Ja nu´mach schon, Idiot!

In manchen Dingen war ich sehr lange, sehr unbedarft. Das bedeutet nicht, dass ich blöd war. Ich konnte jedem der es wollte (wollte nie einer), die Friedensverträge runterbeten, die nach dem zweiten puninschen Krieg geschlossen wurden. Und ich war stolz drauf! Und ich hatte einen 80x86er mit 2 MHz und einer 10MB Festplatte. Und ein "Betty Blue" A0 Poster an der Wand! Und bekam von einem dubiosen holländischen Kassettenlabel (Staalplaat, für den, der es wissen will) monatlich tolle Tapes zugesendet! Und ich kannte die lustigsten Stellen aus "Götter Gräber und Gelehrte"! Mit anderen Worten, ich war ein kleiner Nerd. Erstaunlicherweise hatte ich eine Freundin. Sehr, sehr lange sogar. Ich führe das rückblickend auf den Umstand zurück, dass ich mich in Kreisen bewegte, wo ich noch eher ein Minimal Nerd schien. Die anderen Freunde programmierten alle DOS Programme, die Anagramme erstellten, die sich gegenseitig ausdruckten und austauschten. Fünf Jahre lang wohnten wir fast zusammen, hatten alle sechs bis acht Wochen Sex der Marke "Ach, schon vorbei?" nach dem wir gemeinsam den Abwasch erledigt hatten. Ich war 20 als ich sie kennenlernte und fünf Jahre später war ich immer noch 20.

Die Trennung war ein heilsamer Schock. Ich wechselte Job (vom Kinofilmvorführer zum Barkeeper) und die Stadt (von Bonn nach Köln) und einen großen Teil meines Freundeskreises auch. Im Zuge dieser Veränderungen stellte ich u.a. fest, dass man in Beziehungen nicht nur alle sechs Wochen miteinander schläft, "Kniffel" kein Teil des Vorspiels ist und das es Frauen gibt, die Sex haben wollen. Junge, junge, Großstadt, dachte ich mir, und schaute mir das Spiel um mich herum in der Kneipe an. Hei, wie da gevögelt wurde. Der Kondomautomat auf der Toilette machte mehr Umsatz als der Zigarettenautomat. Ich auch, dachte ich, meine Unerfahrenheit völlig verdrängend. Der erste ONS endete dann erwartungsgemäß in einer Katastrophe, was auch an der 70er Jahre Sommerliege mit Stahlfedern und eingeklemmten Hautstücken gelegen haben könnte. Ich trug schwer an meiner kleinen Niederlage und überlegte wieder einen Rechner zu kaufen.

Eines Abends stand sie jedoch vor mir, der Traum. Lange, dunkelrote Haare, eine Figur mit der sie den Irak-Krieg alleine gewonnen hätte, und eine Stimme, die kurz vor dem Schambein ansässig gewesen sein musste. Sie stellte sich an meine Bar, orderte Kölsch in Großhandelsmengen und machte kleine Kunststücke mit ihrer Oberlippe, die sie wie Billy Idol verziehen konnte. Das fand ich sehr lustig. So stand ich da, trank mit ihr Kölsch um die Wette, zog hier und da eine Augenbraue in die Höhe und hatte eine Dauererektion. Bis die unvergleichliche Marion ankam, ihres Zeichens geboren in Köln-Porz, Mitte 20, blond, nicht eben schlank, die geborene Barfrau und eine Seele von Mensch. "Don, "röhrte sie in mein Ohr,"die es nix für disch. Lass dinge Finger von dä, die rösch nach Ärjer." Und es wäre noch nicht mal zu spät gewesen. Aber ich überlegte schon geraume Zeit, wie ich den "Fusskopp" (O-Ton Marion, Kölsch, nicht zu übersetzen) ins Bett bekommen könnte. Kollege Malcolm, smarter Engländer und Doppelgänger des jungen Cary Grant, hätte an diesem Punkt seine, wie er sie nannte "Drink & Fuck", Mischung aus Tequila/Bailys ausgepackt, die Dame smart um den Finger gewickelt, feinste britische Komplimente gemacht, und sie schwer schwankend am Schluß an der Hand aus dem Pub gezerrt. Ich hingegen sagte einen Satz, den ich unglaublich mutig UND romantisch fand: "Kommst Du morgen noch mal wieder"? Während die versammelte Belegschaft, die, dank Marion, jederzeit voll über meine Fortschritte informiert war, schnell prustend in den Keller lief, schaute mich die Rothaarige an, als hätte ich ihr ungefragt einen Finger in den Hintern gesteckt. Es folgte ein "Ähhhh", dann ein schallendes Gelächter und der Satz "Junge, junge, ich dachte im ersten Moment, Du meinst das ernst. Wie lange musst Du denn noch arbeiten?"

