Weg mit den Verlagen, her mit den Redakteuren

Ich habe mich ja in den letzten Jahren an dieser Stelle immer wieder gerne mal mit den Kollegen der Holzausgaben beschäftigt und die Kiste "Blogger vs. Journalisten" aufgemacht. Teilweise zurecht, teilweise, weil es Spaß gemacht hat. Meistens, jedenfalls. Und ich bin ja bekanntermaßen nicht der einzige gewesen, der sich am klassischen Journalismus gerieben hat.

Wobei die Schlacht im Grunde geschlagen ist. Print ist nicht tot, wird es auch nie sein, aber der wichtige Tageszeitungsjournalismus muss sich ein anderes Geschäftsmodell suchen, während der Online-Journalismus überhaupt erst mal eins finden muss, was nicht allein auf Werbung basiert. Aber um Aussichten geht es mir nicht alleine. Mir geht es um den Journalismus an sich.

Denn der steht unter Druck. Zum Beispiel, weil die Redaktionen massiv ausgedünnt werden. Ob so mancher Verlag die Gunst der Finanzkrise und deren schlechten Nachrichten nutzt, um einen Stellenabbau zu Gunsten stabiler Gewinne durch zu führen, ist eine andere Frage die ich nicht beantworten kann, aber das unterschwellige Gefühl bleibt da schon, dass da mancher Verlagsmanager sehr betriebswirtschaftlich denkt. Auf der anderen Seite gerät der Journalismus seitens der Gesetzgebung unter Druck. Den Sonderstatus in Sachen Informatenschutz ist man eh schon los, jetzt kann man auch noch genauso überwacht werden, wie jeder andere auch. Die zunehmende Boulevardisierung vieler Bereiche hilft der Glaubwürdigkeit auch nicht.

Selber schuld. kann man da sagen. Wer sich erst jahrelang am Büffet mit vollgefressen hat, wer jedwede Kritikfähigkeit verloren hat, sich auf das "Hintergrundgespräch" Spiel einließ und sich auf diesem Weg hat einlullen lassen, der hat es auch nicht anders verdient, der ist halt zu nett gewesen. Das gilt auch in Richtung der Arbeitgeber. Wer seit Jahrzehnten jeden Arbeitsplatzabbau mitgemacht hat ohne aufzumucken, wer Redaktionsumbauten hat durchgehen lassen, wer stillschweigend daneben stand, als Kompetenzen beschnitten, erfahrene Kollegen abgeschoben wurden und einzelnen Redakteuren so viel aufgebürdet wurde, dass diese kaum noch vernünftig arbeiten konnten... ja, der hat es halt nicht anders verdient. Oder hat irgendeine Redaktion eines großen Verlages in den letzten Jahren mal komplett die Arbeit eingestellt, weil man mittels eines Streiks auf die sich verschlimmernden Zustände aufmerksam machen wollte? Gab es eine Verlags-übergreifende Solidarität? Hat irgendeine Zeitung den Fehdehandschuh aufgenommen, den ihr Schäuble und Co ins Gesicht geworfen hat? Ich meine jetzt nicht nur für einen Artikel auf Seite 234, sondern richtig, mit einer laufenden, sich wiederholenden Berichterstattung. Das alles sind (einige) Gründe dafür, den klassischen Journalismus sang- und klanglos untergehen zu lassen. Doch das wäre ein Fehler.

Egal, wie miserabel sich der Journalismus in den letzten Jahren verhalten hat, es geht nicht ohne ihn. Damit meine ich nicht den Journalismus einer gedruckten Tageszeitung. Die wird zwangsläufig verschwinden, weil die Leute ihre Nachrichten mehr und mehr aus dem Netz holen. Aber es braucht starke Onlineredaktionen. Es braucht Marken, journalistische Marken, denen man vertrauen kann. Denn "Spiegel", "Stern" und Co werden für den größten Teil der Bevölkerung immer noch vertrauenswürdiger sein, als einzelne Blogs. Blogs funktionieren für eine Info-Elite, RSS-artige Systeme ersetzten den Nachrichtenticker, aber jemand, der sich für Nachrichten nur am Rande interessiert, oder der nicht weiß, was bei Firefox ein Addon ist (und davon gibt es mehr als man denkt), der wird sich nicht durch die Blogwelt wühlen, sondern, wenn überhaupt online, dann bei den bekannten Marken suchen. Nur ist kaum davon auszugehen, dass die Verlage ihre Onlineredaktionen und Journalisten besser bzw. anders behandeln werden.

