Dienstag, 8. Januar 2008

Immer wenn ich mal nach Berlin West fahre, habe ich das Gefühl in die 70er und 80er Jahre der BRD abzutauchen. So ein Ford Granada Gefühl. Einerseits fühlt man sich durchaus geborgen, weil man von Cord, Samt und Alcantara umgeben ist, und es immer ein wenig nach abstandenen Rauch riecht, andererseits wirkt es auch so billig wie eine dieser goldenen Uhren, die nach wenigen Wochen die dünne Goldhaut verlieren und hässliche Ecken bekommen. Vor allem alles um den Ku'damm fühlt sich so an. Die großen, modernen Werbedinger werfen ein sehr grelles Licht, das einfach nicht zu der ehemals gediegenen Stimmung der Strasse passt. Manchmal wirkt das so, als ob in West-Berlin irgendein Lokalpolitiker die halbgare Idee hatte, den Ku'damm mal ein wenig aufzupolieren. So ein richtig großes Werbeding, dass macht doch was her. Jetzt wirkt es wie ein viel zu großes Werbedings in Osnabrück und macht aus West-Berlin, zumindest aus diesem Teil, tatsächlich ein wenig Osnabrück. Kein Wunder, dass im Café Kranzler nichts mehr los ist. Wer will schon, wenn er denn mal echte 70er Atmo haben will, nach draussen schauen und Osnabrück sehen. Dafür wirft man Herrn Mehdorn ja nun auch nicht das ganze Geld in den Rachen. Ausgerechnet dem Mehdorn, dessen zu kurz geratener Protzbau schuld daran ist, dass das einzige Original aus dem Berlin-West, der Bahnhof Zoo nur noch ein Provinzbahnhof ist. Wie in Osnabrück eben. Man muss nun wirklich nicht von Osnabrück nach Berlin fahren, um dann an einem Bahnhof aussteigen zu müssen, der noch toter als der in Osnabrück ist um dann auf einen Platz zu schauen, der sich von einem in Osnabrück nur durch die Anzahl der Linksabiegerspuren unterscheidet. Den Menschen auf den Strassen und in den Cafés sieht man machmal so etwas still sehnsüchtiges an, das vielleicht mit der trotzigen Aussage: "Aber früher war doch auch schön", noch am besten umschrieben ist. Deswegen haben manche Institutionen des West-Berliner Nachtlebens auch noch Namen aus der Zeit, als man Westen noch mehr los war. "Schwarzes Café", "Café King" oder eben die "Paris Bar". Fehlt eigentlich nur die "„Mampe Stube“, aber die ist schon vor vielen Jahren einer Touristenfalle namens "Marché Markt" zum Opfer gefallen.

Es gibt viele Vergleiche, die ich in den letzten Jahren über West-Berlin gehört habe. "Wie ein Kühlschrank von hinten", oder "...da kann man ja gleich nach Göttingen ziehen." Das ist natürlich alles nicht so richtig wahr, denn West-Berlin ist den meisten Städten Deutschlands immer noch um Längen veraus. Aber vielleicht hätte man West-Berlin einfach im Muff der 70er und 80er Jahre lassen sollen, anstatt überall verzweifelte Glasbauten hoch zu ziehen, die sich beim Anblick der Betonwürste um sie herum vermutlich auch ein wenig schämen. Vielleicht war die Idee von Mehdorn gar nicht so schlecht, den Bahnhof dicht zu machen, weil die Gegend so die Möglichkeit hätte ein wenig konserviert zu werden. Zumindest so lange, bis die Mieten im Osten der Stadt so unerträglich hoch sind, dass die ersten Szenekneipen nach West-Berlin ziehen um sich halb fasziniert, halb amüsiert in der Ford Granada Atmosphäre niederzulassen. Also - vergesst diesen Riesenraddings, dass da am Zoo gebaut werden soll, reißt die beschissene Leuchtreklame ab und lasst West-Berlin einfach die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre in seinem Saft schmoren.

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Sonntag, 6. Januar 2008

Vielleicht wäre es ja sinnvoller, wenn man statt "Boot Camps" und härter Strafen mal wieder dazu übergehen würde, mehr Geld in die Ausbildung von Jugendlichen zu stecken. Ich habe keine Ahnung, wie der Bildungshintergrund der Straftäter der letzten Wochen ist, aber wenn man sich die Vorkommnisse aus Hauptschulen anschaut, scheint es zumindest einen gewissen Zusammenhang zu geben.

Es ist typisch für die deutsche Politik der letzten Jahre und auch für die deutschen Politiker, dass man erst an manchen Ecken das Sozial- und Bildungsnetz zusammenstreicht, um dann nach einer gewissen Zeit hilflos vor den Ergebnissen zu stehen. Und um sie dann zu dämonisieren und zur Schuld derjenigen zu erklären, die durch die Streichungen durchs Netz gefallen sind. Hartz IV Bezieher werden ein Lied davon singen können.

