Ja nu´mach schon, Idiot!

In manchen Dingen war ich sehr lange, sehr unbedarft. Das bedeutet nicht, dass ich blöd war. Ich konnte jedem der es wollte (wollte nie einer), die Friedensverträge runterbeten, die nach dem zweiten puninschen Krieg geschlossen wurden. Und ich war stolz drauf! Und ich hatte einen 80x86er mit 2 MHz und einer 10MB Festplatte. Und ein "Betty Blue" A0 Poster an der Wand! Und bekam von einem dubiosen holländischen Kassettenlabel (Staalplaat, für den, der es wissen will) monatlich tolle Tapes zugesendet! Und ich kannte die lustigsten Stellen aus "Götter Gräber und Gelehrte"! Mit anderen Worten, ich war ein kleiner Nerd. Erstaunlicherweise hatte ich eine Freundin. Sehr, sehr lange sogar. Ich führe das rückblickend auf den Umstand zurück, dass ich mich in Kreisen bewegte, wo ich noch eher ein Minimal Nerd schien. Die anderen Freunde programmierten alle DOS Programme, die Anagramme erstellten, die sich gegenseitig ausdruckten und austauschten. Fünf Jahre lang wohnten wir fast zusammen, hatten alle sechs bis acht Wochen Sex der Marke "Ach, schon vorbei?" nach dem wir gemeinsam den Abwasch erledigt hatten. Ich war 20 als ich sie kennenlernte und fünf Jahre später war ich immer noch 20.

Die Trennung war ein heilsamer Schock. Ich wechselte Job (vom Kinofilmvorführer zum Barkeeper) und die Stadt (von Bonn nach Köln) und einen großen Teil meines Freundeskreises auch. Im Zuge dieser Veränderungen stellte ich u.a. fest, dass man in Beziehungen nicht nur alle sechs Wochen miteinander schläft, "Kniffel" kein Teil des Vorspiels ist und das es Frauen gibt, die Sex haben wollen. Junge, junge, Großstadt, dachte ich mir, und schaute mir das Spiel um mich herum in der Kneipe an. Hei, wie da gevögelt wurde. Der Kondomautomat auf der Toilette machte mehr Umsatz als der Zigarettenautomat. Ich auch, dachte ich, meine Unerfahrenheit völlig verdrängend. Der erste ONS endete dann erwartungsgemäß in einer Katastrophe, was auch an der 70er Jahre Sommerliege mit Stahlfedern und eingeklemmten Hautstücken gelegen haben könnte. Ich trug schwer an meiner kleinen Niederlage und überlegte wieder einen Rechner zu kaufen.

Eines Abends stand sie jedoch vor mir, der Traum. Lange, dunkelrote Haare, eine Figur mit der sie den Irak-Krieg alleine gewonnen hätte, und eine Stimme, die kurz vor dem Schambein ansässig gewesen sein musste. Sie stellte sich an meine Bar, orderte Kölsch in Großhandelsmengen und machte kleine Kunststücke mit ihrer Oberlippe, die sie wie Billy Idol verziehen konnte. Das fand ich sehr lustig. So stand ich da, trank mit ihr Kölsch um die Wette, zog hier und da eine Augenbraue in die Höhe und hatte eine Dauererektion. Bis die unvergleichliche Marion ankam, ihres Zeichens geboren in Köln-Porz, Mitte 20, blond, nicht eben schlank, die geborene Barfrau und eine Seele von Mensch. "Don, "röhrte sie in mein Ohr,"die es nix für disch. Lass dinge Finger von dä, die rösch nach Ärjer." Und es wäre noch nicht mal zu spät gewesen. Aber ich überlegte schon geraume Zeit, wie ich den "Fusskopp" (O-Ton Marion, Kölsch, nicht zu übersetzen) ins Bett bekommen könnte. Kollege Malcolm, smarter Engländer und Doppelgänger des jungen Cary Grant, hätte an diesem Punkt seine, wie er sie nannte "Drink & Fuck", Mischung aus Tequila/Bailys ausgepackt, die Dame smart um den Finger gewickelt, feinste britische Komplimente gemacht, und sie schwer schwankend am Schluß an der Hand aus dem Pub gezerrt. Ich hingegen sagte einen Satz, den ich unglaublich mutig UND romantisch fand: "Kommst Du morgen noch mal wieder"? Während die versammelte Belegschaft, die, dank Marion, jederzeit voll über meine Fortschritte informiert war, schnell prustend in den Keller lief, schaute mich die Rothaarige an, als hätte ich ihr ungefragt einen Finger in den Hintern gesteckt. Es folgte ein "Ähhhh", dann ein schallendes Gelächter und der Satz "Junge, junge, ich dachte im ersten Moment, Du meinst das ernst. Wie lange musst Du denn noch arbeiten?"