Die Frage, die mir seit einiger Zeit durch den Kopf geht: Muss man den Journalismus aus den Händen der Verlage nehmen? Sollte man sich ein Beispiel an der "Brand Eins" nehmen, wo eine engagierte Mannschaft außerhalb der Verlagswelt ein vernünftiges Produkt auf die Beine stellt? Brand Eins funktioniert als Printprodukt ganz hervorragen, aber klappt so etwas auch mit anderen Angeboten? Ist Brand Eins eine Vorlage für modernen und unabhängigen Journalismus, wie dringend benötigt wird?

Die Frage ist auch: Kann sich der Journalismus, so wie er jetzt in vielen Bereichen vor sich hinvegetiert, noch aus der wirtschaftlichen Umklammerung der Verlage retten? Und was müsste dafür getan werden. Ich hatte neulich den etwas fatalistischen Gedanken, dass die Radikalkur, die der internationale Journalismus gerade durch macht, gar nicht so schlecht ist. Denn viele der entlassenen Redakteure werden sich logischerweise im Netz versuchen und schauen, was dort so geht. Das im letzten Jahr viele interessante Fachblogs aufgetaucht sind, spricht für die These, dass sich hier etwas tun wird.

Ein moderner Journalismus kann sehr gut im Netz und ohne Verlage überleben, da die Kosten deutlich niedriger liegen als bei einem gedruckten Exemplar einer Zeitung. Auch wenn die Erlös- und Vermarktungsituation im Moment für Seiten unterhalb von 500.000 1 Mio Uniques noch unbefriedigend ist - ewig wird dies nicht so sein. Es ist noch Zukunftsmusik, aber ich bin durchaus der Meinung, dass sich dezentrale Redaktionskonzepte dank immer einfacher CMS Systeme in Zukunft durchsetzen werden und in Konkurrenz zum etablierten Verlagsgedanken treten werden. Und genau hier liegt da auch wieder die Chance, dem Journalismus in Deutschland neues Leben einzuhauchen. Das die Übergangsphase nicht leicht wird, ist klar und es ist bedauerlich, dass ausgerechnet jetzt, wo man einen starken Journalismus mehr denn je benötigt, dieser, zumindest in vielen Bereichen des Tagesgeschäftes, kaum noch wahrnehmbar ist. Hilfreich für eine Demokratie ist das nicht, womit ich wieder bei meiner Ausgangsthese wäre - wir brauchen einen starken Journalismus.

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Ich mag übrigens auch gerne den “Kommissar” mit Erik Ode und bekomme dann glasige Augen, wenn die im VW Käfer und natürlich in schwarzweiß auf Gangsterjagd gehen. Daraus abzuleiten, das Fernsehen wieder schwarzweiß zu machen und den Sendeschluss neu aufzulegen, würde ich deswegen nicht kommen.

cjakubetz über die immer noch herrschende Realtitätverweigerung in manchen Verlagen.

Die kann ich auch bestätigen und zu meiner großen Überraschung fand ich diese Verweigerung häufig auch bei Journalistenschülern. Ob nun bei in der Axel-Springer-Akademie, wo ich mir mal zum Thema Online-Journalismus/Blogs den Mund fusselig geredet habe, oder bei den regelmäßigen Schulungen, die für die DAA mache - die Onlinekompetenz der meisten Leute, die sich für das Thema Journalismus interessieren, hält sich in sehr engen Grenzen. Auch und vor allem in Sachen Online-Recherche. Das Google eine Zwangsumleitung auf die deutschen Seiten ist den meisten noch bekannt, dass man die mit google.com/ncr umgehen kann schon nicht mehr.

