Freitag, 16. November 2007

Man könnte ja sagen: "Wenn ich mir so ansehe, was Bill O'Reilly jeden Abend bei FoxNews so absondert, wird mir jedes mal schlecht. Und ich bin sehr, sehr froh, dass die deutschen Privatsender immer noch der Meinung sind, dass man mit seichten Soaps und lustigen Spielen Quote machen will, statt mit Demagogie." Ja, das könnte man so sagen.

Auf der anderen Seite: "Je mehr Krach die eine Seite macht, desto mehr Widerstand erfährt sie auch. Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn es im deutschen Fernsehen mal wieder so etwas wie das "ZDF Magazin" geben würde. Oder jemanden wie Keith Olbermann, um mal nicht zu vergessen, dass auch die linke Seite so was könnte."

Aber vor allem wäre es gut, wenn überhaupt etwas passieren würde. Es ist eine Schande für den deutschen Journalismus, wie man mit dem Thema der Vorratsdatenspeicherung und anderen Themen im Rahmen der Überwachung umgeht. Wenn Thomas Knüwer schreibt, die Abgeordneten hätten nicht die Eier das deutsche Volk vertreten zu können, dann gilt das für die deutsche Presselandschaft bis auf wenige Ausnahmen mindestens genauso. Ich habe die ganze Woche darauf gewartet, dass man irgendwo etwas lesen kann. Ein gemeinsamer Aufruf der Journalisten zum Beispiel. Oder der Chefredakteure der wichtigsten investigativen Blätter. Aber es kam nichts. Nicht eine Zeile. Was vielleicht auch daran liegen mag, dass es keine investigativen Blätter in Deutschland mehr gibt, und sich der Protest deswegen sowieso erübrigt.

Der deutsche Journalismus ist ein Trauerfall, denn er ist offenbar schon vor langer Zeit verstorben und fängt langsam an komisch zu riechen. Spiegel Online? Stern? Focus? Welt? Wo waren die empörten Schlagzeilen? Selbst bei der SZ, die immerhin ab und an im Vorfeld berichtete, gab es nichts zu lesen. Man muss schon zur guten, alten Tante "Zeit" gehen (1, 2) zur Wochenzeitschrift "Freitag" (1, 2) oder zum Cicero surfen, um feststellen zu können, dass es auch Zeitungen gibt, die sich schon lange mit dem Thema beschäftigen und eine klare Position einehmen. Und so viel Rückgrat wie der hier schon mal zitierte Donaukurier findet man auch nur einmal. Es ist kaum auszuhalten, mit welcher Ignoranz, Blindheit und Dummheit große Teile des deutschen Journalismus beschlagen scheinen. Dabei gab es selbst in den beiden Branchenblättchen "Journalist" und "Medium" Hinweise auf das Thema.

Der Journalismus als Kontrollinstanz hat mal wieder völlig versagt. Beim G-8 Gipfel leuchtete wenigstens noch für einen Moment so etwas wie "kritischer Journalismus" auf, als man die teilweise rechtswidrigen Methoden der Sicherheitsbehörden aufs Korn nahm. Vier Monate später ist das alles schon wieder vergessen und wenn der "Spiegel" abgehört wird, dann machen sich die Journalisten darüber lustig, dass die Abhörer das Wort "mysteriös" falsch schreiben. Augstein rotiert in seinem Grab. Wer glaubt, der deutsche Journalismus würde dafür sorgen, dass die Exekutive nicht komplett hohl dreht, macht einen schweren Fehler. Nicht die Journalisten, die Judikative, insbesondere vertreten durch Anwälte, wehren sich vehement gegen den Abbau der Bürgerrechte durch den Staat. Derweil liegt der Journalismus vollgefressen von den vielen Häppchen bei den "Hintergrundgesprächen" herum und zuckt nicht mal mehr mit den Schultern.

Der Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung speist sich zum großen Teil nur aus dem Netz und den dort arbeitenden Journalisten und Experten. Die alten Medien spielen weiter die blökende Schafsherde, die es für wichtiger finden sich um die Auflage zu kümmern. So titel der Spiegel die Woche mit dem Fall "Marco" in der Türkei, der "Stern" startet die große "Die 68er" Serie und beim Focus gab es was zum Thema "Erben". Und das, während in Berlin Teile der Demokratie zu Grabe getragen wurden. Aber vermutlich warten die Journalisten und Chefredakteure auch darauf, dass das Bundesverfassungsgericht es schon richten wird. Das hat aber alles nichts mehr dem Wort "Journalismus" zu tun.

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