Montag, 26. April 2004

Das grosse Rennen von Belleville

Frankreich, Ende des der 40er Jahre. Champion hat ein Problem. Zum einen seinen Namen, aber das ist zunächst nicht so schlimm. Viel schlimmer ist für das kleine, pummelige Kind, dass es alleine bei seiner Großmutter, Mme. Souza, lebt und sehr, sehr traurig ist, da die Eltern nur noch als schwarz-weiß Bild an der Wand existieren. Da hilft es auch nicht, wenn die Oma ihrem Enkel einen kleinen, tolpatschigen Hund schenkt. Oder eine Eisenbahn. Oder ein altes Klavier entstaubt. Champion bliebt traurig und alleine, bis Mme. Souza die rettenden Idee hat: ein Fahrrad. Von hier bis zu der Teilnahme an der Tour de France 10 Jahre später ist es nicht weit. Doch Champion wird entführt. Aber die Entführer haben nicht mit Mme. Souza, Bruno, dem mittlerweile ebenso fetten wie alten Hund und den Tripletts von Belleville gerechnet.

Der Film ist ganz großes, grandioses Kino. Und das gerade weil er nach alten tradionellen Zeichentechniken gemalt wurde und auf den Einsatz von Computern weitesgehend verzichtet. Der Film ist überzeichnet: die Bösen sind nur tiefschwarze, rechteckige Klötze, Schiffe haben einen Rumpf, der 100mal höher als der Aufbau ist und die Radfahrer bestehen nur aus Waden, Oberschenkeln und einem einem riesigen Adamsapfel. Und obwohl er urkomisch ist, schwebt über dem Film die ganze Zeit eine leichte Melancholie, eine dunkle Traurigkeit, eine latente Verzweiflung, die nur wenig durch den Kampfgeist der Figuren aufgefangen wird. Die Figuren sind unten, sie haben keine Chance auf einen Aufstieg, aber sie lassen sie auch nicht weiter runterdrücken. Wie Bruno, der immer die vorbeifahrenden Züge anbellt. Man braucht ein paar Minuten, um sich in den Zeichnungen und der Stimmung der 50er Jahre wieder zu finden. Aber schnell ist man mittendrin im Geschehen, dass im übrigen fast ohne Dialog auskommt. Mme. Souza und ihr Enkel sprechen jedenfalls nicht. Am Ende bleibt aber eine wundervolle Mischung aus Melancholie und schrägem Humor, aus Stille und Überzeichnung, aus Sieg und Hoffnung. "Das grosse Rennen von Belleville" ist definitiv der schönste Film, den ich bisher dieses Jahr gesehen habe, und es wird schwer, ihm dieses Jahr diesen Titel streitig zu machen.

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