Dazu kommt häufig eine ungeahnte Arroganz. Man sei schließlich Journalist und habe eine Ausbildung erhalten, um auswählen zu können, welche Nachrichten und in welcher Form man diese an die Leserschaft weitergibt. Eine Schüler meinte zu mir mal in großer Runde: "Die [gemeint sind die Leser] haben doch keine Ahnung. Denen muss man alles auf niedrigen Niveau erklären." Meinen Einwand, das Internet würde die oft einseitige und flache Berichterstattung allein dadurch verändern, weil die Leser mehr und bessere Informationen dort finden würden, wischte der Kollege mit dem Satz vom Tisch, dass die doch gar keine Zeit hätten, sich mit sowas zu beschäftigen.

Die neue ARD/ZDF Onlinestudie zeigt deutlich, wo die Reise hingeht. Dabei sind es nicht mal die Zahlen bei den 14 bis 20jährigen, die mich als Printmensch nervös machen würden. Dass dort über 90% mittlerweile online sind, ist wohl eher normal. Aber das bei den über 60jährigen, ich sag mal der Kernzielgruppe der Tageszeitungen, die Zahlen sich dramatisch verändert haben, sollte den Verlagen zu denken geben. 2000 waren gerade mal 4,4% online, 2008 sind es schon über 25%. Wenn die anfangen, ihre Informationen online zu suchen, dann dürfte das die Verlage erst recht schmerzen.

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Ich hab die SZ seit Jahren im Abo. Früher mal im Vollabo, jetzt nur noch in einem Wochenendabo. Immerhin komme ich so dazu alle drei Wochen mal das SZ-Magazin zu lesen. Oder die Seite drei. Aber ich hab mein SZ-Abo jetzt gekündigt. Und ich hoffe mal, ich werde nicht der Letzte aus dem Netz sein, der das macht.

Die SZ und das Internet - das fing nach dem Relaunch in diesem Jahr recht vielversprechend an. Immerhin hat man sich ernsthaft Gedanken gemacht, wie man die SZ vernünftig im Netz repräsentieren kann und dann war man auch noch so mutig, Kommentare unter den Artikeln zuzulassen. Doch im Laufe der Zeit ließ die SZ-online immer mehr nach. Statt Infos gab es nur noch ellenlange Klickstrecken, die null Information weitertrugen. Manchmal gab es nicht mal eine Bildunterschrift. Ich hab noch nicht mal was gegen Bilder-Klickstrecken. Wenn sie gut gemacht, wenn es schöne Bilder sind, warum nicht. Dann klicke ich mich auch durch 50 Seiten, wenn es denn sein muss. Aber Bilder, deren Größe gerade mal 400 Pixel haben? Und dann diese erzwungenen Bildstrecken, nur um ein paar tausend Klicks zu bekommen. So wie heute (ich verlink den Mist nicht), wo man in einer dreißig Bilder umfassenden Klickstrecke die Gehälter von Top-Managern vorstellt. Eine Tabelle wäre weitaus informativer gewesen. Vermutlich wird irgendjemand von der SZ zu so einer Strecke sagen: "Die Leser wollen eine größere emotionale Bindung zu den Nachrichten..." oder irgendein anderer Quatsch wie "multimediales Erlebnisgefühl". Tatsache ist, dass man mal wieder ein paar Klicks in die Excel Tabelle eintragen kann, und schon kann man bei den nächsten Quartalszahlen sagen: "Seht her, wir haben zugelegt." Das ist natürlich Quatsch, aber wenn es halt glauben mag - bitte. Aber, liebe SZ, nicht mal Sponline ist eine derartige Klickhure. Das sollte einen eigentlich zu denken geben.