Mehrere Kölsch später landeten wir knutschend auf dem roten Ikea Sofa in ihrer Wohnung in Köln-Nippes. Ich schälte sie aus den Klamotten und sie mir mit ihren Fingernägel die Haut ab. "Aua", dachte ich, aber auch "Hey, wow, die geht aber ab" und "Ich wußte schon immer, dass ich gut knutschen kann" sowieso. Wir robbten uns langsam vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer, ich biß ihr zart ins Öhrchen und sie zerstörte mit einer Art Brunftschrei mein Trommelfell. Rothaarige, hatte mein Onkel mal gesagt, seien sowas wie ein getunter Ferrari im Bett. Da ich bis dato aber eher Volkwagen gewöhnt war, verwirrte mich das alles sehr. Irgendwie schafften wir es dann auch auf das Bett. Ein hübsches, teuer aussehendes Gittermodell, rote Bettwäsche, und über dem Kopfende des Bettes, ein roter Vorhang. Gerade als es anfing wirklich Spaß zu machen, schob sie mich ein Stück zurück und eine weitere Katastrophe in meinem unbedarften Liebesleben nahm ihren Anfang: "Sach ma," säuselte sie, "sach ma, magst Du es eher härter, oder eher kuschelig." "Och, hm...jo...mal so, mal so. Kann man nicht so sagen" sagte ich unglaublich gewitzt. "Ne, weißte," hob sie wieder an, "so nur kuscheln wie wir gerade - [Kuscheln???? Das nennt die Kuscheln, wenn meine Haut an den Armen und auf dem Rücke in langen Fetzen hängt???] - also das ist nett, aber mal ehrlich, das macht ja auf Dauer auch keinen Spaß [Wir könnten ja ne Runde Kniffel spielen].. Also, ich kenn Dich ja nicht so, aber ich denke Du stehst auch eher drauf. Das hab ich schon im Pub gesehen, Du hast so eine bestimmende Ausstrahlung. Na, was solls, zeig ich Dir das halt mal". Sprachs, erhob sich, und riß den Vorhang vom Kopfende des Betts runter.

Was ich an der Wand sah, war offenbar das Werkzeug, um den Ferrari in Gang zu halten. Fein säuberlich hing dort eine erkleckliche Ansammlung von Peitschen, Klemmen, Dildos, Gag-Balls, Handschellen, Lederfesseln, Seilen und ich hatte sehr schnell, sehr viel Angst und sah mich schon in einer "Aktenzeichen XY" Sendung, in der Eduard Zimmermann mit traurigem Hundeblick meinen rästelhaften Tod bekannt gab. Doch Ferrari beruhigte mich kurzzeitig. "Du, ich steh eher so auf die etwas härtere Nummer. Ich mag hart angefaßt werden, und so." Lächelnd nahm sie die Klemmen und eine Art Fliegenklatsche aus Leder von der Wand und hielt drückte mir beides in die Hand. Ein sehr langes "Öhhhhhhhhmmmmmmm" ging mir durch den Kopf, gefolgt von einem "Ja, klar und jetzt". Sie sah mich erwartungsvoll an. "Öhhhhmmmm", machte ich nun laut, "Du, also damit kenn ich mich jetzt nicht sooooo gut aus." Sie quickte "Aber schon mal gemacht, oder?" Ich heroisch "Ja, ja. Lange her, und so." "Na, dann helf ich Dir mal," meinte sie lächelnd und legte sich die Klemmen - zack - zack - an. "Und jetzt bearbeite sie ein wenig mit der Klatsche." So saß ich also da. Nackt, halb betrunken, eine Fliegenklatsche aufrecht in der rechten Hand, eine beklemmte Frau vor mir liegend.

  • Ja, wie jetzt?
  • Na, schlag halt zu.
  • Mit der Fliegenklatsche?
  • Jaaahaaa
  • Auf die Brust?
  • Jaaaaaaaaaaaahaaaaa!
  • Ok Zärtlich ließ die Klatsche hernieder. "Ja, ein bißchen fester wäre nicht schlecht" "Ok". Also patschte ich ein wenig rum, völlig unwissend was ich da mache, aber immerhin schien es ihr zu gefallen. Das machten wir so fünf Minuten, meine Lust war gen Null gewandert und ich überlegte, ob es unhöflich sei, wenn ich jetzt eine rauchen würde. Aber da hatte Ferrari schon wieder eine neue Idee. Sie drehte sich um, legte ich auf den Bauch und befahl mir nuschelnd jetzt die Peitsche von der Wand zu holen.
  • Welche Peitsche?
  • Na, die, die da hängt
  • Da hängen fünf. Die Reitgerte?
  • Nein, die kommt später.
  • Die mit den Fransen dran?
  • Neeeeeehein, die Peitsche halt.
  • Achso. Die mit dem kurzen Bommel dran?
  • Genau!
  • Ok Vor mir also der Körper der Dame, ich nackt neben dem Bett stehend, eine Peitsche in der Hand. Fein. Mein Problem: Wo schlag ich jetzt hin? Probehalber ließ ich das Ding erstmal so durch das Schlafzimmer schnalzen. Es machte "Wuuuuusch...piiiiisch....smack" und ich hatte auf der nahestehenden Kommode eine Batterie Parfumflaschen abgeräumt.
  • Hui
  • Was war das denn?
  • Och nix.
  • Ok
  • Wohin soll ich den hauen?
  • Wie? Wohin?
  • Na, wo magst du es denn?
  • Wie?
  • Na, ich will Dir ja nicht weh tun
  • Ich will aber, dass Du mir wehtust! Manmanananan
  • Ah,. Ok. Ich hau dann mal auf den Rücken. Oder ist Dir der Hintern lieber?
  • Sag mal, das Konzept des Masochismus ist Dir schon klar, oder?
  • Ne, klar. Denk ich.
  • Ja nu´macht schon, Idiot!

Endlose zwei Stunden später war Ferrari dann fertig. Wir hatten uns mehrfach missverstanden ("Du mußt den Gag-Ball hinten auch zu machen" - "Aber dann bekommst du keine Luft mehr" "Ja, herrgott das ist ja der Sinn der Sache!" - "Wie, noch mehr Klemmen?" - "Wie, beschimpfen?") aber nach dem ich sie verschnürt hatte ("Immerhin kannst Du Knoten" - "Hab ja auch ein Segelschein") war ich mir mal in der Küche ein Bier holen gegangen, hatte zwischendurch eine geraucht. Die Gedanken darüber, was ich denn da gerade machte, ließen sich ganz gut mit der Überlegung verdrängen, was für einen neuen Rechner ich mir denn kaufen sollte.

