Samstag, 13. November 2004

Felix war heute offenbar auf Klamottenjagd und mokiert sich über schrumpfende Kleidergrößen. Das mit den Größen ist ein Problem. Vor allem bei Jeanshosen (Nietenhosen, für die älteren Leser). Ich war heute unterwegs im Auftrag meiner Mutter, die immer irgendwo im Hinterkopf ist und sagt: "Junge, zieh Dich ordentlich an." Die letzte neue Jeans muss ich vor zwei Jahren gekauft haben, oder noch länger, denn es gab einfach keine mehr in meiner Größe, und das, obwohl ich min. 10 Kilo leichter bin. Alle Hosen, außer Anzugshosen, hingen irgendwo mitten auf der Hüfte rum, waren oben zu eng, und unten zu weit, bzw. lang. Dabei war ich extra in meiner "Edwin" Jeans unterwegs, die mir wirklich ausgesprochen gut passt. Aber nichts wollte so gut sitzen wie die Edwin. Keine Levis, keine HIS und wie sie alle heißen.

In einem Laden meinte eine nette ältere Verkäuferin zu mir, ich trüge da wohl eine "Edwin Newton Slim", was ich bis dato auch nicht wußte. Ich pflege Jeans nicht nach Namen zu kaufen, das ist Teil meines Ignoranzprogramm gegenüber der menschenverachtenden Modeindustrie. Jedenfalls sagte sie mir dass ich da wohl jetzt ein Problem hätte, denn die gäbe es nicht mehr. Nirgends. Weil die Marke leider pleite sei. Sie verwies mich aber nach gegenüber, in einen Laden der wohl noch welche hatte, in den ich aber niemals rein gegangen wäre, weil aus dem Laden allerschlimmster Kirmestechno rausquoll und kaugummikauende Mädchen mit bauchfreien Tops T-Shirts hochhielten, die ich nicht mal für ein dreijähriges Kind gekauft hätte, weil sie einfach zu klein aussahen. Aber es half ja nichts, ich musste, wollte ich eine Hose haben, da rein.

Die Edwins, die noch da waren, die lagen ganz oben, auf dem ca. 20 Meter hohen Regal und das Mädchen, welches mich, kaugummikauend und in ein bauchfreies Top gehüllt, fragte, welche Hose es denn sein dürfe, schaute sehr verzweifelt, als ich "Edwin" sagte. Naja, verzweifelt ist jetzt meine Interpretation. Ein Außenstehender könnte es vielleicht so formulieren: "Die Verkäuferin schaute Don an, als habe er nach Knickerbocker und einen Duffelcoat gefragt." Oder "Sie schaute Don an, verdrehte innerlich die Augen und dachte: 'Warum bekomm ich immer die alten, fetten Säcke ab, die Edwin tragen müssen, weil sie in die coolen G-Star nicht mehr reinpassen".

Sie kletterte dann mehrfach die 20 Meter hoch und wieder runter, weil sie entweder die falsche Hose dabei hatte, nicht die richtige Größe oder weil es mir Spaß machte, sie da hoch- und runterklettern zu sehen, da ich ihren Blick schon verstanden hatte. Irgendwann rief sie nach "Aziz", der sofort kam und sie auf der Stelle runterputzte. "Der Herr," sagte Aziz nachdem er für einen Sekundenbruchteil auf meine Hose geschaut hatte, "der trägt eine Edwin Newton Slim und keine Edwin London Slim. Edwin London Slim passt ihm gar nicht, die Newton Slim ist besser, aber die haben wir gard nicht." "Ach!" sagte ich. "Ja," sagte Aziz, "die gibt es kaum noch, ich fürchte, sie müssen sich nach einer anderen Hose umsehen." Gut, dachte ich, gehe ich eben demnächst nur noch in alten Hosen. Keine Hosen mehr für Don. Aus, vorbei, finito. Mal bei Humana reinschauen, vielleicht finde ich ja eine alte, graue Hose mit Hosenträgern, in die noch keiner reingemacht hat.

Dann aber sagte Aziz (und ich bitte nicht zu vergessen, das dabei die gesamte Zeit Kirmestechno in ohrenbetäubender Lautstärke lief, und zwar ein solcher Kirmestechno, wie ihn selbst ländliche wohnende Menschen aus Brandenburg oder MacPom verabscheuen würden) "Für Herren ihrer Grösse gibt es leider nicht so viel Auswahl. Aber die Firma 'Replay' bietet einen Schnitt, der dem der Edwin sehr ähnelt und der ihnen durchaus zusagen würde". Da war ich erstmal baff. Platt. Sprachlos. So war ich ja noch nicht mal im "Gucci" Laden angesprochen worden, als ich einer Freundin innerhalb der äußerst seltenen Liebe/Glücklich/Geld da/Geld nicht für Musik ausgegeben/ Konstellation eine Tasche gekauft hatte, und das für einen Preis, von dem der Wildlife Fond wahrscheinlich 25 vom aussterben bedrohte Tierarten hätte retten können. Was ich damals halt nicht wußte, war die Tatsache, dass dieses blöde Betonhirn von Freundin mich eh betrog und ich so 25 Tierarten in den Orkus der Geschichte gejagt habe, und auch noch exkl. des Tiers, dass für die Tasche hatte sterben müssen. Seitdem verschenke ich nur noch selbstgebrannte CDs.

Wo war ich? Ach ja. Aziz befahl mir und der kleinen Verkäuferin zu folgen und zerrte aus einem Regal eine schwarze, nicht nach Jeans, sondern nach Hose aussehende Hose. Mit den Worten "Die paßt" reichte er sie mir und befahl der Verkäuferin mir meine Taschen abzunehmen und darauf aufzupassen, während ich mich der kritischen Phase des Anprobierens näherte. Aber Aziz hatte völlig recht. Sie passte. Perfekt. Wie angemalt. Sogar meinen kleinen Bauch kaschiert sie perfekt. Ich hätte ihn küssen können, und weil ich gerade sehr glücklich war, hab ich dann auch noch völlig überteuerte Catapillar Winterschuhe gekauft.

Draussen stellte ich dann fest, dass ich mir für den Preis der Jeans, die wirklich toll sitzt, auch einen Anzug bei H&M hätte kaufen können, was mir wahrscheinlich in meinem Alter auch eh besser steht und die Frauen rettungslos wahnsinnig nach mir macht. Dummerweise habe ich aber ein Problem mit Anzügen, weil Anzüge von Menschen getragen werden, die ich zu 90% nicht leiden kann, und von denen ich glaube und hoffe, dass sie die ersten sein werden, die an die Wand gestellt werden, wenn die Revolution kommt. Das gilt allerdings nicht für Felix und dreiteilige Anzüge, davon hab ich zwei, die abwechslend zu Hochzeiten und Beerdigungen trage, oder wenn ich angeben will, oder wenn meine Mutter zu Besuch ist. Ansonsten finde ich die meisten Anzüge schlicht und ergreifend unfassbar langweilig und unbequem, aber so langsam bekomme ich offenbar keine Klamotten mehr, die ich tragen kann. Aber zu Aziz kann man in Hosenfragen wirklich vollstes Vertrauen haben. Man findet ihn in den Schönhauser Arkaden, Erdgeschoss, wenn man reinkommt auf der linken Seite, da wo der Krimestechno rauswummert.

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