Ich hab die SZ seit Jahren im Abo. Früher mal im Vollabo, jetzt nur noch in einem Wochenendabo. Immerhin komme ich so dazu alle drei Wochen mal das SZ-Magazin zu lesen. Oder die Seite drei. Aber ich hab mein SZ-Abo jetzt gekündigt. Und ich hoffe mal, ich werde nicht der Letzte aus dem Netz sein, der das macht.
Die SZ und das Internet - das fing nach dem Relaunch in diesem Jahr recht vielversprechend an. Immerhin hat man sich ernsthaft Gedanken gemacht, wie man die SZ vernünftig im Netz repräsentieren kann und dann war man auch noch so mutig, Kommentare unter den Artikeln zuzulassen. Doch im Laufe der Zeit ließ die SZ-online immer mehr nach. Statt Infos gab es nur noch ellenlange Klickstrecken, die null Information weitertrugen. Manchmal gab es nicht mal eine Bildunterschrift. Ich hab noch nicht mal was gegen Bilder-Klickstrecken. Wenn sie gut gemacht, wenn es schöne Bilder sind, warum nicht. Dann klicke ich mich auch durch 50 Seiten, wenn es denn sein muss. Aber Bilder, deren Größe gerade mal 400 Pixel haben? Und dann diese erzwungenen Bildstrecken, nur um ein paar tausend Klicks zu bekommen. So wie heute (ich verlink den Mist nicht), wo man in einer dreißig Bilder umfassenden Klickstrecke die Gehälter von Top-Managern vorstellt. Eine Tabelle wäre weitaus informativer gewesen. Vermutlich wird irgendjemand von der SZ zu so einer Strecke sagen: "Die Leser wollen eine größere emotionale Bindung zu den Nachrichten..." oder irgendein anderer Quatsch wie "multimediales Erlebnisgefühl". Tatsache ist, dass man mal wieder ein paar Klicks in die Excel Tabelle eintragen kann, und schon kann man bei den nächsten Quartalszahlen sagen: "Seht her, wir haben zugelegt." Das ist natürlich Quatsch, aber wenn es halt glauben mag - bitte. Aber, liebe SZ, nicht mal Sponline ist eine derartige Klickhure. Das sollte einen eigentlich zu denken geben.
Aber das ist nicht mal der Hauptgrund, warum ich mein Abo kündige. Den hat die SZ diese Woche geliefert, als sie allen Ernstes schrieb:
"Wir wollen die Qualität der Nutzerdiskussionen stärker moderieren. Bitte haben Sie deshalb Verständnis, dass wir die Kommentare ab 19 Uhr bis 8 Uhr des Folgetages einfrieren. In dieser Zeit können keine Kommentare geschrieben werden. Dieser "Freeze" gilt auch für Wochenenden (Freitag 19 Uhr bis Montag 8 Uhr) und für Feiertage."
Die SZ hat also den Ladenschluss wieder eingeführt. Offenbar arbeitet dort auch niemand mehr nach 19 Uhr. Es ist unfassbar, aber die SZ hat nicht mal die Lust dazu, sich zwei oder drei Praktikanten zu nehmen, die die Kommentare auch nachts durchforsten. Sie sind nicht mal auf die Idee gekommen, sich jemanden aus der Community zu nehmen, der das vielleicht sogar noch umsonst gemacht hätte. Das zeigt, dass der SZ die Kommentare völlig wurscht sind. Mehr noch- sie sind ein Ärgernis. Offenbar hat SZ die Leserkommentare nur deswegen eingeführt, weil es eben mehr Klicks bringt, denn wer kommentiert muss automatisch mehr klicken. Dass nicht alle Leser nett sind, dass nicht auch nicht alle SZ Leser gut erzogen sind, darüber war in München offenbar überrascht.
Doch es ist nicht nur die Schließung, die mich zur Abo-Kündigung bewegt hat. Es ist viel mehr die widerwärtige Weicheiigkeit der gesamten Redaktion, die mich ankotzt und mit der ich nichts mehr zu tun haben möchte. Ausgerechnet in der Woche, in der Stefan Niggemeier ein für die Meinungsfreiheit in Deutschland verheerendes Urteil kassieren muss, ausgerechnet in dieser Woche zieht die SZ den Schwanz ein und sperrt die Kommentare. Statt den Kopf zu schütteln, statt die Brust rauszustrecken und zu sagen "So nicht!", zieht sich die SZ und mit ihr offenbar auch die gesamte Redaktion wie ein geprügelter Hund in die Ecke zurück.
Warum soll ich eine Zeitung lesen, die offenbar bei der kleinsten Auseinandersetzung lieber erst mal in Deckung geht? Versteht man unter "Qualitäts-Journalismus" jetzt, dass man das nichts mehr sagt, bis die Luft wieder rein ist? Dass man brav alles hinnimmt, was Gerichte und Regierungen so beschließen? Die SZ mag weiterhin inhaltlich in ihrer Printausgabe einer der besten Zeitungen in Deutschland sein, doch mit dem Verhalten, dass sie im Netz an den Tag legen, kann sie einfach nicht mehr ernst nehmen.