P.S.: Sie saß dann aber noch länger an meiner Seite der Bar.

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Das gemeine Veilchen

Aldous Huxley ist schuld. Klar. Wer sonst. "Die Pforten der Wahrnehmung" zeigten uns eindeutig, dass wir auf dem Weg ein besseres Hirn zu haben und gleichzeitig Paralleluniversen betreten zu können, mit dem Kiffen nicht so recht weiter kommen würden. Zumal wir beide beim Kiffen eher dazu neigten einzuschlafen, was einer Bewußtseinserweiterung diametral entgegensteht. Zumindest der Bewußtseinserweiterung, die wir so im Sinn hatten. Diese Bewußtseinspyraminde von Leary war unser Ziel. Mit dem Kiffen hatten wir ja schon mal eine Stufe dieser, wenn ich mich recht erinnere, sechsstufigen Pyramide erklommen. Wir hatten uns also über die tumbe Masse erhoben und waren auf dem Weg körperliche Metamorphosen in Gang sezten zu können. Auf diese Schnapsidee hatte ich C. gebracht, und mich wiederum ein Buch über keltische Druiden. Die konnten nämlich, der Sage nach, sich in jedes Tier verwandeln, dass sie ein wollten, gerne aber in Wildschweine, weil die wohl irgendwie heilig waren. Dazu warfen sie sich bewußtseinserweiternde Kräuter ein, und nahmen sich eine Jungfrau, mit der sie schliefen. Dann mussten sie höllisch aufpasen um genau einen Moment beim Orgasmus abzupassen, und - zack - waren sie Wildschweine. Wie sie sich zurück verwandeln konnten stand da allerdings nicht.

Ok - Wildschweine wollten wir jetzt keine werden. Auch das mit der Metamorphose war uns ein wenig suspekt. Aber wenn sein Bewußtsein erweitern will, dann sollte man nicht andauernd einschlafen, wenn man bewußtseinserweiternde Drogen nimmt. Es musste also was neues her. Wir blätterten ein wenig in einschlägiger Literatur rum und wollten dann Pilze. Psilos. Dummerweise waren die Dinger in Deutschland damals nicht eben verbreitet. Da gab es noch keine (zumindest nicht in Bonn) Headshops mit unter dem Ladentisch Verkäufen. Als wir sehr konspirativ im "Bla", dem linken Punklokal in Bonn, mal nachfragten, wurde uns empfohlen, den Quatsch sein zu lassen, und stattdessen einfach im Wald einen hübschen Fliegenpilz zu suchen. "Und wie dosiert man den?" wollten wir wissen. "Na, abknabbern, und wenn einem schlecht wird aufhören." Das erschien uns ein wenig gewagt. Wir wollten ja unser Bewußtsein erweitern, nicht absterben lassen.

Also keine Pilze. Doch was synthetisches? Meine Bedenken gegen synthtische Drogen waren groß. Zum einen wußte man nie wirklich was drin war. Zum anderen war ich der festen Überzeugung, dass es sofort und unwideruflich abhängig macht, ich zwei Tage später Heroinsüchtig in der Gosse liegen, und meine Eltern mich verstossen würden. Erst als C. mit besagtes Buch von Huxley in die Hand drückte, legten sich meine Zweifel etwas. Also LSD. Na gut. Aber woher? Es begann eine wochenlange Suche mit geheimnissvollen Telefonaten und geplatzten Treffen an merkwürdigen Orten. Nach dem dritten geplatzten Treffen mit irgendeinem Dealer, standen wir mal wieder im "Bla" schränkten unser Bewußtsein mit Bier ein, als ich mich lautstark über das "beschissene Kaff" hier beschwerte, wo man noch nicht mal vernünftige Drogen bekommen würde. Kaum ausgesprochen, raunzt mich ein Typ an, was ich denn suchen würde. "LSD," gebe ich erstaunt zurück und fand mich eine Minute später auf dem Klo wieder, wo der Handel perfekt wurde.

Also sassen wir da. Zwei Pillen und die Ungewissheit vor uns. Was ist da drin? Was passiert, wenn wir die nehmen? Verwandeln wir uns in kuhäugige Monster mit blauen Tentakeln? Fallen wir einfach tot um? Oder bleiben wir unser Leben lang in einer bunten Blase hängen, schweben 10cm über dem Boden, sind bei klarem Bewußtsein, können uns aber nicht mehr mitteilen? Naja, irgendwie musste das Zeug halt weg. Also losten wir aus, wer zu erst die Pille einwerfen sollte, während der andere mit dem Hand über dem Telefon nüchtern und klar denkend den anderen überwacht. Ich durfte als erster. Mit einem guten Schwung Cola warf ich das Ding ein, setzte mich gerade aber bequem hin, und wartete. Das sah schon mal sehr blöd aus. Wie Menschen halt aussehen, die rumsitzen und auf was warten. Die Wirkung von Dope gewohnt, erwartete ich die erste Wirkung nach rund 15 Minuten. Es passierte aber nichts. Gar nichts. Ich sass da rum, stierte aus dem Fenster. "Wahrscheinlich hat der uns Traubenzucker angedreht" murmelte ich und ging auf die Toilette. Dort angekommen betrachtete ich die gekachelten Wände seines Badezimmers und dachte: "Waren in der Wand schon immer so Dellen drin? Dellen, die sich bewegen? Wow, das muss ich C. sagen, dass da einer immer gegen die Wand tritt und die sich dann wellt." Ich kam aber nicht mehr dazu. dass C. zu sagen. Auf dem Weg von der Toilette hatte ich es einfach vergessen, weil mich gerade das Logo meiner Marlboro-Schachtel extrem faszinierte. Dieses unglaublich fein gezeichnete Wappen, dachte ich. Sowas feines. Mensch, muss da einer Arbeit gehabt haben, dass zu entwickeln. Das ist ja soooo unglaublich fein. Und dreidimensional. Es dreht sich vor mir, und ich kann das Marlboro-Wappen endlich mal von hinten sehen. Super. Ich kann mich sogar in das Wappen hineinstellen und sehen, wie es sich um mich herum dreht. Klasse. Muss ich C. erzählen.

