Montag, 24. März 2008

Olympisches Feuer entfacht

Große Freude an vielen Orten der Welt

So kann man es natürlich sehen und die Sache auch stehen lassen.

Man kann (sollte) die Sache aber auch etwas differenzierter betrachten. So wie Georg Blume in der Zeit oder ein paar Ecken weiter im <a href=zuender.zeit.de">Zeit-Zünder. Das blöde ist halt, dass es kaum Quellen aus dem Gebiet gibt, was die Sache undurchschaubar macht. Beide Seiten, Chinesen und Tibeter, verfügen über eine gut funktionierende Medienmaschine, die gerade auf Hochtouren läuft, und die Unterscheidung zwischen echten Informationen und fragwürdigen Berichten ist deswegen nicht leicht. Da wären zum Beispiel die Fotos von erschossenen bzw. toten Tibetern (kann man hier sehen, ist aber nichts für empfindliche Menschen). In der Erklärung von "freetibet.org" heißt es nämlich nur:

The photos, which clearly show gunshot wounds, were taken on Sunday night and Monday morning at Kirtii monastery. As Free Tibet Campaign reported on 16 March 2008 (release below) an eyewitness told Free Tibet Campaign's contact in Dharamsala that he had seen Chinese security forces fire into the crowd of Tibetan protesters and that he had seen 13 Tibetans killed as a result of the firing. Other eyewitnesses reported seeing 30 Tibetans shot dead.

These photos, together with the eyewitness statement, provide conclusive force that lethal force was used at Aba town by the Chinese security forces on 16 March 2008.

Das Problem ist, dass es sich um Infos um drei Ecken handelt. Jemand schreibt, er habe mit jemanden gesprochen, der gesehen habe... usw. Die Fotos selber könnten sonst woher stammen. Es wird nicht deutlich wo und schon gar nicht wann sie gemacht wurden. Handelt es sich um Demonstranten? Kein Mensch weiß das. Die Toten sind teilweise nackt oder in normaler Straßenkleidung. Da steht nur, dass sie von "Chinese Force" erschossen wurden. Das mag so gewesen sein, aber ohne genaue Angaben ist das halt nicht wirklich klar.

Die einzigen Quellen, die es zur Zeit offenbar gibt, laufen zu dem über die üblichen Seiten wie Freetibet oder phayul.com. Feetibet sitzt in London, phayul wird zumindest in Indien gehostet, der Registrant hat sich vorsichtshalber mit einer Domain by proxy geschützt. Daraus ziehen die meisten Medien ihre Infos und auf Seiten wie "reddit" oder "digg" tauchen genau diese Fotos mit widersprüchlichen und unterschiedlichen Angaben immer wieder auf.

Ich will nicht behaupten, dass in Tibet und anderen Regionen nicht der Teufel los ist. Es wäre im übrigen auch nicht das erste Mal, dass da was hochkocht. Die Jahre zuvor gab es schon Probleme mit den Falun Gong Anhängern. John Robb hatte 2006 schon so eine Ahnung, als er darüber schrieb, dass die heißlaufende chinesische Wirtschaft sich zu sehr auf wenige Bereiche des Landes bezieht, während vor allem die Bezirke im Hinterland vom Aufschwung nichts mitbekommen. Deswegen habe die chinesischer Regierung schon vor ein paar Jahren damit angefangen, paramilitärische Einheiten aufzustellen, die jetzt wohl auch in Tibet und den angrenzenden Landesteilen unterwegs ist. Mit anderen Worten: offenbar köchelt es im chinesischen Hinterland unter anderem aus klassisch kaptalistischen Gründen. Die Leute hätte gerne mal vom vielen Geld ab, dass man zwischen Peking und Hongkong hortet. Auch sollte man nicht vergessen, dass die Chinesen auf ein paar Milliarden Dollar in Form von US-Staatsanleihen sitzten, die gerade mit dem Dollarkurs den Bach runter gehen.