Mehrere Kölsch später landeten wir knutschend auf dem roten Ikea Sofa in ihrer Wohnung in Köln-Nippes. Ich schälte sie aus den Klamotten und sie mir mit ihren Fingernägel die Haut ab. "Aua", dachte ich, aber auch "Hey, wow, die geht aber ab" und "Ich wußte schon immer, dass ich gut knutschen kann" sowieso. Wir robbten uns langsam vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer, ich biß ihr zart ins Öhrchen und sie zerstörte mit einer Art Brunftschrei mein Trommelfell. Rothaarige, hatte mein Onkel mal gesagt, seien sowas wie ein getunter Ferrari im Bett. Da ich bis dato aber eher Volkwagen gewöhnt war, verwirrte mich das alles sehr. Irgendwie schafften wir es dann auch auf das Bett. Ein hübsches, teuer aussehendes Gittermodell, rote Bettwäsche, und über dem Kopfende des Bettes, ein roter Vorhang. Gerade als es anfing wirklich Spaß zu machen, schob sie mich ein Stück zurück und eine weitere Katastrophe in meinem unbedarften Liebesleben nahm ihren Anfang: "Sach ma," säuselte sie, "sach ma, magst Du es eher härter, oder eher kuschelig." "Och, hm...jo...mal so, mal so. Kann man nicht so sagen" sagte ich unglaublich gewitzt. "Ne, weißte," hob sie wieder an, "so nur kuscheln wie wir gerade - [Kuscheln???? Das nennt die Kuscheln, wenn meine Haut an den Armen und auf dem Rücke in langen Fetzen hängt???] - also das ist nett, aber mal ehrlich, das macht ja auf Dauer auch keinen Spaß [Wir könnten ja ne Runde Kniffel spielen].. Also, ich kenn Dich ja nicht so, aber ich denke Du stehst auch eher drauf. Das hab ich schon im Pub gesehen, Du hast so eine bestimmende Ausstrahlung. Na, was solls, zeig ich Dir das halt mal". Sprachs, erhob sich, und riß den Vorhang vom Kopfende des Betts runter.

Was ich an der Wand sah, war offenbar das Werkzeug, um den Ferrari in Gang zu halten. Fein säuberlich hing dort eine erkleckliche Ansammlung von Peitschen, Klemmen, Dildos, Gag-Balls, Handschellen, Lederfesseln, Seilen und ich hatte sehr schnell, sehr viel Angst und sah mich schon in einer "Aktenzeichen XY" Sendung, in der Eduard Zimmermann mit traurigem Hundeblick meinen rästelhaften Tod bekannt gab. Doch Ferrari beruhigte mich kurzzeitig. "Du, ich steh eher so auf die etwas härtere Nummer. Ich mag hart angefaßt werden, und so." Lächelnd nahm sie die Klemmen und eine Art Fliegenklatsche aus Leder von der Wand und hielt drückte mir beides in die Hand. Ein sehr langes "Öhhhhhhhhmmmmmmm" ging mir durch den Kopf, gefolgt von einem "Ja, klar und jetzt". Sie sah mich erwartungsvoll an. "Öhhhhmmmm", machte ich nun laut, "Du, also damit kenn ich mich jetzt nicht sooooo gut aus." Sie quickte "Aber schon mal gemacht, oder?" Ich heroisch "Ja, ja. Lange her, und so." "Na, dann helf ich Dir mal," meinte sie lächelnd und legte sich die Klemmen - zack - zack - an. "Und jetzt bearbeite sie ein wenig mit der Klatsche." So saß ich also da. Nackt, halb betrunken, eine Fliegenklatsche aufrecht in der rechten Hand, eine beklemmte Frau vor mir liegend.

  • Ja, wie jetzt?
  • Na, schlag halt zu.
  • Mit der Fliegenklatsche?
  • Jaaahaaa
  • Auf die Brust?
  • Jaaaaaaaaaaaahaaaaa!
  • Ok Zärtlich ließ die Klatsche hernieder. "Ja, ein bißchen fester wäre nicht schlecht" "Ok". Also patschte ich ein wenig rum, völlig unwissend was ich da mache, aber immerhin schien es ihr zu gefallen. Das machten wir so fünf Minuten, meine Lust war gen Null gewandert und ich überlegte, ob es unhöflich sei, wenn ich jetzt eine rauchen würde. Aber da hatte Ferrari schon wieder eine neue Idee. Sie drehte sich um, legte ich auf den Bauch und befahl mir nuschelnd jetzt die Peitsche von der Wand zu holen.
  • Welche Peitsche?
  • Na, die, die da hängt
  • Da hängen fünf. Die Reitgerte?
  • Nein, die kommt später.
  • Die mit den Fransen dran?
  • Neeeeeehein, die Peitsche halt.
  • Achso. Die mit dem kurzen Bommel dran?
  • Genau!
  • Ok Vor mir also der Körper der Dame, ich nackt neben dem Bett stehend, eine Peitsche in der Hand. Fein. Mein Problem: Wo schlag ich jetzt hin? Probehalber ließ ich das Ding erstmal so durch das Schlafzimmer schnalzen. Es machte "Wuuuuusch...piiiiisch....smack" und ich hatte auf der nahestehenden Kommode eine Batterie Parfumflaschen abgeräumt.
  • Hui
  • Was war das denn?
  • Och nix.
  • Ok
  • Wohin soll ich den hauen?
  • Wie? Wohin?
  • Na, wo magst du es denn?
  • Wie?
  • Na, ich will Dir ja nicht weh tun
  • Ich will aber, dass Du mir wehtust! Manmanananan
  • Ah,. Ok. Ich hau dann mal auf den Rücken. Oder ist Dir der Hintern lieber?
  • Sag mal, das Konzept des Masochismus ist Dir schon klar, oder?
  • Ne, klar. Denk ich.
  • Ja nu´macht schon, Idiot!

Endlose zwei Stunden später war Ferrari dann fertig. Wir hatten uns mehrfach missverstanden ("Du mußt den Gag-Ball hinten auch zu machen" - "Aber dann bekommst du keine Luft mehr" "Ja, herrgott das ist ja der Sinn der Sache!" - "Wie, noch mehr Klemmen?" - "Wie, beschimpfen?") aber nach dem ich sie verschnürt hatte ("Immerhin kannst Du Knoten" - "Hab ja auch ein Segelschein") war ich mir mal in der Küche ein Bier holen gegangen, hatte zwischendurch eine geraucht. Die Gedanken darüber, was ich denn da gerade machte, ließen sich ganz gut mit der Überlegung verdrängen, was für einen neuen Rechner ich mir denn kaufen sollte.

P.S.: Sie saß dann aber noch länger an meiner Seite der Bar.