Montag, 20. März 2006

Kaum liest man mal in Kiel und ist ein Wochenende nicht da, bricht in der Blogszene der große Abmahnwahn aus. Na ja, damit war ja zu rechnen. Es ist im Internet wie im richtigen Leben. Es gibt Menschen, die haben Stil, eine gute Erziehung und Selbstbewusstsein, und es gibt Menschen, die versuchen sich ihr Selbstbewusstsein zusammen zu klagen. Das ist nicht mal typisch deutsch, das ist eben so. Hauptsache, man hat oder bekommt Recht und kann sich danach gemütlich zurück lehnen, oder zu Hause bei der Frau erzählen, wie toll man es schon wieder ein paar Leuten gezeigt hat.

Aber das schöne an der Sache mit den Klagen ist ja, dass man sich selbst entscheiden kann. Manche Menschen brauchen den Gang zum Rechtsanwalt, damit ihr Selbstwertgefühl steigt, manche Menschen greifen zu einem Brief oder zum Telefon, um eine Sache, die sie stört oder in der sie falsch dargestellt werden, aus der Welt zu räumen. Das ist der Unterschied zwischen jemanden, der sich nichts beweisen muss und jemanden, dem vielleicht diese Größe fehlt. Zu welcher Gattung der Inhaber der Firma "Euroweb" gehört, weiß ich nicht, aber er hat ja jetzt genügend Gelegenheit dies zu zeigen. Da ich an das gute im Menschen glaube, bin ich fest davon überzeugt, dass der oder die Inhaber der Firma "Euroweb", spätestens nach diesem Anschreiben manche Dinge noch einmal wohlwollend überdenken werden. Auf der anderen Seite sind die Menschen, die sich in Foren oder Blogs anonym über Firmen oder Menschen in dummdreister Weise äußern auch nicht besser als jene, die bei jeder Kleinigkeit mit einer Unterlassungserklärung wedeln.

Ich hab auch so meine Erfahrungen mit Unterlassungserklärungen. Da war mal ein Interview, das mir ein großer TV-Sender aus dem Frankfurter Raum ermöglicht hatte. Ein Termin mit einer schon als eher scheu bekannten Schauspielerin, die ihre Interviewpartner einzeln absegnete. Sie wusste also, für wen ich schreibe, da ich vorher angegeben hatte, in welchem Blatt das Interview erscheinen sollte. Das Interview lief gut, sie gab ein paar Happen privates preis und wir verabschiedeten uns lange und herzlich. Drei Wochen später erschien das Interview und am gleichen Tag rief mich der Booking Agent der Schauspielerin an. Sie sei auf 180. Alles gelogen, alles falsch. Nun habe ich damals, aus Sicherheitsgründen, wie folgt gearbeitet: Wenn es keine Gelegenheit gab, ein Interview vor der Veröffentlichung vom Gesprächspartner gegenlesen zu lassen, habe ich das Band, bereinigt und sprachlich begradigt, abgetippt und so an die Redaktion geschickt. Was die dann daraus gemacht haben - deren Problem. In diesem Fall war die Redaktion, gewarnt durch eine Bemerkung des Senders, dass die Schauspielerin sehr klagefreundlich sei, vorsichtig, und druckte einfach das ab, was ich abgetippt hatte. Es kamen also zwei Unterlassungserklärungen: eine für mich, eine für den Verlag. In der Erklärung wurden Sätze beanstandet, die sie genauso gesagt hatte, da war ich mir sicher. Da ich es nicht einsah, etwas zu unterschreiben, wo ich mir keiner Schuld bewusst war, beschloss ich gegen die Unterlassungserklärung Widerspruch einzulegen. Eine Bekannte vermittelte mich an einen angeblich tollen Medienanwalt.

Der sagte mir aber erstmal, dass ich das doch unterschreiben solle, das sei doch kein Problem. In Anbetracht der 2000 Mark und dem Ärger mit einem sehr, sehr guten Kunden, der mit einer Unterschrift ins Haus gestanden hätte, weigerte ich mich aber. Der Anwalt versprach sich darum zu kümmern und mir einen Entwurf zu faxen, was er denn schreiben wolle. Die Sache ließ mir natürlich keine Ruhe, und ich erzählte jeder Kollegin und jedem Kollegen den ich kannte, was passiert sei. Eine las sich das beanstandete Interview durch und meinte dann plötzlich: Wenn Du das auf Band hast, also diese Passage wegen der sie die Unterlassung haben will, dann bist Du auf der sicheren Seite." Die Kollegin hatte durch Zufall ein paar Tage vorher das Verlagsinterne Archiv durchgewühlt, und war auf einige Interviews der Schauspielerin gestoßen. Sie faxte mir 30 Seiten Interviews, und tatsächlich: die von ihr beanstandete Passage hatte sie fast wortwörtlich ein paar Monate vorher einer Zeitung berichtet, ohne dass sie danach zum Rechtsanwalt gelaufen war.

Den ganzen Wust schickte ich meinem Anwalt, inkl. der presserechtlich relevanten Formulierungen, die mir ein befreundeter Anwalt eines anderen Verlags zugeschickt hatte. Mein Anwalt musste also nur noch die zwei Bausteine unter seinen Briefkopf setzen und fertig. Das machte er auch, die Schauspielerin rührte sich erst nicht, dann nahm sie die Unterlassungserklärung zurück und der tolle Medienanwalt aus Hamburg schickte mir eine Rechnung über 2100 Mark. 100 Mark teuer als die Unterlassungserklärung gewesen wäre. Es war ihm auch egal, dass 80% der Arbeit von mir geleistet wurden und er es mir vielleicht hätte sagen können, dass ein Vorgehen gegen die Schauspielerin durch seine Kanzlei teurer sei, als die Erklärung an sich. Ich wusste lange nicht, wem ich zuerst Herpes wünschen sollte.

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