Dienstag, 2. Mai 2017

Entscheidungen kommen wenn sie es wollen

Ich wohne jetzt seit 13 Jahren in ein und derselben Wohnung. Das ist ein Rekord für mich. Habe ich noch nie geschafft. Selbst nicht, als ich noch bei meinen Eltern wohnte, weil die auch die Angewohnheit hatte, alle paar Jahre umzuziehen. Jetzt also 13 Jahre hier und es fühlt sich gar nicht so lange an. Einer der Gründe, warum ich so lange hier wohne ist die Gegend. Ich mag den Helmholtzplatz und auch wenn alle über den Prenzlauer Berg lästern und ich selber sage, dass das hier eine weiße Mittelstandsblase ist, die nicht gestört werden will - ich hänge an der Ecke. Ein weiterer Grund: alter Mietvertrag, netter Vermieter, nur eine Mieterhöhung über sage und schreibe 5 Euro in alle den Jahren. Angesichts der Mietwohnungslage in Berlin gibt es keinen Grund umzuziehen.

Aber neulich passierte dann das: die gute Freundin S. hatte die Chance die deutlich größere Wohnung neben ihr anzumieten. "Lass uns zusammen mit Freundin V. eine 'Erwachsenen-WG' gründen" sagte sie. Warum nicht, dachte ich. Die Miete würde günstig bleiben, ich hätte immer jemanden da, der sich um die Katzen kümmert. Und sind wir doch mal ehrlich - man wird kauzig, wenn man so lange allein lebt. Nicht besser wird die Situation, wenn man wie ich seit 5 Jahren Single ist. Da fängt man dann an mit den Katzen zu reden, als seien es Mitbewohner und machmal auch mit sich selber, wenn man vor dem Vorratsschrank steht oder Glühbirnen wechselt.

Man plante also so rum, wer will welches Zimmer, brauchen wir neben der Küche noch einen Gemeinschaftsraum, eine Putzfrau auf jeden Fall, wer kauft eigentlich das Klopapier. Sachen, die man klären muss, wenn man zusammenzieht, so will es das Gesetz.

Aber je näher die Entscheidung der Hausverwaltung rückte, desto unsicherer wurde ich mir. Will ich hier wirklich weg und in den Süden von Berlin ziehen? Will ich meine wirklich sehr günstige und durchaus hübsche Wohnung aufgeben? Will ich mich überhaupt verändern?

Und je länger ich darüber nachdachte, desto unsicherer wurde ich mir. Einerseits weiß ich, dass mir Veränderung meist immer gut tut. Man verändert Rituale, lernt neue Umgebungen kennen, bewegt Kopf, Körper und Seele, die neue Strukturen aufsaugen, wie ein Schwamm das Wasser. Andererseits: will ich mich verändern?

Wie die meisten schweren Entscheidungen, wurde sie mir dann abgenommen. Die Hausverwaltung hat dann erstmal abgesagt. "Angenehm," dachte ich. Auf der anderen Seite war ich dann aber doch darüber erschrocken, wie schwer mir die Entscheidung gefallen wäre, wie sehr die Lebenssituation an mir klebt. Ein bisschen fühlt sich die Angst vor Veränderung an, als sein man gefesselt. Von der Scheu vor der Veränderung, von der Angst sich zu bewegen. Man lebt in einem feingewobenen Kokon aus Ritualen und lieb gewonnen Gewohnheiten, die man auch deswegen lieb gewonnen hat, weil es keine anderen gibt. Es ist warm und bequem in dem Kokon und im Sommer schallt die Musik der Strassenmusikanten durchs Fenster rein.

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich im letzten Jahr mein Leben ziemlich umgekrempelt habe. Beruflich, persönlich. Vielleicht stöhnte meine Seele beim Gedanken an einem Umzug innerlich auf und denkt "Ach du große Güte, jetzt das auch noch." Aber dennoch überraschte mich meine Unentschlossenheit in Sachen Umzug. Und sie hat dann was in Bewegung gebracht.

Denn auch wenn die erste Idee nicht geklappt hat, wir suchen jetzt nach einer WG-tauglichen Wohnung in Berlin. Ganz in Ruhe, ohne Stress, denn wie gesagt, die großen Entscheidungen fallen ja irgendwann ganz von selbst.

