Mein innerer Twin Tower Salat

Es ist nun genau ein Jahr her, da bin ich umgefallen. Ziemlich genau 24 Stunden, bevor in New York der Terroranschlag geschah. Ich fiel einfach um. Und das passierte dann:

Montag, die übliche Büroroutine. Kollegen begrüßen, das nette Wochenende noch im Kopf und auch im Körper, denn Schlaf gab es wenig. Was macht man da um wach zu werden? Man trinkt einen Kaffee und eine besonders nette und liebe Kollegin zerrte mich in die Küche. Wir standen dort, ich zündete mir eine Zigarette an, trank meinen Kaffee und kultivierte meinen leichten Schädel.

Während ich über mein Wochenende berichtete, merkte ich, wie mir langsam schwummrig wurde. Der Kreislauf sackte ab. Nichts ungewöhnliches, man kennt das als Raucher, die erste Zigarette am Morgen zieht einen immer etwas runter. Doch etwas war anders. Es geschah so plötzlich und es hörte nicht mehr auf. Plötzlich konnte ich das Gleichgewicht nicht mehr halten. Ich stolperte und fiel halb auf meine Kollegin, die scherzhaft lachte. Ich jedoch bemerkte, das etwas ganz und gar nicht stimmte. Doch bevor ich auch noch irgendetwas sagen konnte sackte ich einfach zusammen. Bewußt war mir das alles wohl, doch machen konnte ich dagegen nichts.

Also schleppte man mich gegenüber in Büro. Man legte mich hin, die Beine schön nach oben. Gut - dachte ich - das wird sich gleich wieder legen. Man telefonierte sicherheitshalber einen Arzt herbei. Zwei Dinge gingen mir da durch den Kopf. Einerseits fühlte ich mich leicht besser, andereseits erschreckte mich der Gedanke, das ein Arzt wirklich von Nöten sei. Und je länger ich dort lag, die besorgten Gesichter meiner Kollegen um mich herum, desto merkwürdiger wurde mir.

Es kamen Sanitäter. Zwei Menschen, deren Gesichter Vertrauen einflößten. Ich fühlte mich zunehmend hilflos. Mein Hemd wurde mir ausgezogen, mir wurden Elektronen angelegt. Alles sei gut, versichterte man mir. Doch gar nichts war gut. Ich fühlte mich zunehmend verwirrt. Hatte wilde Schmerzen in der Brust und die Angst klammerte sich zusehend an mich. Die ganze Zeit klammerte ich mích mit einer Hand an meine Kollegin, die besorgt schien. Und dann brach es plötzlich los. Wie aus heiterem Himmel überfiel mich Panik, mein Herz raste, die Luft wurde knapp. Der eine Sanitäter stammelte was von Blutdruck über 200 und der andere schaute verwirrte auf das laufende EKG. Während dessen hatte ich das Gefühl, das es nun gleich vorbei ist. Ich fühlte mich nicht mehr in dem Raum. Mein Geist war nahe dran einfach meinen Körper zu verlassen. Er wollte einfach raus aus dem sich windenden Bündel da auf dem Boden. Am besten gleich aus Fenster raus, in die Luft, das Licht. