehemaliger Angestellten und Aktionäre? Peter Kabel hat da offenbar einen Weg gefunden: Er schaut auf den Boden, oder nestelt andauernd an seinem nigelnagelneuem SonyEricsson Handy (mit Fotodingens) rum und schaut aufs Display, aufs bunte. Wenn er mit einem redet, dann hebt er für einen winzigen Moment den Kopf, um wieder auf den Boden zu starren. Ganz klar, der Mann hat sein Karmapunktekonto im tiefsten Soll, aber das kennt er ja noch von seinen Firmenkonten. Ich bemühte mich während des Gespräches die Worte "Nicht angestellt", "Arbeitslos", "Pleite", "Aktien", "Geld" und "unfähige Manager" zu vermeiden. Sowas gelingt natürlich genauso wenig, wie auf einer Beerdigung nicht lachen zu müssen.Aber was fragt er mich auch nach meinen ehemaligen Arbeitgebern.
Ein sehr großer Mann in einem dunkles Anzug, blondierten Haarspitzen und mit einem Schlüsselbund um den Hals, hieb Kabel auf die Schulter und dankte, neckisch mit einem Auge zwinkernd, für den klasse Aktientipp neulich. Kabel wurde augenblicklich rot, nahm einen grossen Schluck von seinem Prosecco und flehte seine Freundin an, ob man nicht endlich in den VIP Raum gehen könnte. Dann fingen die "No Angels" und mein Karmapunktekonto drohte zu platzen.