Aber da kam ich auch nicht zu, denn als ich es machen wollte, hatte C. mich schon aus der Wohnung gezerrt. Es war ihm einfach zu langweilig geworden mit mir drin zu sitzen und mir dabei zuzuschauen, wie seit ungefähr einer Stunde auf eine Marlboropackung starrte und dabei selig lächelte. Draussen war die Packung auch gleich wieder vergessen. Man, war das bunt. Das war ja so bunt. Und die Geräusche! Man, waren das Geräusche. Ne. Also. Echt. Auf jeden Fall war das eindeutig zuviel bunt und Geräusch auf einmal. Die Farben sprangen einen an, und sagten: "Hey, sieh mich an, ich bin total schön" und andere sagten "Quatsch, hier, ich bin total tief". Sehr verwirrend. Nachdem ich wohl ca. eine halbe Stunde verwirrt rum gestanden habe, schob mich C. zu einem Blumenbeet mit Veilchen. Sofort sprang mir ein dunkelblau-lila Veilchen ins Auge und ich kniete mich vor das Veilchen um mir seine Farbe an zu sehen. Es war so schön dunkelblau-lila. Mein Leben lang hatte ich noch nie daran gedacht, dass dunkelblau-lila eine Farbe sein kann, aber jetzt wollte ich, dass diese Farbe in mir ist. Das mein ganzer Körper diese Farbe ins sich trägt und ausstrahlt. Ich wollte nur noch dunkelblau-lila sein, alles andere erschien mir grotesk. Grotesk muss es auch ausgesehen haben, wie ich vor dem Veilchen hing. Auf Knien, die Unterschenkel angewinkelt, die Augen knapp 5 cm von dem Veilchen entfernt, schaukelte ich sanft auf meinen Knien hin und her. C. lachte sich schlapp, ich machte mir langsam Sorgen. Irgendein Teil meines Bewußtsein schien aufgetaut zu sein und wunderte sich darüber, was der Rest gerade machte.

Waches Bewußtsein (WB): "Hallo?" Fliegendes Bewußtsein (FB): "Ist das schön" WB räuspert sich WB:"Ähhhmmmm...das ist ne Blume" FP: "Jaajaa" WB:"Hübsch. Können wir mal was anderes machen?" FP: "Ist das schön" WB: "Mir ist langweilig" FB: "Schau halt die Farben an. Wir wollen nur noch diese Farbe sehen" WB: "Wir????" FB: "Ja, wenn wir alle diese Farbe so sehen würden, dann gäbe es Krieg mehr und so Sachen." WB: "Hast Du eben WIR gesagt"? FB: "Ohja. Das ist sehr schön. Dieses Blau. Wir möchten nur noch so dunkelblau sein." WB: "Ohoh!"

Dieses "Ohoh" meines partiell wieder auftauchenden Bewußtseins weckte wohl weitere Teile meines Hirns auf, die sich nun damit beschäftigten, warum ich diese Blume anstarrte. Große Teile meines Hirns waren nach kurzer Zeit sehr mit dieser Frage beschäftigt, während andere Teile immer noch sehr gerne dunkelblau-lila sein wollten. Mein Gleichgewichtsorgan stellte den mittlerweile sehr lautstarken, mit bösen Worten und hässlichen Gesten geführten Streit meiner verschiedenen Hirnareale dann ein, in dem es einfach kurzzeitig seine Arbeit einstellte und ich mit der Nase in der Blume landete. C. eilte herbei, aber mit einem Schlag war ich halbwegs wieder wach. Benebelt zwar, aber deutlich klarer. Nur Reden ging nicht. "Durst" brachte ich mühsam hervor und bekam Wasser. C. sah nun seinen wissenschaftlichen Ehrgeiz geweckt, zumal er gerade über eine halbe Stunde mir dabei zu gesehen hatte, wie eine Blume anstarrte. Ob ich rauchen wolle? Nein. Essen? Gott bewahre, wie profan. Schlafen? Ja, gleich. Sex? Bitte WAS???? Sex war so ziemlich das dämlichste was ich mir jetzt vorstellen konnte. Diese ganze Arbeit. Dieses aufeinander rumschubern. Dieses Streß und diese hektischen Bewegungen. Wer so einen Quatsch erfunden hat, muss ganz schön einen an der Waffel haben. Wenn man doch mit einer hübschen Farbe viel mehr Spaß haben kann.

Aber so langsam klang die Wirkung ab. Insgesamt waren es wohl drei Stunden, in denen ich nicht eben da gewesen bin. Mir kam es vor wie halbe Stunde höchstens.Ich schlief dann irgendwann selig ein. Am nächsten Tag machte C. das Experiment und ich muss sagen: Es gibt nichts langweiligeres als einem Menschen bei seinem Trip zu zusehen. Er starrte stundenlang auf seinem Teppich, und er behauptete später, sein Bewußtsein habe sich in ein winziges Raumschiff verwandelt und er sei damit dann zwischen den Teppichfransen hin und her geflogen. Letztlich fanden wir das Ergebnis, eine Farbe zu sehen und zwischen Teppichfransen rum zu fliegen nicht soooo bewußtseinserweiternd und haben auf weitere Experimente verzichtet.

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Mein erster Joint

Das war eine schwere Geburt. Klar kannte ich Menschen, die jemanden kannten, der schon mal gekifft hatte. Aber das war so wie früher das Ficken und noch früher "Unter die Bluse gehen" und noch viel, viel früher das Knutschen. Man kannte immer jemanden, der jemanden kannte, der dass schon hinter sich hatte. Überhaupt war "Unter die Bluse gehen" das Ding. Wenn man einer Frau unter die Bluse gehen konnte, dann war dass ja gleich bedeutend mit Ficken. Irgendwie. Denn was konnte eine Frau noch davon abhalten mit einem zu schlafen, wenn man schon wild wie ein Bäckergeselle Brüste kneten konnte. Sehr viel, wie ich dann auch mal herausfinden durfte. Aber was lache ich mir auch eine erzkatholische Frau aus der Eifel an. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich hatte jedenfalls schon Brüste geknetet (ganze Battalion-Ladungen von Broten wären das gewesen!) und gefickt hatte ich auch schon. Wieder eine sehr merkwürdige Geschichte. Aber gekifft hatte ich noch nicht. Mittlerweile waren große Teile meines dubiosen Bekanntschaftkreises schon zu anderen Drogen übergangen. Ja, sogar LSD wollten einige schon in ihr Hirn gestopft haben. Ich war immer noch bei Bier. Das reichte mir eigentlich. Bier machte einen schön blöd im Kopf, und wie blöd konnten andere Drogen einen im Vergleich zu einem ordentlichen Bier-Hang-Over am nächsten Morgen schon fühlen lassen? Aber irgendwas musste ja dran sein, am Dope. Also ausprobieren. Ein ebenso minderentwickelter Freund fasste sich ein Herz und bestellte beim ortsbekannten Dorf-Dealer was von "dem Zeug". Ich besorgte die, wie mir schienen, meterlange Blättchen, welche ich mit niedergeschlagener Miene beim Tabakhandel erwarb. Niedergeschlagen weniger, weil es mir per se peinlich war, sondern weil es mir peinlich war, als Mensch mit einem vertibalen Bartwuchs dererlei Dinge zum ersten Mal ordern zu müssen. Gut. Dope da. Blättchen da. Aber wie in Gottes Namen dosiert man das dämliche Zeug. Natürlich wußten wir theoretisch Bescheid. Anflämmen, reinkrümmeln. Aber wieviel, auf wieviel Tabak? Erst den Tabak, dann das Dope? Oder doch lieber in den Tee? Die Teevariante verwarfen wir schnell, denn das war schwul. Tee. Weiber. Schwul. Damals ein Wort, sozusagen. Also den "Drum" Tabak rein und dann irgendwie, irgendwas von dem Zeug rein. Natürlich hatten wir uns auch vorbereitet. Denn zu einem coolen Trip gehört natürlich auch coole Musik. Pink Floyds "Meddle" und, wenn dann immer noch nichts passiert sei, "Umma Gumma" lagen bereit. Rauchen. Schmeckt auch erst mal nicht anders, als jede x-beliebige Selbstgedrehte. Vielleicht mal so richtig reinziehen, wie sie das in den modernen "Tatort" Filmen immer machen? So richtig, mit tief Luftholen? Hey, ich rauche filterlose, dass macht MIR doch nichts. Ich hatte alsbald das Gefühl, die Lungenbläschen würden sich nach innen stülpen und der Rest der Lunge gleich mit. Ungefähr fünf Minuten lang. Dann bekam ich wieder Luft und sah die großen staunenden Augen des Freundes. Waren das etwa schon erste Anzeichen des coolen Trips? Wenn die Sicht irgendwie verschleiert wirkte, der andere so komisch verschwommen? Ach nee, waren nur die Tränen in den Augen. Dann war der Joint zu Ende.

Warten...

Warten...

Warten....

Die "Umma Gumma" plärrte mittlerweile schon das erstmal. Vielleicht mal hinlegen? Auja, hinlegen, das machen die in den Filmen ja auch, wenn sie am Joint gezogen hatte. Dann legten die sich sofort hin und sahen aus, als ob sie einen Delphin geknutscht hatten. Also hinlegen. Ja. Cool. Die "Umma Gumma" Seite zwei war zu Ende. Scheiße. Aufstehen, umdrehen. Hinlegen.

Warten...

Warten...

Warten...

"Ich fühl mich irgendwie....." .... "Ja", antwortet der Freund erwartungsfroh, in der Hoffnung, das wenigstens etwas beim anderen passiert. "Ich fühl mich so....normal" antworte ich, leicht enttäuscht. "Tjaaaaaaahaaaahaaa, " antwortet der Freund, "so ist das halt bei Drogen, da fühlt man sich ganz nah selber." Nun wollte ich ihn nicht in diesem Moment über meine Beweggründe aufklären, warum ich diese Droge nahm, die da folgende waren:

  1. Ich wollte mal nicht bei mir selber sein
  2. Ich wollte was anderes fühlen
  3. Ich wollte nicht bei mir selber sein
  4. Ich wollte wilde Gedanken haben
  5. Ich wollte wilde, sexuelle Gedanken haben
  6. Ich wollte deswegen schon mal gar nicht bei mir selber sein

Also sagte ich: "Hmmmpf".

