Wenn man Sonntagabends mit der Tram die Friedrichshain mit Prenzlauer Berg verbindet, nach Hause fährt, dann sieht man das ganze Elend der modernen, vergnügten Patchworkfamilien. Die ganze Bahn ist voll gepackt mit Vätern, die ihre vier bis achtjährigen Kinder nach Hause bringen. Zu den Müttern in den Prenzlauer Berg, die nach der Trennung in der alten Wohnung geblieben sind, während er nach F'hain gezogen ist, weil die Wohnungen da ja ein wenig billiger sind, und er so die Unterhaltskosten aufbringen kann. Geballte Traurigkeit, die da aus den Kinderrücksäcken mit den Handtüchern, Spielzeugen und Stoffbären raus quillt. Verzweiflung pur, wenn das Kind, auf dem Sitz hockt, ganz still, den Kasten mit dem Meerschweinchen festhaltend, während die kleinen Füßchen haltlos knapp über dem Boden hängen. Die Väter, die sich an die Haltestangen klammern, dem Kind noch hier und da was mit auf dem Weg geben wollen und dafür fünf Mal den Mund öffnen, bis sie einen Satz sagen können, den das Kind dann schweigend zur Kenntnis nimmt. Man kann das Seufzen hören, das Nachdenken, man kann die Risse sehen, die Angst, die Traurigkeit, dass die schöne Zeit wieder vorbei ist und das permanente Unverständnis in den Kinderaugen. An jeder Station zwischen „Warschauer Strasse“ und „Eberswalder Strasse“ kann man die leisen Worte „Wir müssen jetzt aussteigen“ hören. Dann sucht der Vater die Hand des Kindes, nimmt sie fest und führt es raus, die letzten Meter zur Wohnung, die sie schweigend gehen. Am Ende hört man ein „Danke, war schön, Papi“ und „Bis bald mein Schatz“ und die Schultern sinken bei beiden ein wenig tiefer.
Was ich im deutschen Kino wirklich vermisse, dass sind Stars. So richtige Stars, die sich auch dementsprechend verhalten. Ich vermisse einen Gert Fröbe, und einen Curd Jürgens sowieso, der gelangweilt am Jet-Set Leben teilnimmt und noch so was wie ein Gentleman war. Oder die Knef, die versoffene Gestalt, die so unfassbar gut war und, wenn sie gesungen hat, und Marlene Dietrich den Schneid abkaufen konnte. Ich vermisse selbst einen jungen Fuchsberger oder einen lamoryanten Peter van Eyck mit seiner Nazifrisur. Und wo ist eine Romy Schneider? Stattdessen Daniel Brühl und Juila Jentsch. Hmpf.

vor angstglück entnacktet bis aufs skelett knackt an deiner spur im schnee mein seelenbau dünnhäutig wie das allererste eis
Daria Einbacher
Das ist natürlich alles ganz schlimm, da unten da, mit der/die/das Tsunami. Ich bin auch schlimm, denn ich hab die Sache weitesgehend ignoriert, weil ich mal Ruhe haben wollte, keine Welt, die gerade irgendwo zusammebricht, nur meine kleine, halbwegs heile Welt aus Schlaf und Denkstille wollte ich haben. Ich hab das alles kaum realisiert, weil ich mir dachte, dass man dauernd irgendwo, irgendwelche Eingeborenen bei schlechtem Wetter auf ihren Dächern sitzen sieht, nur das diesmal die Dächer auch weg waren. Das ist natürlich schlimm egoistisch und ethisch unkorrekt. Wenn ich auf meinen Dach sitzen müsste,wäre ich auch froh, wenn das jemanden interessiert.Deswegen habe ich mir dann nach meiner Rückkehr erstmal alle Tsunami Videos im Netz angeschaut, derer ich habhaft werden konnte. Dabei fiel mir auf:
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Wenn das Meer eine halbe Stunde lang weg ist, wieso wundert man sich dann nicht und geht dem Meer auch noch nach? "Mutti, das Meer ist, weg, ich geh mal nachsehen, wir haben ja schließlich für Urlaub am Meer bezahlt." (Vergl. Wattwanderer bei Nebel ohne Tidenkalender)
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Der wohl blödeste Satz, den ich in einem Crawl (Laufband im TV unten) bei n-tv gelesen habe, der direkt auf die Todeszahlen folgte: "Viele Touristen verloren ihr ganzes Gepäck".
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Je schneller die Gala, desto größer der Wert auf der offenen Betroffenheitsskala. Achja, ARDZDFSAT1: "Gala [spanisch »Prunkkleidung«] die, ursprünglich Bezeichnung für die höfische Festkleidung; heute allgemein für einen besonderen Anlass vorgeschriebene festliche Kleidung; auch: Theater-, Opernaufführung, Auftritt von Unterhaltungskünstlern o.Ä. (in festlichem Rahmen), Galavorstellung." Zu feiern gab es da ja wohl nichts. Außerdem: Wäre es nicht besser, wenn man die halbe Millionen Euro, die sowas kostet, nicht lieber direkt spendet? Braucht es André Rieu um Menschen zu trösten?
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Bisher nur einen schlechten Witz über die Welle gehört (FDP Chef nennt sich aus Respekt vor den Opfern nur noch Guido Wester)
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Bisher noch keine Verschwörungstheorien gehört (Das waren die Amis! Denen ist ein völlig neuartiges U-Boot explodiert, mit dem sie durch die Erdkruste fahren können. Deswegen haben die auch so lange gebraucht, bis die reagiert haben, weil die erstmal alles vertuschen mussten. Oder so)
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Spenden per Telefon beruhigt nicht so sehr das Gewissen, wie einen Geldschein zur Bank tragen.
Oh - ich bin Vater geworden. Danke auch an Frau Kasi!
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