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Donnerstag, 20. April 2017

Müßiggang

Wenn es einen Satz gibt, den man Goethe nachträglich um die gebildeten Ohren hauen sollte, dann ist es „Müßiggang ist aller Laster Anfang“. Gerne würde man ihm entgegnen „Da lebt mal in unserer Zeit“. ich bin mir ziemlich sicher, dass Goethe, würde er heute in unserer durch Effizienz geprägte Welt leben, es dann doch lieber mit Balou, dem Bären halten der einst ein Plädoyer für die Gemütlichkeit formulierte.

Dummerweise ist der Goethe`sche Satz zu einer Mantra der deutschen Gesellschaft geworden. Man sagt den Deutschen ja alles nach, aber sicher nicht, dass sie sich dem Müßiggang hingeben. Im Verbund mit einer protestantischen Hinwendung zur Arbeit ergibt sich eine fast religiöse Anbetung von „…etwas zu tun haben…“ und Produktion. Arbeit, das ist so etwas wie das Lebenselixier. Was ja auch völlig ok ist. Ich arbeite ja auch gerne. Ohne Arbeit, da bin ich dann wieder ganz der Deutsche, fehlt mir auch was im Leben.

Doch mittlerweile hat Arbeit, gerade im Angestelltenverhältnis, die Rolle einer schlecht gelaunten Schwiegermutter übernommen, die nie zufrieden ist und immer mehr verlangt. Und alles muss sich der Arbeit unterordnen. Familie, Freunde, Freizeit und seit einigen Jahren auch der eigene Körper. Gleichzeitig rast ein merkwürdiger Trend zur Selbstvermessung durch die Gesellschaft.

Die Vermessung der körperlichen Fitness wird meist immer damit beworben, dass man leistungsfähiger sein. Schön und gut, ich frage mich nur: wofür leistungsfähiger? Damit ich fitter Netflix schauen kann? Natürlich nicht, denn es geht darum leistungsfähiger zu sein, um den Arbeitsalltag besser überstehen zu können. Wer Sport macht, der ist weniger krank, ist also öfter im Büro und kann länger arbeiten, schneller Karriere machen etc. Der Irrsinn der vermeintlichen Selbstoptimierung macht mittlerweile auch nicht mehr vor dem Schlaf halt.

Offiziell nimmt Arbeit einen immer kleineren Bereich unseres Lebens ein. In den 50er Jahren galt noch die 6-Tage Woche, bis in die 60er Jahre die 48-Stunde Woche. Erst in den frühen 70ern wurde die 40-Stunde Woche eingeführt, die später noch mal im 1.5 Stunden für manche Branchen reduziert wurde. Inoffiziell sieht das anders aus, wie jeder weiß. Dank permanenter Erreichbarkeit arbeitet man halt jetzt immer.

Die Zeit, in der man nicht arbeitet, quetscht man dann voll. Auch hier hat sich einiges geändert. Familie, Sport, Freunde, Ausgehen und alles andere will auch untergebracht werden. Die meisten sind damit lange ganz zufrieden.

Aber auf Dauer scheint es doch nicht zu gehen. Die Zahl der diagnostizierten Burnout-Erkrankungen und Depressionen steigt, mir selbst sind im engeren Bekanntenkreis drei Leute bekannt, die in den letzten zwei Jahren damit diagnostiziert wurden. Und ich selbst bekanntermaßen ja auch.

Ich habe seit dem letzten Jahr meine Arbeit einerseits reduziert, andererseits arbeite ich seit dem konzentrierter. Das Ziel ist eigentlich eine 3-Tage-Woche, was mal mehr, mal weniger gelingt. Die freie Zeit verbringe ich mit anderen Dingen und vor allem mit Müßiggang.

Darunter fallen für mich verschiedene Dinge. Das fängt bei Netflix an, reicht über Fahrradtouren, Besuche in Museen, Büchern bis hin zum gepflegten Rumsitzen in Cafés. Und manchmal auch einfach: Nichts. Rumliegen, ein Hörspiel, ein wenig am Nachmittag dösen. Sonst nichts.