Aber das ist nicht mal der Hauptgrund, warum ich mein Abo kündige. Den hat die SZ diese Woche geliefert, als sie allen Ernstes schrieb:

"Wir wollen die Qualität der Nutzerdiskussionen stärker moderieren. Bitte haben Sie deshalb Verständnis, dass wir die Kommentare ab 19 Uhr bis 8 Uhr des Folgetages einfrieren. In dieser Zeit können keine Kommentare geschrieben werden. Dieser "Freeze" gilt auch für Wochenenden (Freitag 19 Uhr bis Montag 8 Uhr) und für Feiertage."

Die SZ hat also den Ladenschluss wieder eingeführt. Offenbar arbeitet dort auch niemand mehr nach 19 Uhr. Es ist unfassbar, aber die SZ hat nicht mal die Lust dazu, sich zwei oder drei Praktikanten zu nehmen, die die Kommentare auch nachts durchforsten. Sie sind nicht mal auf die Idee gekommen, sich jemanden aus der Community zu nehmen, der das vielleicht sogar noch umsonst gemacht hätte. Das zeigt, dass der SZ die Kommentare völlig wurscht sind. Mehr noch- sie sind ein Ärgernis. Offenbar hat SZ die Leserkommentare nur deswegen eingeführt, weil es eben mehr Klicks bringt, denn wer kommentiert muss automatisch mehr klicken. Dass nicht alle Leser nett sind, dass nicht auch nicht alle SZ Leser gut erzogen sind, darüber war in München offenbar überrascht.

Doch es ist nicht nur die Schließung, die mich zur Abo-Kündigung bewegt hat. Es ist viel mehr die widerwärtige Weicheiigkeit der gesamten Redaktion, die mich ankotzt und mit der ich nichts mehr zu tun haben möchte. Ausgerechnet in der Woche, in der Stefan Niggemeier ein für die Meinungsfreiheit in Deutschland verheerendes Urteil kassieren muss, ausgerechnet in dieser Woche zieht die SZ den Schwanz ein und sperrt die Kommentare. Statt den Kopf zu schütteln, statt die Brust rauszustrecken und zu sagen "So nicht!", zieht sich die SZ und mit ihr offenbar auch die gesamte Redaktion wie ein geprügelter Hund in die Ecke zurück.

Warum soll ich eine Zeitung lesen, die offenbar bei der kleinsten Auseinandersetzung lieber erst mal in Deckung geht? Versteht man unter "Qualitäts-Journalismus" jetzt, dass man das nichts mehr sagt, bis die Luft wieder rein ist? Dass man brav alles hinnimmt, was Gerichte und Regierungen so beschließen? Die SZ mag weiterhin inhaltlich in ihrer Printausgabe einer der besten Zeitungen in Deutschland sein, doch mit dem Verhalten, dass sie im Netz an den Tag legen, kann sie einfach nicht mehr ernst nehmen.

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Man könnte ja sagen: "Wenn ich mir so ansehe, was Bill O'Reilly jeden Abend bei FoxNews so absondert, wird mir jedes mal schlecht. Und ich bin sehr, sehr froh, dass die deutschen Privatsender immer noch der Meinung sind, dass man mit seichten Soaps und lustigen Spielen Quote machen will, statt mit Demagogie." Ja, das könnte man so sagen.

Auf der anderen Seite: "Je mehr Krach die eine Seite macht, desto mehr Widerstand erfährt sie auch. Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn es im deutschen Fernsehen mal wieder so etwas wie das "ZDF Magazin" geben würde. Oder jemanden wie Keith Olbermann, um mal nicht zu vergessen, dass auch die linke Seite so was könnte."