Das Problem ist also bei weitem nicht nur in Tibet existent, die Tibetaner sind halt nur besser vernetzt und haben außerhalb von China eine große Lobby. Aus den anderen Provinzen in denen es laut offizieller chinesischer Sprachreglung durchaus ähnliche Probleme gibt, hört und vor allem sieht man nichts. Die Chinesen sind es aber auch selber schuld, wenn sie die Stimmung jetzt weltweit gegen sie wendet. Wenn man alle Journalisten aus einer Provinz ausweist, muss man sich nicht wundern, wenn im Internet die Stimmung hoch kocht und sich noch weiter gegen China wendet. Zudem: wer keine freie Berichterstattung zu läßt, der hat etwas zu verbergen. In dem Fall ist es dann wirklich recht einfach.

Trotzdem sollte man bei der mauen Quellenlage vorsichtig sein, was man glaubt, und was nicht.

Permalink

 


Sonntag, 23. März 2008

Sonntagnachmittagsmusik VII

Barry Ryan - Eloise

Das mit weitem Abstand pathetischste Stück Musik aus den späten 60er Jahren (1968). Was zum einen am Einsatz eines montrösen Orchesters liegt, zum anderen aber am Text, der irgendwo zwischen einer verlorenen Liebe und den Gedanken eines Stalkers kreist. Das Lied kippt den Pathos also schon mal eimerweise aus den Lautsprechern, aber das Video setzt dann tatsächlich noch mal einen drauf. Da ist wirklich fast alles drin, was man reinpacken kann. Frau, Wind, fliegende Haare, Meer, Pferde, Reiten, Selbstmord. Ganz offensichtlich hatte der Regisseur für den Dreh auch extra ein paar neue Filter für die Kamera erworben, die wohl so teuer waren, dass das Makeup dafür wegfallen musste. Von Ryan selber hat man seit damals auch nichts mehr gehört, was irgendwie schade ist, denn singen konnte er offensichtlich. Klassisches "One-Hit-Wonder" der heute in England mit diesem und ein paar anderen, weniger bekannten Songs, in Oldie-Shows auftritt.

Eigentlich müsste man denken, dass das Lied quasi eine Steilvorlage für jede Punk/Speedmetal Band ist. Komischerweise gibt es aber kaum (mir bekannte) Coverversionen. The Damned haben es versucht. (Obacht! Hier ebenfalls schlimme Frisuren und es wird reichlich geknödelt). Dann gibt es da noch die spanische Version von Tino Casal, eine Art...hmmm... Liberace des spanischen Pop, der an der Nummer nicht vorbei gehen konnte. Hier geht es immerhin mit der Stimme, ich würde aber empfehlen sich nicht auf das Stück, sondern auf die Kostüme und Frisuren der Band zu konzentrieren.

Permalink

 


Mittwoch, 19. März 2008
Angst zu schüren ist also nicht nur kontraproduktiv, sondern hochgradig gefährlich. Wir treiben unseren Kindern nicht die Angst aus, um sie ihnen im Erwachsenenalter wieder einzutrichtern. Und trotzdem instrumentalisiert der Staat immer wieder die Angst, infiziert die Gesellschaft mit ihr, um seine Macht zu bestätigen und zu erweitern. Der Staat ist ein Angstgewinnler. Der Bürger ist ein besonders tragischer Hans im Glück, denn er gibt sein wertvollstes Gut auf und erhält dafür eine Schimäre. Nicht nur kann kein Staat der Welt ihn gegen jedwede Gewalt schützen, sondern er wird potenziell Opfer einer neuen, viel größeren Gewalt, will heißen der Staatsgewalt, die in dem Ausmaße wächst, in welchem der Bürger sich seine Freiheit hat abnehmen lassen.