Ich musste das lernen, dieses Nichtstun. Es ist ja nicht wie im Urlaub, da gibt es Immer was zu sehen, etwas Neues zu entdecken. Wirklich Nichts zu tun ist gar nicht so leicht. Ich musste mein schlechtes Gewissen, dass ich gerade Nichts tue, vergessen. Ich musste lernen, dass Nichts tun sehr hilfreich ist. Irgendwann sagten mit Freunde, dass ich so anders wirke. Entspannt. Dass die Gesichtszüge entspannter sind, ich etwas anderes ausstrahle.

Ich arbeite immer noch daran, an manchen Tagen kommen die preussischen Tugenden und das schlechte Gewissen dann doch wieder. Aber es ist selten geworden. Müßiggang ist mir wichtig geworden, weil ich dabei auch etwas über mich lerne. Weil ich Zeit zum reflektieren habe und überlegen kann, was ich als nächstes in meinem Leben machen will. Wie sich mein Leben anfühlen soll. Was ich im Leben vermisse.

Wenn mir der Müßiggang eins beigebracht hat, dann ist es die Erkenntnis, dass es nicht wichtig ist, wie schnell man sich durchs Leben bewegt, sondern dass es auf seine Art macht.

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Freitag, 31. März 2017

Update aus meinem Leben

  • Ich habe das alte Antville Blog hier wieder belebt. Die Idee dazu hatte ich schon vor einigen Wochen, dann kam das Leben usw. Warum ich das hier wieder belebt habe? Dafür gab es viele Gründe. Zum einen habe ich meine eigene Seite Ende letzten Jahres zu einem Schaufenster für meine Arbeit umgebastelt. Erwarten Kunden heute, dass man das macht. Und privaten Krempel mit Arbeit zu mischen, wollte ich dann auch nicht. Mir fehlte aber meine eigene Spielfläche und Facebook ist einfach kein Ersatz für mich, vor allem wegen der fehlenden Möglichkeit, alte Texte wieder zu finden. Ich hatte kurz mit dem Gedanken gespielt zu „Medium“ zu wechseln, aber dann fiel mir das hier wieder ein.

  • Generell finde ich die Idee, das Bloggen zurück zu den Wurzeln zu führen, sehr ansprechend. Kein Social Media Gedöns, einfach schreiben. Das Layout bleibt auch so wie es ist.

  • Im letzten Sommer hatte ich auf FB (finde ich jetzt nicht mehr), einen Text geschrieben, der sehr viel Aufmerksamkeit generierte. Es ging um meine Pause, die ich auf Grund eines diagnostizierten Erschöpfungssyndrom von Mai bis Ende September eingelegt habe. In der Zeit habe ich nicht gearbeitet. Also wirklich gar nicht. Zeit für ein Update.

  • Es ist deutlich besser geworden. Gefühlt zum 90%. Ich fliege wieder durch die Gegend, halte Vorträge, mache Moderationen, schreibe, gebe Workshops und was sonst noch so anfällt. Es macht jede Menge Spaß. Aber, und hier kommen wir zu den fehlenden 10%, ich brauche zwischendurch längere Pausen. Meine Ärztin beschrieb das so „Sie werden vermutlich wieder zu 100% fit, aber das ist dann wie ein alter Akku. Man kann ihn wieder voll aufladen, aber er hält die Spannung nicht mehr so gut.“ Das stimmt - so ungefähr. Wobei ich heraus gefunden habe, wie ich in langen Stressphasen ohne Probleme arbeiten kann. Der Trick ist simpel: früh ins Bett gehen, am Wochenende nicht arbeiten, dafür ausgehen, Leute treffen und Spaß haben. Durchaus auch mal Party, diverse Gin-Tonic und so weiter. Aber Schlaf hilft wirklich sehr gut.

  • Was auch geholfen hat, war eine gewisse Askese in Sachen Nachrichtenkonsum. Ich habe von Dezember bis Anfang März generell gar keine Nachrichten geschaut. Weder im TV, noch im Netz. Und das hat enorm gut getan. Die kleinen Aufreger des Tages fielen weg, ebenso Ablenkung. Mittlerweile schaue ich einmal am Tag bei der „Welt“ vorbei, aber selbst das nicht immer. Ich konzentriere meinen Lesestoff auf meine Arbeit, im Moment zum Beispiel auf alles, was mit AI und Algorithmen zu tun hat.

