Mittwoch, 14. Januar 2004

Ich stehe auf. Zu spät. Egal. Es regnet. Bei meiner Nachbarin klingelt immer wieder ein altes Telefon. Keins was tüdeldüt macht, sondern richtig "Ring". Es klingelt alle 10 Minuten. Sägt sich mit der Geschwindigkeit einer Kreissäge in mein Hirn. Immer wieder. Geht aber keiner dran. Vielleicht ist sie tot. Werde ich wohl bald riechen. Überlege Tesa Krepp für die Tür zu kaufen. U-Bahn. Ein kleiner Rabauke tobt durch die Bahn. Schreit mit anderen Rabaukenkindern rum, animiert diese noch lauter zu werden. Keiner sagt was. Alle schauen genervt. Ich kann mich nicht mehr auf meinen Berlusconi-Artikel konzentrieren und die wundervollen Kopfhörer der Firma Sony, die ich neulich für knapp 30 Euro gekauft habe, waren leider minderwertiger Schrott. Sie haben nach vier Wochen aufgegeben. Die Quittung hatte ich natürlich weggeworfen. Wer Quittungen sammelt, macht auch Backups. Kann mich also nicht abkapseln. Ziehe die Zeitung näher ans Gesicht. Klappt auch nicht. Ich würde dem tobenden Kind gerne ein Bein stellen, aber es kommt nicht an mir vorbei. Weiß auch nicht, ob es ok ist, wenn man so macht. Wahrscheinlich nicht. Ich bin schlecht gelaunt. Nicht mal wehren kann man sich. Nur aushalten. Neben mir schüttelt eine Seniorin den Kopf und murmelt was von "Ausländer und Erziehung". Haha, pass auf Du alte Schachtel, bald gibt es das soziale Jahr für Senioren, dann ist Schluss mit dem sinnlosen U-Bahn fahren. Feierabend mit dem Groschenkramen an Kasse. Bemerke, dass ich noch schlechter gelaunt bin. Hätte gerne Sex. Denke, wo ich das schreibe, dass ich jetzt wieder Mails von Frauen bekomme, die mir schreiben, dass das natürlich wieder typisch sei. Wenn ein Mann schlecht gelaunt sei, dann würde er eben hoffen durch den Gebrauch einer Frau seine schlechte Laune an ihr abreagieren zu können. Ficken. Wenn alle ihre schlechte Laune beim Sex abreagieren würden, wäre die Welt ein besserer Ort. In der U-Bahn gibt es keinen Sex. Nix bekommt man dann, wenn man es haben will. Auch kein Geld. Ich habe seit Oktober ein NKL Los, dass mich 15 Euro jeden Monat kostet und laut der NKL Webseite über eine 47%ige Chance verfügt, dass ich etwas gewinne. Und? Nix. Morgen fliege ich morgens um 8 nach München, treffe Menschen, die ins Fernsehen wollen, fliege wieder zurück. Sinnlos. Völlig. Ich töte die Atmosphäre, zerstöre mindestens 7 von 10 Kandidaten eine Einnahmequelle und lade tonnenweise schlechtes Karma auf mich. Und muss zu Mittag bei der "Nordsee" essen. Gut, das füllt das Karmakonto wieder etwas auf.

Ich geh jetzt nach Hause. Auf dem Weg kaufe ich neue Kopfhörer. Von Panasonic. Ich werde die Quittung aufbewahren. Einheften, abheften. Sowas in der Art: Ich werde feststellen, wie geil das ist. Wie überlegen man sich fühlt, wenn man mit der Quittung in der Hand den Verkäufer des Ladens, der einem den minderwertigen Mist verkauft, fertig machen kann. Wahrscheinlich bin ich spätestens mit Mitte 40 ein kleingeistiger, cholerischer, kauziger Spießer, der mit einem Luftgewehr auf Tauben schießt, Parkplatzvergehen meldet und Buch führt, wann der Nachbar zu laut ist. Ich werde kleine rote Adern auf der Wange und der Nase bekommen und wenn ich wütend werde, dann tritt an der Schläfe eine dicke Ader hervor und wird blau. Kinder werden schreckhaft, wenn sie mich nur sehen. Ich habe einen Dackel. Meine Nachbarn hassen mich, nur die alte Dame von unten links, deren Mann vor 10 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben ist, mag mich. Super. Ärgern sich endlich andere mehr über mich, als ich über sie.

Permalink