Sonntag, 6. März 2005

Ich verstehe wirklich nicht, warum die Leute im Winter draußen rumlaufen und einem später am Telefon erzählen, wie toll das draußen war. Ich denk dann immer "Aha, wohl was verpasst, vielleicht ist der Frühling ja da und macht der Menschen Haut und Hormone den Mörike." Dann mach ich die Balkontür auf und merke sofort "Nenene". Ich habe mittlerweile gelernt, nicht mehr nach jedem Telefonat mit Menschen, die glücklich darüber quietschen, wie toll es draussen sei, die Balkontür aufzumachen, weil mich die Erfahrung gelehrt hat, dass diese Menschen einen gemeinem Plan verfolgen: Mich zum frieren zu bringen, damit sie nicht alleine frieren.

Denn niemand kann mir erzählen, dass er bei Temperaturen unter Null Grad gerne raus geht. Das ist wider die Natur. Gut, man muss mal raus gehen. Zum arbeiten. Essen kaufen. Freunde sehen. Wenn man auf der Treppe ausgerutscht, auf dem Hintern drei Stufen nach unten gerutscht ist, sich dabei das Steißbein gebrochen hat, bevor man sich mit der Hand gerade eben noch so an einer Geländersprosse festhalten konnte, die dann gebrochen ist und sich beim weitern runterkugeln dummerweise in den Oberschenkel gebohrt hat, während man hart mit dem Kopf an raus stehenden Fußleistennagel aufgeschlagen ist. Dann muss man wohl raus, aber dabei helfen einem dann andere, die einen vorher gut zudecken. Ich kenne ehrlich gesagt auch nur Paare, die mir berichten, dass sie eben draussen waren und es "so toll war, richtig frisch." Niemand meiner Singlefreunde käme auf die Idee bei Kälte raus zu gehen und mich danach anzurufen. Die rufen allerhöchstens an und sagen "Boah, ganzes Wochenende nicht raus gegangen" oder "Haste ein TV Programm, was läuft denn gerade." Es gehört zu den allerschwersten Aufgaben, will man einen Single am einem scheisskalten Winter-Wochenende tagsüber aus dem Haus locken. Gut, Abends. Wenn es was zu trinken gibt und man sagt, "Du, da ist die mit netten Titten mit der großen Bibliothek", dann überlegen die sich das und sagen dann schon vorher "Ach, ich komm dann mit dem Taxi". Ich weiß nicht, was Paare aus dem Haus treibt. Ich seh sie vor meinem Fenster von rechts nach links laufen. Manchmal auch umgekehrt. Sie reden nicht, jeder schaut so rum und es ist völlig offensichtlich, dass sie frieren. Ich habe die wüste Theorie, dass sie deswegen rausgehen, damit sie nachher, wenn sie mit kalten Zehen wieder zu Hause sind, sich darüber freuen können, dass es wieder warm ist. Ich meine, wie schlimm ist das denn. Das ist ja so, als wenn ich mir erst den kleinen Zeh absichtlich an einer Türkante anhaue um später zu sagen, dass es jetzt wieder schön ist, wo es nicht mehr wehtut. Eine andere Theorie die ich habe, bezieht sich darauf, dass sie keine Lust mehr darauf haben im Bett zu liegen und lustiges Staubmäuse-Memory zu spielen. Auch schön: Staubmäuse-Rennen. Jeder hat eine Staubmaus und der, der sie zu erst auf die andere Seite des Raumes gepustet hat, darf sich was wünschen. Jaja, hör ich da schon manche sagen, es gibt auch Menschen, die haben Teppich in der Wohnung liegen, aber da sage ich "Hah!", dann nimmt man halt die Weinkorken vom Vorabend. Also es gibt keinen richtigen Grund bei dem Wetter raus zu gehen, wenn man nicht muss. Oder irgendwo hin will. Zudem ist es gefährlich. Gerade im Winter gibt es schreckliche Keime die der Volkswirtschaft schaden. Wenn alle im Winter weniger rausgehen würden, gäbe es weniger Kranke und uns alles ginge besser. Eine gute Beziehung hält das auch mal aus, dass man 48 Stunden aufeinander hängt. Wenn nicht, kann man ja nach Hause gehen. Wenn man das nicht kann, weil man zusammenwohnt, dann hat man eben Pech gehabt, denn zusammenwohnen ist der Sargnagel einer jeden Beziehung. Aber das ist eine andere Geschichte.

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