Irgendwann waren wir dann zu faul NOCH mal die "Umma Gumma" zu hören. Also legten wir Laibach auf, in der Hoffnung, wir würden wenigstens die berühmten Kicheranfälle bekommen. "Life is Life" von Laibach. Höhöhöhöhö. Das ist to_tal lustig, wie der das singt. Höhöhöhhö. Kam aber nicht. Immerhin fanden wir uns 20 Minuten später in einer Diskussion über Neue Slowenische Kunst wieder, stellten aber fest, dass wir das ohne Dope auch schon mal durchdiskutiert hatten. Das sollte also alles sein? Man nimmt Drogen um Diskussionen zu führen, die man schon mal in seinem Leben geführt hatte, sich aber leider nicht mehr dran erinnern konnte? Hmmm. Es half nichts. Wir mussten uns eingestehen: Das war einfach zu schwach dosiert. Da muss mehr rein. Also noch mal gebröselt. Jetzt aber richtig. Ja, komm, das vertragen wir. Wir doch sowieso. Ja, leg noch mal "Umma Gumma" auf. Hatten wir die schon? Erneut plagten mich tuberkolotische Hustenanfälle, in den meine Lunge das sehr, sehr dringende Bedürfnis zu haben schien, sich außerhalb meines Körpers aufzuhalten. Da wir nun schon über die Kunst schwadroniert hatten, beschlossen wir das Reden zu lassen und zu bei gedämpften Licht (Rot!) zu schweigen und fünftenmale die "Umma Gamma" zu hören.

Warten...

Warten...

Warten...

Irgendwann war mir das mit dem Warten zu blöd. Der Freund schlief mittlerweile und ich hatte das dringende Bedürfnis zu onanieren. Das kam mir aber albern vor. So an mir rumreiben, schubbern, fummeln. Selbst als ich eine Erektion von hier bis Warschau hatte, war es albern. Ich musste leise kichern. Wie dämlich. Da rumliegen und eine Erektion in den Händen haben. Für was sollte das, bitte schön, gut sein? Ich schaute so an mir runter, und fand, dass das ganz schön lächerlich aussah. So ein Stab aus der Mitte des Leibes. Sah aus wie eine Efeuranke, die sich zur Sonne drehte. EFEU! Eine Pflanze die ihre Wurzeln in Hausmauern schlägt. Mein Schwanz ist eine Wurzel, die sich in Hausmauern festkrallt. Wie lächerlich... Was ist das überhaupt für ein Wort? Efeu.... Mein Schwanz rankt sich efeuartig um meines Leibes Mitte..... Da war es dann geschehen und ungefähr 4 Gramm Dope platzend in einem gigantischen Lachanfall aus mir heraus. Das ungefähr 2 Stunden lang. Noch Monate später musste ich, wenn ich eine Efeupflanze an irgendeinem Haus sah, unwillkürlich kichern. Und in Bonn gibt es viele, sehr viele Häuser mit Efeupflanzen drumherum.

DAS war aber alles nicht so peinlich und schlimm, wie der Moment der Erinnerung an "Efeu" ein paar Wochen später, als meine neue Freundin während des erstens Liebesspiels mir zwischen die Beine griff und sagte "Ich liebe eine harte Wurzel"

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Alkohol

Meine erste bewußte Begegnung mit Alkohol fand im stattlichen Alter von 14 Jahren in Form eines Frontalzusammenstoßes mit "Johnny Walker Red Label" statt. Wir hatten uns das sehr lange überlegt und uns ein Wochenende ausgesucht, an dem seine Eltern nicht da waren. Also haben wir uns im dörflichen Supermarkt eine Flasche des Zeugs gekauft. Warum Whiskey? Nun, weil Whiskey ein MÄNNER Stoff ist. Nur echte Männer trinken Whiskey. Schlappschwänze trinken Bier. Oder...pfff...so süßes Zeug. Frauen trinken Schlehenfeuer oder Cognac. Wein trinken Rentner. Also Whiskey. Natürlich nimmt man den, der auch von echten Männern getrunken wird. Scotch. Und selbstverständlich den, der Abends freundlich ins Haus kommt, und einem Mann die echte Entspannung gibt. Hat man erstmal drei Liter intus, ist man ganz Mann und kann wahlweise auf Großwildjagd und Antarktisexpeditionen gehen oder mit klickernden Eisstückchen im Glas sinnierend in Gartenstühlen sitzen.

