Langer und überaus kritischer Artikel in der FAZ über die Abmahnpraktiken der Musikindustrie. Erstaunlich, so etwas in der FAZ zu lesen. Ich hatte gestern in meinem Blog bei der Welt das Thema von einer anderen Seite beleuchtet.
Jemand aus der Branche machte mir gegenüber die ironische Bemerkung bzgl. des Abmahnwahns der Industrie, dass man dort mittlerweile festgestellt habe, mit den Abmahnungen mehr verdienenzu können, als mit dem Verkauf von Musik. Das stimmt natürlich nicht so ganz, aber es ist wohl schon so, dass man nicht unglücklich über die eingenommenen Gelder ist. Wenn man aus jedem ertappten User 500 Euro rausholen kann und rund 5000 Unterlassungserklärungen pro Monat verschickt, wären dass 2,5 Millionen Euro.
Aber das scheint ja zu reichen, denn die Industrie bewegt sicher weiterhin nur minimal und träumt weiter davon, die Kosten für CDs nach oben zu treiben. Das alte Geschäftsmodell lebt weiter, und man ist nicht in der Lage, sich neue Vertriebsvarianten auszudenken. Und so zögerlich, wie man in Sachen Vertrieb im Netz ist, könnte man glatt auf den Gedanken kommen, dass sich die Abmahnerei für die Industrie derart lohnt, dass man gar nicht erst versucht neue Vertriebswege zu fördern. Dafür könnte ja auch sprechen, dass man nun über Dritte eigene Tauschbörsenserver betreibt, um noch mehr User zu erwischen.
Die Industrie macht einem wirklich leicht, sie zu hassen und wer sich aufführt wie ein wildgewordener Despot, der muss auch mit den Konsequenzen leben. Auch mit der, dass die kriminalisierten Kunden mit den Schultern zuicken und erst Recht in die p2p Börsen laufen.
Auf der anderen Seite sind es auch die Künstler, die betroffen sind. Nicht jeder kann wie Radiohead oder die Charlatans davon leben, dass man seine Musik im Netz verkauft. Die Einstürzenden Neubauten experimentieren schon lange mit einem Abosystem rum, doch die können sich das auch leisten. erst dann ins Studio zu gehen, wenn genug Vorbestellungen eingetrudelt sind. Man fragt sich, wer zum Teufel als Musiker eigentlich noch zu einem großen Label geht. Die Anwort kenne ich auch nicht, aber es sind auch nicht immer die großen Label, die sich gegen p2p Börsen wehren. Kleine Labels wie Peppermint Jam findet man genau so.
Letztlich führt jeder Versuch der Musikindustrie an die Daten von p2p Börsennutzer zu kommen, nur dazu dass der Widerstand im Netz gegen die Labels größer wird. Die Industrie hat eigene Tauschserver und setzt Software ein, die IP Adressen liest? Dann nutzt man halt bei Bewegungen im p2p Netz das Torprojekt. Das Tornetzwerk ist unsicher? Dann verschlüsselt man eben die DNS Abfragen mit Pivoxy. Backtracking mit Super Cookies? Nimmt man halt Opera statt Firefox, wenn man im p2p Netz unterwegs ist. Und dann gibt es auch noch angeblich dieses neue p2p Protokoll, das komplett verschlüsselt sein soll, der Industrie also keine Möglichkeit mehr bietet festzustellen, welche Daten da gerade geladen werden.
Leidtragende sind die Künstler, die keine Ahnung haben, wie man ein neues System ohne Musikindustrie etablieren kann, um wenigstens ein paar Euro zu verdienen. Wenn keiner mehr Zeit hat Musik zu machen, weil man damit nichts mehr verdient, wird die Welt ein ganzes Stück ärmer. Warum man zum Beispiel die Idee der Kulturflatrate komplett verworfen hat, verstehe ich nicht. Klar ist: die klassische Umsetzung des Copyrights ist zumindest in der Musik an seine Grenzen gestossen und die Verschärfungen dienen weniger dem Musiker als der Rechteindustrie. Wäre die Labels an ihren Künstlern interessiert, würden sie versuchen neue Einkommenformen für diese zu entdecken. Offenbar ist man aber nur noch daran interessiert, Abmahnungen raus zu schicken.