Mittwoch, 4. Dezember 2002

Da in der Küche, da wartet was auf mich. Das will dringend erledigt werden.

Arbeit

Und Regale sollte ich langsam auch mal kaufen. Ach man hat ja soviel Streß im Leben.

Regale

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Löwitsch, Klaus

Manchmal erinnert man sich erst an Begegnungen, wenn man von jemanden in der Zeitung liest. Und wenn den Namen eines Menschen bei Spiegel Online liest, der schon jenseits der 60 ist, dann bedeutet das selten gutes. So auch in diesem Fall. Klaus Löwitsch ist tot und ich erinnere mich an die einzige Begegnung, die jemals mit ihm hatte.

Es war 1998, in einem tristen Vorführraum des NDR. Man hatte geladen, um den Film "Das Urteil" zu sehen, ein Kammerspielartiges Stück, für das Löwitsch später den Grimme Preis erhalten sollte. Bevor er in diesem Film mitspielte, war mir Löwitsch allerhöchstens als "Peter Strohm" aufgefallen, jener bärbeißiger Privatdetektiv, der bärbeißig durch die Szene stoplerte und bärbeißig seine Fälle in einer Mercedes S-Klasse löste. Ich mochte die Serie, ich mochte Löwitsch, dessen Image in der Serie nicht weit von seinem privaten Image entfernt zu sein schien. Ein Glücksfall für jeden Schauspieler, wenn er eine Rolle bekommt, in der er einerseits er selbst sein kann, andererseits sich selbst auch karakieren kann.

Nach der Vorstellung sass er da, im perfekt sitzenden Anzug, mit leichtem Bauchansatz, zurückgelehnt, sich hier und da über die Glatze streichend. Irgendwie unnahbar. Wenn er 30 Jahre jünger gewesen wäre, hätte man sagen können, ein Schlägertyp, irgendwie unheimlich. Einer, der bei einer Frau keine Widerworte duldet und der besonders cholerisch wird, wenn diese kommen. Manche Leute würden sagen: "Ein Arschloch", ich dachte aber auch: " Wow, ein Mann im klassischen Sinne." Das ist keine Wertung, ob er mir sein Charakter gefallen hat, oder nicht. Aber er hatte eben diese typische Testosteron Austrahlung, der man auch als Mann schlecht widerstehen kann. Einer der intelligent ist, aber auch seine dunklen Seite volles Rohr auslebt. Er war damals 62 Jahre alt, hatte aber die Ausstrahlung eines Menschen, der nicht mehr als 50 sein mochte.

Ich hatte ganz schön viel Respekt, als ich mich ihm für das Interview näherte. Das Gefühl war ungewöhnlich. Ich hatte Dennis Hopper interviewt, George Clooney, Patrick Stewart. Aber diese Austrahlung hatte ich bisher nur einmal erlebt. Das war, als ich Robert Mitchum begegnet war, und der spielte dann noch mal in einer anderen Liga. Aber als ich die paar Schritte zu Klaus Löwitsch hinging, da wurde mir anders. Ich hatte Respekt, wenn nicht sogar Ehrfurcht. Etwas, was einem Interviewer selten passiert. Allein seine kantige Figur verhieß, dass man sich ihm nur vorsichtig annähern sollte. Dazu diese knarzende Stimme, die mehr erzählte, als er selber mit Worten ausdrücken konnte.

So sass ich da, und rang nach Worten und Fragen. Alle möglichen Fragen nach dem Film, seiner Karriere, seiner Arbeit als Schauspieler schienen mir so leer und überflüssig. Und mir wurde klar, dass ich eigentlich gar nichts über den Mann weiß. Sicher, ich kannte ihn, zumindest seine Rollen. Aber er war eben anders als die anderen Schauspieler. Er spielte kein Image, er gab nichts vor. Also frug ich ihn, was seine Sauferei machen würde.

Er blickte mich an, und für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass er mir gleich eins in die Fresse hauen würde. Zu Recht, wie ich fand. Man nähert sich keinem Menschen, den man nicht kennt, mit der Frage, was seine Sauferei machen würde. Eine Frage, die immerhin impliziert, dass man meinen könnte, er habe einen schwachen Charakter. Er setzte dieses Peter Strohm Gesicht auf, als ob er einen Verdächtigen nach seinem Alibi fragen würde und sagte. "Wenn ich nicht saufe, kann ich nicht arbeiten. Ich bin ein klassischer Quartalssäufer und ich bin meiner Frau sehr dankbar, dass sie das mit mir aushält." Das war mehr Information als ich erwartet hatte, und ich hakte nach. Warum er saufen würde, wollte ich wissen. Singemäß sagte er, dass er die Sauferei brauchen würde, um zu vergessen. Er könne keine Rolle ablegen, wenn er sie nicht wegsaufen würde.Erst nach einer ausgedehnten Sauftour über drei Tage, sei er wieder er selbst.

Ich schaute ihn lange an, ließ eine Pause entstehen, die in Interviews immer etwas unangenehm wird, weil der andere denkt, man würde noch auf einen weiteren Satz warten. Viele Interviewpartner werden dann nervös, fangen an zu erzählen und schwadronieren rum. Er sagte gar nichts, und starrte mich ebenso an. "Das finde ich aber eine billige Erklärung, "sagte ich mit der Angst im Nacken, nun würde er endgültig das Interview abbrechen. Er schob die Ärmel seines Sakkos nach oben und beugte sich ganz weit nach vorne, bis sein Gesicht ungefähr 15 Zentimeter von meinem entfernt war und sagte (ungefähr): "Ich will Rollen spielen. Ich bin ein Schauspieler mit Leib und Seele. Ich kann nichts anderes. Mein Leben lang habe ich mir die Seele aus dem Leib gespielt, weil ich wegen meinem Spiel anerkannt werden wollte. Eine Erwähnung in einer Scheiß Lokalzeitung, war ein Sieg. Und dann übernehme ich die diesen Peter Strohm und alle Welt findet das toll. Nur das, was ich vorher all die Jahre gemacht habe, da wo mein Blut drin steckt, davon redet keiner. Nur von dieser Comic-Figur, die ich abgrundtief hasse. Ist für Sie das Grund genug zu saufen?" "Ja, "sagte ich, "aber dann müsste ich jetzt sagen, dass sie ein missverstandener Schauspieler sind, der gerne was anderes wäre. Also selber schuld."

Er lachte. Er lachte sehr lange, lehnte sich zurück und in dem Moment wußte ich, dass das Interview beginnen konnte. Wir sprachen über eine halbe Stunde, und danach lud er mich zum Essen in sein Hotel ein, in dem ihn der NDR untergebracht hatte. Abends trafen wir uns, und wir tranken Unmengen Bier an der Bar des Elysee in Hamburg. Er erzählte viel über sich, seine Arbeit. Und je mehr er mir erzählte, desto mehr Fragen hatte ich. Er war sensibel bis zum Abwinken, und dabei laut und wenn er ficken wollte, dann wollte er ficken. Er war ein wandelnder Anachronismus und der Abend endete betrunken, aber sehr schön. Es war eine Begnung mit einem Mensche, der man auch selber gut sein könnte. Der aber mehr Energie und Kraft austrahlte, als man sich selber für zehn Leben zu getraut hätte. Ich habe wochenlang von der Kraft gezehrt, die dieser Mann austrahlte.

Auf ihn traf die Bezeichnung "Ein Mann wie ein Baum" höchsttreffend zu. Um so mehr bin ich jetzt traurig, dass er, seine Energie und seine liebeswerte Widersprüchlickeit gestorben ist.

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