Aber vor allem wäre es gut, wenn überhaupt etwas passieren würde. Es ist eine Schande für den deutschen Journalismus, wie man mit dem Thema der Vorratsdatenspeicherung und anderen Themen im Rahmen der Überwachung umgeht. Wenn Thomas Knüwer schreibt, die Abgeordneten hätten nicht die Eier das deutsche Volk vertreten zu können, dann gilt das für die deutsche Presselandschaft bis auf wenige Ausnahmen mindestens genauso. Ich habe die ganze Woche darauf gewartet, dass man irgendwo etwas lesen kann. Ein gemeinsamer Aufruf der Journalisten zum Beispiel. Oder der Chefredakteure der wichtigsten investigativen Blätter. Aber es kam nichts. Nicht eine Zeile. Was vielleicht auch daran liegen mag, dass es keine investigativen Blätter in Deutschland mehr gibt, und sich der Protest deswegen sowieso erübrigt.

Der deutsche Journalismus ist ein Trauerfall, denn er ist offenbar schon vor langer Zeit verstorben und fängt langsam an komisch zu riechen. Spiegel Online? Stern? Focus? Welt? Wo waren die empörten Schlagzeilen? Selbst bei der SZ, die immerhin ab und an im Vorfeld berichtete, gab es nichts zu lesen. Man muss schon zur guten, alten Tante "Zeit" gehen (1, 2) zur Wochenzeitschrift "Freitag" (1, 2) oder zum Cicero surfen, um feststellen zu können, dass es auch Zeitungen gibt, die sich schon lange mit dem Thema beschäftigen und eine klare Position einehmen. Und so viel Rückgrat wie der hier schon mal zitierte Donaukurier findet man auch nur einmal. Es ist kaum auszuhalten, mit welcher Ignoranz, Blindheit und Dummheit große Teile des deutschen Journalismus beschlagen scheinen. Dabei gab es selbst in den beiden Branchenblättchen "Journalist" und "Medium" Hinweise auf das Thema.

Der Journalismus als Kontrollinstanz hat mal wieder völlig versagt. Beim G-8 Gipfel leuchtete wenigstens noch für einen Moment so etwas wie "kritischer Journalismus" auf, als man die teilweise rechtswidrigen Methoden der Sicherheitsbehörden aufs Korn nahm. Vier Monate später ist das alles schon wieder vergessen und wenn der "Spiegel" abgehört wird, dann machen sich die Journalisten darüber lustig, dass die Abhörer das Wort "mysteriös" falsch schreiben. Augstein rotiert in seinem Grab. Wer glaubt, der deutsche Journalismus würde dafür sorgen, dass die Exekutive nicht komplett hohl dreht, macht einen schweren Fehler. Nicht die Journalisten, die Judikative, insbesondere vertreten durch Anwälte, wehren sich vehement gegen den Abbau der Bürgerrechte durch den Staat. Derweil liegt der Journalismus vollgefressen von den vielen Häppchen bei den "Hintergrundgesprächen" herum und zuckt nicht mal mehr mit den Schultern.

Der Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung speist sich zum großen Teil nur aus dem Netz und den dort arbeitenden Journalisten und Experten. Die alten Medien spielen weiter die blökende Schafsherde, die es für wichtiger finden sich um die Auflage zu kümmern. So titel der Spiegel die Woche mit dem Fall "Marco" in der Türkei, der "Stern" startet die große "Die 68er" Serie und beim Focus gab es was zum Thema "Erben". Und das, während in Berlin Teile der Demokratie zu Grabe getragen wurden. Aber vermutlich warten die Journalisten und Chefredakteure auch darauf, dass das Bundesverfassungsgericht es schon richten wird. Das hat aber alles nichts mehr dem Wort "Journalismus" zu tun.

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Als ich gegen Ende der 80er darüber nachdachte, wie und wo ich Texte veröffentlichen konnte, da war der Einstieg klar: man fing an für Fanzines zu schreiben. Ohne Geld, aber mit viel Enthusiasmus. Wenn man Glück hatte, dann konnte man auch mal ein paar CD oder Kinokritiken im örtlichen Stadtmagazin unterbringen. Fanzines waren die Blogs der 80er und frühen 90er Jahre. Man tauschte Geschichten aus, man bekämpfte sich auch mal, wenn es um Interviewtermine ging, aber insgesamt gesehen, war man sich einig, dass man nicht auf Dauer bei einem Fanzine schreiben wollte, weil man irgendwann ja auch mal Geld verdienen wollte. Der Schritt, weg vom Fanzine, hin zu einem bezahlten Artikel in irgendeinem Magazin wurde damals allenthalben mit großer Freude und ein wenig Neid begrüßt. Gedanken darüber, dass man deswegen die Fanzine Kultur verraten würde, machte sich keiner.

