Mittwoch, 27. November 2002

Gute Takes, Schlechte Takes

Natürlich war uns klar, dass es sich um einen verzweifelten Hilfeschrei von Frau Bucuresti handelte. Zwar war ihre Stimme fest, und sie sprach von einem "großen Spaß", aber dem geschulten Beobachter fiel natürlich sofort das unsichere Flackern in ihren Augen auf. Es ist selbstverständlich, dass man einen Menschen in einer derart verzweifelten Lage nicht die gewünschte Hilfe verweigern kann, zumal es sich auch noch um eine geschätzte Freundin handelt, die in der Regie bei "GZSZ" sitzt. Also tauschten Klaus Cäsar, Ignaz Wrobel, OdC (gute Freunde) und ich nur kurz ein paar Blicke aus und sagten zu, bei einem Aussendreh der TV Serie "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" in Berlin Mitte mit zu wirken.

Nunja, das schon unten erwähnte Wohnmobil war bei meiner pünktlichen Ankunft leider nicht da. Das war aber nicht so schlimm, denn das gesamte Drehteam ließ auch noch auf sich warten. "Kann ja heiter werden, " dachte ich. Nach und nach trudelten die Angestellten des Filmzirkus ein. Nicht einem viel es ein, mich zu begrüßen. Auch als Ignaz, Klaus Cäsar und ich zusammen, mitten unter den recht arroganten Filmmenschen sassen, kam niemand auf die Idee mal "Hallo" zu sagen. Seufzend nahmen wir diese Unverschämtheit hin. Klaus Cäsar meinte "Normalerweise würde ich ja jetzt gehen. " Aber Ignaz und mir gelang es ihn in ein Gespräch über Lyrik-Anthologien der 50er Jahre zu verwickeln, so dass er sitzen blieb. Mittlerweile war dem Aufnahmeleiter der schlimme Fauxpas aufgefallen und er begrüßte uns mit dem Worten. "Ach, die Komparsen". Nur weil Bettinescu uns allen gut zuredete und sich vor allem mit ihren Blicken erleichert zeigte, dass wir da seinen, verliessen wir nicht unter Protest den Drehort.

Es wurde also gedreht. Ein Mensch, der vorher an unserem Tisch sass und seine Zigaretten bis auf den Filter aufrauchte, stellte sich plötzlich als Protagonist der Szene dar. Ich dachte es sei der "Best Boy", aber es handelte sich um Wolfgang Bahro, der einen Menschen namens Dr. Gerner zu spielen versuchen sollte. Bei dem Versuch sollte es dann auch bleiben. In einer erstaunlichen Eile wurde die Gerätschaften aufgebaut und der Regisseur betrat die Szenerie. Ein graumelierter Mann, dessen Augen eine freundliche, aber kalte Authorität ausstrahlten. Er blickte mich an, und als sich unsere Blicken kreuzten, lächelten wir unwillkürlich, wie eben es nur zwei erfahrene alte Hasen machen können, die sich im gegenseitigen Respekt erkennen.

Lange und leise erklärte der bedauernswerte Regisseur seinem vermeintlichen Hauptdarsteller die Szene. Eine einfache Restaurant Szene, ihm gegenüber eine durchaus ansehnliche Dame, welche im Laufe des Gesprächs mit einem Fuß einen erotischen Kontakt unter dem Tisch aufzubauen sucht. Die Schauspielerin war sich ihrer misslichen Lage bewußt, gegenüber einen Menschen zu haben, dessen mimische Fähigkeiten noch nicht mal reichen würden um eine Statue zu spielen. Gelassen nahm sie das Einweihungsprozedere hin. Ich musste genau hinter dem diesem Bahro sitzen. Während die anderen Schauspieler zu zweit an Tische gesetzt wurden, wußte Bettinescu, dass mein Können und meine Ausstrahlung reichen würden, die Szene zu füllen. Ignaz Wrobel, Klaus Cäsar und OdC wurden so zwischen die anderen gesetzt, dass sie im Notfall schnell eingreifen konnten, falls zu schauspielerischen Katastrophen kommen würde.

Der erste Take ging schon mal daneben, weil Bahro seinen Text vergessen hatte. Ich hatte mich derweil mit einer Zeitung so platziert, dass ich sowohl die Szene, als auch die Kamera immer im Blick hatte. Man kann ja nie vorsichtig genug sein, denn der Kameramann schien einen leichten sächsischen Dialekt zu sprechen. Mehrfach musste die Kamera mich so aufnehmen. Das fiel dann auch Bettinescu auf, die, hinter der Kamera stehend, mich mit Blicken anflehte, nicht mein gesamtes Mimikrepertoire zu zeigen, damit die Aufmerksamkeit der Zuschauer auch beim"Hauptdarsteller" bleiben würde. Seufzend fügte ich mich in mein Schicksal und frug mich, was die Produktionsfirma wohl gemacht hätte, wenn ich auch noch gesprochen hätte. "Es ist ja ein Freundschaftsdienst" sagte ich mir, die bittenden Augen von Bettinescu erinnernd.

Die Szene lief dann solala. Bahro gab sich Mühe, mehr ging eben nicht. In den kurzen Drehpausen, in denen Bahro erklärt wurde, wie er zu schauen habe, flirtete ich ein wenig mit der Schausspielerin, die einen ordentlichen Job machte, wenn man die Umstände berücksichtigte. Mehrfach signalisierten mir ihre Augen, in welcher Lage sie stecken würde, und das sie lieber mit einem Profi wie mir eine solch, in ihren Bestandteilen durchaus komplizierten, Szene spielen würde. Aber das ging ja leider nicht.

Mittlerweile wurde es schon dunkel, und noch kein Meter Film war abgedreht. Die Szene war wichtig, also was tun. Bettinescu hatte die rettende Idee. In dem sie OdC bat, während des Gespräches auf zu stehen, und Ignaz mit einem Telefon in der Hand den Raum durchqueren sollte, konnte die Szene an Dynamik gewinnen. Und so war es auch, während Bahro seine Sätze stammelte, schwiegen die Teammitglieder ergriffen, als Wrobel und OdC mit Grandezza und der gewohnten spielerischen Leichtigkeit, die man nur erreichen kann, wenn hochkonzentriert ist, ihre Szene spielten. Niemand achtete mehr auf die beiden am Tisch und auch der Regisseur verfolgte voller Ehrfurcht den Auftritt der beiden.

Schnell war die Szene dann fertig gestellt. Der Regisseur ging an uns vorbei, und wie es sich für einen Mann der alten Schule gehört, kam kein Lob über seine Lippen. Aber das Blitzen in seinen Augen verriet uns, wie stolz er war mit uns zusammen arbeiten zu dürfen. So hatten wir die Szene, wahrscheinlich auch die Serie und den Sender RTL gerettet.

Da wir nur stumm die Szene retten konnten, mussten wir schon sehr intensiv spielen und so machten wir uns dann bald erschöpft auf den Weg nach Haus. Die Szene wird dann im Februar zu sehen sein.

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