  • Generell versuche ich weiter nicht mehr als vier Tage die Woche zu arbeiten. Das klappt so mittel gut. Was daran liegt, dass ich Texte manchmal einfach nicht sofort schreiben kann. Kreative Phasen lassen sich nicht einplanen. Ich prokrastiniere dann so über den Tag, was aber immerhin auch dazu führt, dass ich die Idee hatte, hier wieder was zu machen. Jetzt, wo es wieder warm ist, schwinge ich mich dann aber in Zukunft aufs Fahrrad.

  • Die gewonnene Freizeit setze ich für verschiedene Dinge ein. Ganz banal: Bücher lesen. Weniger banal: Fotografieren. Überhaupt nicht banal: Freunde treffen. Oder halt schlafen. Schlafen geht immer. Und Sherlock Holmes Hörspiele. Gibt sehr gemütliche auf Spotify.

  • Ich habe über den Winter 14 Kilo abgenommen. Tendenz weiter fallend. Ich habe dafür eigentlich nichts gemacht, außer weniger zu essen.

  • Den Katzen geht es gut.

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Mittwoch, 29. März 2017

Eis

Heute mit einer guten Bekannten darüber diskutiert, ob Sex Eis ersetzen kann. Oder umgekehrt. Dabei fiel mir ein Eis ein, das ich mal vor knapp hundert 10 20 Jahren gegessen habe.

Dieses Eis habe ich auf Mallorca gegessen habe. In einem kleinen Kaff namens Petra. Wir, meine damalige Begleitung und ich, sind da damals zufällig gelandet, als wir hungrig mit dem Finger über die Landkarte gerutscht sind und nach irgendeinem Ort suchten, der zumindest der Größe nach vernünftige Nahrungsbeschaffung versprach. Und es war auch schon spät. Wir landeten in Petra, wo es um kurz nach acht schon so dunkel und verlassen war, dass man glauben musste, der dritte Weltkrieg sei ausgebrochen. Am Marktplatz wurden wir aber fündig. Ein winziges, aber witzig beleuchtetes Restaurant. Aus Mangel an Alernativen und weil meine Begleitung um meine Laune fürchtete, wenn ich jetzt noch mal eine Stunde durch die mallorquinische Pampa fahren musste und weil ich ihr angedroht hatte zu McDonalds zu gehen - also aus diesen vielschichtigen Gründen traten wir ein. Und wurden nicht enttäuscht.

Die Karte war interessant. Langusten in einer bitteren Schokoladensauce waren mir zum Beispiel neu. Der Begleitung auch. Aber, jung und mutig wie wir waren, bestellten wir uns einmal quer durch. Wir wurden nicht enttäuscht. Zufrieden und gesättigt lehnten wir uns in die knarzenden Stühle zurück als die Besitzerin des Ladens anrauschte und uns Eis anbot.

Wir wollten eigentlich nicht, aber sie bestand drauf. "Er hat es heute frisch gemacht", sagte sie und meinte natürlich den Koch. Ein älterer Mann, starker Raucher, klein, krumm gewachsen, Glatze. Er brachte uns das Eis persönlich. Einfach Vanilleeis mit ein paar Brocken Schokolade.

Es war das beste Vanilleeis meines Lebens. Es schmeckte so weich, so zärtlich und gleichzeitig so intensiv, wie mir weder vorher noch nachher jemals ein Eis geschmeckt hat. Es war, selbst nach den Langusten, den unzähligen Gläser Wein, Brandys und Zigaretten, eine regelrechte Explosion im Mund. Als hätte ich noch nie im Leben Eis gegessen. Ich war sprachlos. Wie konnte man so etwas simples wie eine Kugel Vanilleeis so gut machen? Nach vielen weiteren Brandys und etlichen Zigaretten verriet er dann wenigstens einen Teil des Geheimnis: er mischte selbst gemachten Frischkäse unter die Eismasse.

Mangels eigener Eismaschine habe ich nie versucht, dieses Eis nachzumachen. Vermutlich aber auch, weil ich es einfach nicht will. Diese Eis werde ich nie vergessen und das soll so bleiben.

Also ja, Eis kann so gut wie Sex sein.

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Hmmmm....

↑ Ab hier neu


↓ Ab hier sehr, sehr alt und eventuell aus digital-archäologischen Gründen oder Motiven der Reminiszenz interessant.

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