Das mit den klickernden Eisstückchen war schon mal kein Problem. Und das Motto: "Erst Essen, dann trinken" war uns dank diverser Abstürze der Eltern auch schon geläufig. Also Miraculi gemacht. Danach wurde Johnny geköpft. Das Zeug roch scharf und erinnerte mich olfaktorisch eher an "Domestos", aber so ist das ja häufig: Erst riecht es scheisse, aber dann entfaltet sich der Geschmack der bunten weiten Welt auf der Zunge des geboren Lebemannes. Wir tranken also den ersten Schluck. Das Zeug rann die Kehle runter, ich spürte, wie der Saft, der aus mir nun endlich einen Mann machen würde sich seinen Weg bahnte und auf diesem bedenklich große Stücke meiner Speiseröhre mit nahm. Vielleicht doch ein Schluck Cola rein, klagte ich hustend, während mein Freund versuchte die Tränen aus seinen Augen unbemerkt weg zu wischen. Mit Cola ging es deutlichst besser. Es war aber natürlich ein Bruch mit den Traditionen des Mann-werdens. Man steht schon irgendwie blöd da, wenn man seinen Kindern später zähneknirschend gestehen muss, man habe den Alkohol verwässert. Dann fiel uns ein, dass wir ja das erste Glas pur getrunken hatten und eigentlich..naja... es sind die 80er und da macht man alles anders, das ist ein neues Jahrzehnt, da trinkt man eben alles Cola, immerhin gab es damals "McTwo" von Schweppes, das war Bier mit Zitronenlimonande, und DAS ist ja wohl was ganz anderes, verglichen mit unserem, von alten schottischen Bergbauern in Holzhütten nach einem jahrhundertealten Geheimrezept gebrauten Edelwhiskey von "Lidl". Der Abend ging sehr locker weiter. "Ich spür gar nichts" kicherte ich, legte die neue "Earth, Wind & Fire" Scheibe auf und ratschte mit der Nadel einmal quer drüber. "Hihi" kicherte der als Plattenfetischst schon damals bekannte Freund, der seine Scheiben in Extra PVC Verpackungen steckte, damit sie nicht so abnutzten. So war es also, das Mann-Sein. Man hielt sich an Schrankwandverkleidungen fest und führte Männergespräche mit jemanden, der seit einer Viertelstunde verzweifelt versuchte sich lässig auf eine Fensterbank zu setzen. Toll. Wir sprachen über unsere Zukunft "Geh mir weg mit Frauen...nenene...mit denen schläft man, aber die hat man nicht im Haus." Über unsere Gegenwart "Scheissssse...näxste Woche Englischarbeit" und unsere Vergangenheit "Gestern habsch Pornos inner Mülltonne vom Nachbarn gesehen, echt jetzt." um noch einmal bei der Zukunft zu landen: "Also wenn ich mal mit ner Frau schlafe, dann muss die aber tiptop aussehen." Ja, wir waren Männer. Johnny Walker war ins Haus gekommen, und hatte uns gesalbt. Wir dankten Johnny Walker sehr, klopften uns auf die Schultern und uns war kotzübel. So schliefen wir dann kichernd ein. Zwischen uns lag ein damals modernes Stereoradio. Eine Box an meinem Ohr, eine Box an seinem Ohr. Ich wurde dann kurze Zeit später wieder wach. Jemand schien das Bett, das eh schon rund war, auf eine Drehbank gestellt zu haben. Der Freund musste ein ähnliches Gefühl gehabt haben, denn er hatte mittlerweile Teile seines Abendessens auf dem Radio drapiert. Unschön, schoss es mir durch den Kopf, kurz bevor mein Abendessen ebenfalls diesen Weg einnehmen wollte. Auf dem Weg zur rettenden Toilette blieb ich leider mit der Schulter am Türrahmen hängen. Diese kleine Verzögerung hatte zur Folge, dass sich mein feinausgeklügelter Plan ("Du rennst jetzt schnell los, denn Du hast ungefähr noch 3 Sekunden") sich in Wohlgefallen auflöste, und ich auf den IKEA Teppich kotzen musste. Sowas blödes, dachte ich. Das muss vor allem weg, denn morgen Mittag sind die Eltern wieder da und wie sieht denn das aus. Also nahm ich großzügig ein paar Handtücher, wischte den Krempel auf, stopfte die Handtücher in die Waschmaschine und schlief vor selbiger ein. Das Hallo war groß. Erst fanden die Eltern am nächsten Morgen ihren Sohn, angezogen und in Mitten seines Abendessens, dann den Nachbarsjungen in Fötalhaltung frierend vor der Waschmaschine, die bedenklich roch.

Na, zumindest fanden sie es lustig. Jahre später. Wir aber waren zutiefst vom Mann-Sein enttäuscht, verzichteten auf Alkohl und verlegten uns auf das Rauchen.

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Sex in Frankreich (naja...Sex...eher Knutschen)

Schüleraustausch. Was sonst. Bei mir war es Frankreich, genauer gesagt der Norden Frankreichs. Einquartiert war ich bei Jean-Michel, einem langhaarigen, rauchenden, ewig nuschelnden, trinkenden und perfekt Deutsch sprechenden Franzosen. Ich kannte Frankreich so gut wie gar nicht, meine Französischkenntnisse waren rudimentär und ich war vor allem ganz und gar gegen diesen verschissenen Schüleraustausch. Er wohl auch. Er holte mich missmutig ab und sagte ein paar Sätze in perfekten Deutsch, die mich aufatmen ließen. Also trotte ich Jean-Michel hinter her und gelangte so in ein altes Bergarbeiterreihenhaus.

Die Familie empfing mich mit Pastis. Wir tranken und unsere Laune stieg ein wenig, besonders nach dem wir einen einigermaßen deckungsgleichen Musikgeschmack festgestellt hatten. Eine Tatsache, die unter 15jährigen extrem pubertierenden Jungs aber mal sowas von wichtig ist. Ohne gleichen Musikgeschmack geht nichts. Gar nichts. Er zeigte mir sein Zimmer, das er geräumt hatte, und in dem ich schlafen konnte. Sogar seine Stereoanlage durfte ich benutzen. Wenig später raunte er mir zu, dass seine Cousine in der Stadt sein und "ohlálá", die habe es aber faustdick hinter den Ohren. Kicherkicher. Erste Erektionsphantasien über Französinnen. Soweit war man damals auch schon, als dass man wußte das Französinnen natürlich und überhaupt es immer faustdick hinter den Ohren haben und Sachen wissen, von denen die deutschen Mädels ja noch nicht mal gehört haben. Jean bestärkte mich als nationalbewußter Franzose in diesem Glauben, während ich jammernd darauf hinwies, das man es bei deutchen Mädels "vergessen könne", nicht mal unter die Bluse dürfe man. Pah. Jean lachte.