Keine Frage - wer auch noch in einer Gruppe einen andern Menschen angreift und ihn zusammenschlägt hat sie nicht mehr alle. Wer seinen Anstand und seinen Respekt vor der Menschlichkeit verliert, der hat eine möglichst harte Strafe verdient. Und jeder, egal wie übel ihm das Leben mitgespielt hat, jeder hat die Chance, seine Entscheidung vor einer solchen Tat zu treffen. Das ändert aber nichts daran, dass Teile der Probleme in den Schulen und auf der Strasse auch zum Teil Schuld einer Politik sind, die sich nicht mehr um Zukunft, sondern nur noch um den nächsten Wahlterimin im Auge hat.

Ich weiß nicht, ob ein besserer Zugang zu Bildung die Vorkommnisse der letzten Wochen verhindert hätte. In meiner, kleinen, gutbürgerlichen Welt glaube ich daran, dass mehr Bildung, mehr Hinwendung zur Kultur auch Menschen dazu bewegen kann, die Finger von Gewalt zu lassen. Und wer Menschen Chancen und Perpektiven gibt, der hat hat dann auch weniger Probleme mit einer Gesellschaft, die aus Angst und Frust durchdrehen. Doch dummerweise werden wir von Menschen regiert, die demonstrierende Menschen für ein Sicherheitsrisiko halten und in den eigenen Versäumnissen der Vergangenheit nun einen weiteren Grund dafür sehen, die Vorratsdatenspeicherung zu befürworten.

Noch mehr zum Thema hat Heribert Prantl geschrieben

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Freitag, 4. Januar 2008

Eigentlich jetzt schon schönster Satz des Jahres:

Das Internet hat mittlerweile eine Rolle zurückerobert, die es nach dem Platzen der nach ihm benannten Blase zu Beginn des Jahrtausends verloren hatte: Es ist zu einer riesigen Projektionsfläche geworden. In ihm lauern demzufolge nicht nur Terrorismus, die Ursachen für jugendliche Amokläufe und pornographische Perversionen, weswegen kenntnisfreie Politiker, um ihren eigenen Volkserziehungstrieb zu befriedigen, es mit allen nur denkbaren wirkungslosen Verboten regulieren wollen.

Freitag, in einem ganz anderen Zusammenhang.

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Donnerstag, 3. Januar 2008

Klick dis

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Interessant, was die Menschen alles für lange Bücherlisten haben. Ich komme zum Lesen von Büchern kaum noch. Zuviel Arbeit einerseits, zu viel zum Lesen im Netz andererseits. Der normale Konsum der Feeds, Blogs und Webseiten reicht mir meist schon aus. Lesen klappt klassisch gut, wenn ich das Haus verlasse und mich in ein Café setze, was zu selten passiert. Oder im Zug, aber da arbeite ich auch gerne oder schaue endlich die DVDs an, die ich regelmäßig bei Amazon erstehe und die dann monatelang ungesehen rumliegen, weil ich Abends entweder Premiere oder irgendeinen Dokuchannel sehe. Am Wochenende muss ich meinen Motorsportpflichten nachkommen. Immerhin habe ich 2007 aber fünf Bücher komplett und ca. acht Bücher halb gelesen. Dazu ein paar Kochbücher (gilt das?) und ein Nachschlagewerk (das muss gelten). Ich nehme mir schlauerweise aber nicht mehr vor, noch mehr zu lesen, da ich in diesem Jahr die Fotografie mal wieder mehr in den Vordergrund stellen wollte.

Komischerweise habe ich gar nicht so ein schlechtes Gewissen, dass ich so wenig Bücher lese. Ich habe weiterhin das Gefühl, dass man im Netz genauso spannende Dinge entdecken und lesen kann. Leider noch zu viele Kurzgeschichten und zu wenig lange Sachen, die sich auch mal über mehrere Tage oder Wochen durch ein Blog ziehen, aber dennoch stosse ich immer wieder auf spannende Autoren, die ich dann versuche zu "mindestenshaltbar" zu zerren. Ohne mir selber auf die Schulter klopfen zu wollen glaube ich schon, dass wir da eine ziemlich erstaunliche und einzigartige Mischung an Autoren versammelt haben.

Bei aller Liebe für die Onlineliteratur geht an der Stelle aber noch ein großes "Danke" an Wolfgang, der mir freundlicherweise von meiner Amazon Liste zu Weihnachten den Foucault geschenkt hat. Den werde ich auch wirklich lesen, damit ich auch mal von Holm Friebe zu Abendessen eingeladen werde. denn dessen Theorien finde ich wirklich extrem spannend.

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