Mit den Blogs scheint das anders zu laufen. Wer die Schwelle vom Blog zum - wofür auch immer - bezahlten Autor überschreitet, muss sich eine Menge anhören, wobei die Diskussion um die Glaubwürdigkeit nur eine Sache ist. Ich habe die Diskussion immer mit einer gewissen Verwunderung zur Kenntnis genommen, was vielleicht was damit zu tun hat, dass ich den umgekehrten Weg gegangen bin. Ich bin aus dem Journalismus (und seinen dunklen Ablegern) in die Blogs gekommen. Ich habe das bloggen u. a. auch deswegen angefangen, weil es mir die Möglichkeit bot, meine Ideen, Texte, Emotionen etc. zu veröffentlichen. Das war vor dem Internet schlichtweg nicht möglich. Nicht mal in Fanzines.

Die Arbeit, die Lust am Schreiben und dieses Blog haben - vor allem in den letzten Monaten - zu einigen Anfragen geführt, die teilweise in konkreten Projekten geendet sind. Weiter unten folgt dann eine Auflistung der Dinge, in die ich involviert bin. Die Anfragen kamen aufgrund meiner Texte, was ein schönes Kompliment ist. Für mich ist der Verkauf meiner Texte seit rund 15 Jahren also nichts Ungewöhnliches, weswegen mich manche Kritik schlichtweg wundert. Offenbar ist der Glaube, dass das, was da jemand ins Netz schreibt, in jedem Fall authentisch ist, ebenso weit verbreitet, wie die Idee einer Political Correctness, die teilweise schon fast faschistoide Züge angenommen hat. So gerne ich selber den ganzen Tag nichts anderes machen würde, als über Open Source Software, Einschränkung der Bürgerrechte, gute Autoren und mein Leben zu schreiben - irgendwie muss die Butter aufs Brot und ich hätte gerne auch mal ne Scheibe Wurst drauf.

Blogs schweben nicht in einem luftleeren Raum innerhalb der Gesellschaft, in dem Geld keine Rolle spielt. Viele Blogger verdienen ihr Geld mit etwas anderem, als mit dem Schreiben, viele andere aber auch mit dem Verkauf ihrer Seele per Text. Blogs werden auch von Menschen gemacht, die Geld brauchen, damit sie was zu essen haben. Interessanterweise habe ich den Eindruck, dass die Kritik daran, dass manche Blogger ihre Arbeit vermarkten, oft von jenen groß, die in einem festen Arbeitsverhältnis stehen. Da gibt es viele Belehrungen darüber, was Blogs sind, was sie ausmacht, wofür sie geschaffen wurden und was man auf gar keinen Fall mit ihnen machen soll. Das ist ein wenig aus dem Elfenbeinturm herab doziert, weil es an den Realitäten eines Freiberuflers (gerade eines schreibenden Journalisten) vorbei läuft.

Man wird als ein Mensch, der sein Geld mit dem Schreiben (oder auch anderen kreativen Dingen) verdient, immer ein Zwitter bleiben. Einerseits ist man jemand, der mit einer Menge Ideen und auch Idealen daher kommt, die man versucht ohne das Korsett des Angestelltendaseins zu verwirklichen, andererseits ist man jemand, der den alltäglichen Zwängen unterliegt. Man muss sich gegen die normative Kraft des Faktischen, die dem Geld innewohnt, wehren, aber kann sich (leider) nicht den Dingen in ihrer Gesamtheit widersetzen.

