Immer wenn ich mal nach Berlin West fahre, habe ich das Gefühl in die 70er und 80er Jahre der BRD abzutauchen. So ein Ford Granada Gefühl. Einerseits fühlt man sich durchaus geborgen, weil man von Cord, Samt und Alcantara umgeben ist, und es immer ein wenig nach abstandenen Rauch riecht, andererseits wirkt es auch so billig wie eine dieser goldenen Uhren, die nach wenigen Wochen die dünne Goldhaut verlieren und hässliche Ecken bekommen. Vor allem alles um den Ku'damm fühlt sich so an. Die großen, modernen Werbedinger werfen ein sehr grelles Licht, das einfach nicht zu der ehemals gediegenen Stimmung der Strasse passt. Manchmal wirkt das so, als ob in West-Berlin irgendein Lokalpolitiker die halbgare Idee hatte, den Ku'damm mal ein wenig aufzupolieren. So ein richtig großes Werbeding, dass macht doch was her. Jetzt wirkt es wie ein viel zu großes Werbedings in Osnabrück und macht aus West-Berlin, zumindest aus diesem Teil, tatsächlich ein wenig Osnabrück. Kein Wunder, dass im Café Kranzler nichts mehr los ist. Wer will schon, wenn er denn mal echte 70er Atmo haben will, nach draussen schauen und Osnabrück sehen. Dafür wirft man Herrn Mehdorn ja nun auch nicht das ganze Geld in den Rachen. Ausgerechnet dem Mehdorn, dessen zu kurz geratener Protzbau schuld daran ist, dass das einzige Original aus dem Berlin-West, der Bahnhof Zoo nur noch ein Provinzbahnhof ist. Wie in Osnabrück eben. Man muss nun wirklich nicht von Osnabrück nach Berlin fahren, um dann an einem Bahnhof aussteigen zu müssen, der noch toter als der in Osnabrück ist um dann auf einen Platz zu schauen, der sich von einem in Osnabrück nur durch die Anzahl der Linksabiegerspuren unterscheidet. Den Menschen auf den Strassen und in den Cafés sieht man machmal so etwas still sehnsüchtiges an, das vielleicht mit der trotzigen Aussage: "Aber früher war doch auch schön", noch am besten umschrieben ist. Deswegen haben manche Institutionen des West-Berliner Nachtlebens auch noch Namen aus der Zeit, als man Westen noch mehr los war. "Schwarzes Café", "Café King" oder eben die "Paris Bar". Fehlt eigentlich nur die "„Mampe Stube“, aber die ist schon vor vielen Jahren einer Touristenfalle namens "Marché Markt" zum Opfer gefallen.

Es gibt viele Vergleiche, die ich in den letzten Jahren über West-Berlin gehört habe. "Wie ein Kühlschrank von hinten", oder "...da kann man ja gleich nach Göttingen ziehen." Das ist natürlich alles nicht so richtig wahr, denn West-Berlin ist den meisten Städten Deutschlands immer noch um Längen veraus. Aber vielleicht hätte man West-Berlin einfach im Muff der 70er und 80er Jahre lassen sollen, anstatt überall verzweifelte Glasbauten hoch zu ziehen, die sich beim Anblick der Betonwürste um sie herum vermutlich auch ein wenig schämen. Vielleicht war die Idee von Mehdorn gar nicht so schlecht, den Bahnhof dicht zu machen, weil die Gegend so die Möglichkeit hätte ein wenig konserviert zu werden. Zumindest so lange, bis die Mieten im Osten der Stadt so unerträglich hoch sind, dass die ersten Szenekneipen nach West-Berlin ziehen um sich halb fasziniert, halb amüsiert in der Ford Granada Atmosphäre niederzulassen. Also - vergesst diesen Riesenraddings, dass da am Zoo gebaut werden soll, reißt die beschissene Leuchtreklame ab und lasst West-Berlin einfach die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre in seinem Saft schmoren.