Sehr lesenswerter Artikel im Standard

Permalink

 


So - ich hab jetzt auch mal in diese "Feuchtgebiete" reingelesen und wieder weggelegt. Also dieses Buch von der Roche, von dem alle reden. Ich wollte sehr viel dazu schreiben - zum Beispiel, dass ich bei Roche schon immer dachte, dass ihr Körpergeruch vermutlich unter den Begriff "anstrengend" fällt. Was gemein ist, denn ich hab noch nicht an ihr rumgeschnuppert (und es auch nicht vor) und außerdem ist es irgendwie auch ein wenig schlecht über Dinge Vermutungen anzustellen, die erst mal gar nichts mit den literarischen Fähigkeiten zu tun haben. Ich kannte mal einen Theaterautoren, der stank wie die Hölle, einfach unerträglich, war aber sehr erfolgreich. Und dann war da noch der Typ aus dieser recht bekannten Band in Köln, der immer Essensreste im Bart und sonstwo hatte, und ich meine wirklich immer, manchmal hingen die ein paar Tage drin, bis sie halt vertrocknet waren und rausfielen. Hat seinem Erfolg bei den Frauen nur minimal eingeschränkt. Aber darüber schreibe ich jetzt nicht, denn das hat Malte neulich schon schön zusammengefasst.

Worüber ich aber noch ein Wort verlieren möchte ist der Sex. Warum können deutsche Autoren nicht so über Sex schreiben, dass man bei näherer Betrachtung auf den Gedanken kommen könnte, die Sache würde unter speziellen Umständen auch mal Spaß machen? In deutschen Büchern wird der Sex ganz weggelassen, oder spielt vor einem Bergpanorama ("Heidi!" - "Ziegenpeter!" - "Großvater!"), oder er ist stilistisches Mittel um den nahenden Selbstmord zu rechtfertigen (Frauenliteratur, DDR), oder er ist ein Geschenk, über den sich der Mann wie ein kleiner Junge zu Weihnachten freut (Joseph von Westphalen) oder die sexuelle Berichterstattung wird möglichst ekelerregend formuliert, damit ja nicht der Verdacht aufkommen würde, es könne auch mal was nettes sein (Jörg Fauser, Frau Roche). Vielleicht sollte man das mal machen - den Roman schreiben, in dem alle fürchterlich gerne Sex haben, einfach so, ohne daran zu denken, wie doof man beim Sex aussieht, oder was man so an Körperflüssigkeiten vermengt und wie die wohl schmecken, wenn man... usw. Vermutlich ist das aber langweilig und keiner wills lesen.

Permalink

 


Sonntag, 16. März 2008
Jeder hat sie. Gesellschaftlich ist es vielleicht nicht so schick, wenn man seine Angst zeigt, aber wegzaubern kann man sich auch nicht. Dem einen rutscht das Herz vor einer Prüfung in die Hose, dem anderen packt die Panik, wenn es darum geht einen Berg zu erklimmen. Angst ist allergegenwärtig. Sie steuert uns, sie behindert uns, aber sie hilft uns auch dabei lebensgefährliche Fehler zu begehen. Angst, Sex und Hunger sind die drei Dinge, die uns fast täglich beschäftigen.

Da lag es nahe, mal eine Ausgabe zu diesem Thema ins Netz zu stellen. Ich war selber vorher gespannt, welcher Autor etwas schreiben würde, und wer mit welcher Geschichte aufwartet. Das es weniger als sonst sind, hat mich nicht überrascht. Manchen Autoren fiel zum Thema nichts ein, mancher wollte sich nicht damit beschäftigen. "Wenn ich da anfange zu wühlen, " schrieb mir eine Autorin, "dann kann ich gleich wieder in Therapie gehen."

Daher gilt den Autoren, die sich getraut haben, in diesem Monat ein ganz besonderer Dank. Insbesondere möchte ich Glamourdick danken, der die Titelgeschichte liefert.

Eine weitere Ankündigung: Eine Autoren von "Mindestenshaltbar" werden demnächst live auf der Bühne lesen. Am 05.04.08 gibt es eine "Mindestenshaltbar" Lesung. Zugesagt haben bisher:

Jochenausberlin Björn Grau Maike Axel Wegner Ally Klein Modeste Susanne Englmayer

Ort: Ori Friedelstraße 8 Berlin-Neukölln 20.00 Uhr

Ein Banner folgt noch am nächsten Wochenende.

Permalink

 


Nächste Seite