Am nächsten Abend saßen wir im Garten des Bergarbeiterhäuschens, als plötzlich Geraldine vor uns stand. Das sei seine Cousine, erzählte Jean grinsend, während ich zu verbergen suchte, dass mich gerade auf der Stelle verliebt hatte. Sie war [insert hier: Beschreibung eines 15jährigen, hormongesteuerten Teenagers mit bestimmen Vorurteilen über Französinnen der Cousine] Aber ich konnte gucken wie wollte, sie zeigte mir die kalte Schulter. Ich entwickelte mich über die nächsten Tage zu einem derartig grenzdebilen, ewig unsicher grinsenden, mit halboffenen Mund herumstehenden, französische Brocken stammelnden, buhlenden Hormonmonster, dass Jean mich eines Tages angewidert zur Zeit zog. So würde das nichts (mir auch klar), das sei ja nicht zum Ansehen (mir doch egal), ich würde mich ja lächerlich machen (pöh), ich hätte ja wohl keine Ahnung von Frauen (stimmt) er würde mir jetzt mal den Rat geben, sie einfach zu ignorieren (bist du wahnsinnig????), sei ja schließlich seine Cousine (was für ein Grund), er wüßte Bescheid (Du bist seit einem Jahr Single, Jean), und jetzt, zackzack, ignorieren.

Am nächsten Tag fuhren wir an Meer. Ich übte mich im ignorieren. Ich war sehr schlecht. Geraldine ignorierte dafür mich mit grandioser Präzision. Immer erst drei andere fragen, wenn was anbietet usw. So war das nicht geplant. Ich nahm all meinen Mut zusammen und ignorierte zurück. Beim Grillen in den Dünen gab ich ihr kein Feuer. Jean ermutigte mich zu mehr. Ich wurde im Laufe des Tages so gut, dass ich sie sogar mitten im Satz unterbrach und einfach mit Jean weiterredete. Der war begeistert, sie sauer, ich abends kreuzunglücklich.

Sie ward nicht mehr gesehen. Dies sei ein gutes Zeichen, so Jean, dem ich gerne dafür in die Fresse gehauen hätte. Stattdessen spielten wir Karten, tranken Bier und hörten Musik. Am vorletzten Tag heiratete Jeans Schwester. Es gab eine große Hochzeit in der Kirche, die ich mir aber mit Jean und seinem ebenso kriegsversehrten wie trinkfesten Onkel nicht mit ansah. Stattdessen saßen wir draußen und tranken Pastis. Morgens um 10.00. Und ich spürte, dass dies noch ein sehr heiterer Tag werden würde.

Bis die Trauung in der Kirche abgeschlossen war, war ich betrunken. Als die Tore aufgingen stolperten wir zum glücklichen Brautpaar und ich lief Geraldine in die Arme, die mich freudig begrüßte. "Zynische Kuh," dachte ich, schöpfte aber gleichzeitig Hoffnung. Weiter gings in einem Ladenlokal, das kurzerhand zum Festsaal umgebaut worden war. Das Essen begann um 13.00 Uhr und war 22.00 Uhr beendet. Geraldines Mutter kochte wie eine Göttin, sie half in der Küche und ich trank von 13.00 Uhr bis 22.00 Uhr eine gesunde Mischung aus Martini Rosso, Rotwein und irgendwelchen Schnäpsen. Zwischen den 28 Gängen, plapperte ich mit Geraldine und polierte mein Französisch. Ich knobelte mit Jean neue Sätze aus, er brachte mir neue Wörter bei. Der ebenso kriegsversehrte wie mittlerweile betrunkene Onkel lallte mir Anzüglichkeiten ins Ohr und drückte mir seinen Autoschlüssel augenzwinkernd in die Hand. Es war klar - wenn ich heute nicht Geraldine....wann dann? Um 23.00 Uhr hatte ich dann die Schnauze voll. Ich war betrunken. Ich wollte nichts mehr Essen. Ich wollte nicht mehr Reden. Ich wollte Geraldine knutschen. Die stand draußen und bewachte die drei bis zehnjährigen. Ich also raus. Ich hatte das Gefühl gleichzeitig Steve McQueen, John Wayne und Sean Connery zu sein. Ich kann alles. Also stehe ich sehr, sehr entschlossen und leicht schwankend vor ihr, habe aber auf dem Weg leider vergessen was ich sagen wollte. Sie hat die Situation dann gerettet und meine Hand genommen.

Irgendwie sind wir dann aber doch noch auf Rücksitz des Autos gelandet. Es entwickelte sich eine heftige Knutscherei, ein gegenseitiges Ausziehen und ein Moment starren Erschreckens, als sie ihren BH selber auszog und sämtliche abgespeicherten Dinge über Französinnen sich zu bewahrheiten schienen. Während wir also nachschauten, ob die französische Anatomie mit der germanischen Anatomie passgenau zusammen zu führen war, muss der Onkel wohl das Bedürfnis gehabt haben, mit seinem Auto nach Hause zu fahren. Jedenfalls ging plötzlich die Fahrertür auf, während meine Hand gerade tief in der noch nicht geöffneten Hose steckte. Geraldine erschrak, setzte sich kerzengerade hin, was dazu führte, dass ich meine Hand erst recht nicht aus der Hose bekam. Der Onkel fror in seiner Einsteigsbewegung ein, schaute sich das verknotete Schauspiel zehn Sekunden lang glasig an, und murmelte dann "Ok, einen Rotwein noch, dann ist Schluß". Wir sind dann lieber ausgestiegen und zu Jean gefahren.

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