Auf der anderen Seite sollte die gerade stattfindende Revolution im Journalismus, in der dessen Funktion als Gatekeeper, also als, böse formuliert, Zensor dessen, was die Menschen so an Informationen via Medien zugemutet werden kann, nicht daran scheitern, dass in Blogs die gleichen Sitten einreißen, wie in den alten Medien. Für mich persönlich bedeutet dieser Gedanke, dass ich offen lege, an welchen Projekten ich zurzeit mitarbeite. Das bedeutet nicht, dass ich jeden Artikel, jedes Interview oder jeden Kontakt hier offen lege. Aber damit Klarheit herrscht, folgt eine Auflistung der Dinge, an denen ich gerade zum Thema "Blogs" oder "Cooperate Blogs" arbeite:

  1. Das ich seit Neustem bei der Welt über all das schreibe, was im weitesten Sinne mit Fernsehen zu tun hat, dürfte sich mittlerweile rumgesprochen haben. Wer sich jetzt darüber aufregt, von wegen Springer und so: a) ich hab schon mehrfach für Springer gearbeitet, vor meiner Blogzeit sogar mal (zusammen übrigens mit Qype Gründer Stephan Uhrenbacher) bei bild.de. Ich war kein Witwenschüttler, sondern hab im Bereich "Paid Content" was entwickelt. b) Es gibt seitens welt.de absolut keine Vorschriften, was man schreiben darf und was nicht. Die Texte werden auch nicht gegengelesen. c) Die "Welt" hat was in der Pipeline, was ich extrem interessant finde, weil es Blogs, Kommentare, Meldungen, Leserbriefe, User Content und Newscommunities bündelt.

  2. Ein Cooperate Blog, das seit einigen Wochen in der Erprobung läuft, aber noch nicht online ist, stammt ebenfalls von mir. Näheres dazu, wenn es online geht.

  3. Und zum Schluss gibt es im Laufe der nächsten Woche(n) noch eine Ankündigung, die sich auf ein schon bestehendes Projekt im Netz bezieht, in das ich einsteigen werde. Thema verrat ich noch nicht.

  4. Ja, ich mache auch bei dieser "adical" Sache mit. Bei der Postingfrequenz in diesem Blog hier eigentlich gerade ein Witz, aber ich probier ja gerne mal was. Allerdings habe ich mich mit der Entscheidung, ob ich bei adical mitmachen soll, auch schwer getan. Zum einen kostet mich dieses Blog hier bei Antville nichts. Es gibt also keinen Grund, hier auch Werbung reinzudonnern. Zum anderen weiß ich selber nicht, was ich davon halten soll. Warum ich es doch mache?

Aus Neugier. Ich finde die Idee und die Form der Partnerschaft außerordentlich reizvoll, weil es zum, durchaus revolutionären, Umkehrprinzip des Internets gehört. Ich kann nun nicht mehr nur mittels Adblocker selber entscheiden, was ich sehen will. Es geht noch einen Schritt weiter: in dem ich, zumindest in diesem bislang kleinem Versuch, auch entscheiden kann, was beworben werden soll, liegt die Möglichkeit, einen Markt mitzubestimmen. Auch dadurch, in dem ich eine Diskussion über Werbung anheize. Stimmt die Theorie, dass die Angebotswaage sich in Zukunft zugunsten der Blogger neigen würde, hätte man durchaus die Möglichkeit, gewisse Firmen zu zeigen, dass ihre Meinungsmacht endlich ist. Die Theorie also, dass man als Blogger ein kleines Stück den Werbemarkt mit beeinflusst (und hoffentlich zum Positiven), finde ich interessant und sie ist mir eine Überprüfung wert. Sollte es Beiträge geben, die im Zusammenhang oder durch die Vermittlung von adcial entstanden sind, werden die dementsprechend klar gekennzeichnet werden. Wie das aussehen wird, weiß ich noch nicht. Vermutlich ein Button und/oder eine farbliche Abgrenzung oder einen Kasten um den Beitrag. adical macht sowas nicht. Die Banner und Textads werden wenn auf der rechten Seite auftauchen und gekennzeichnet werden.

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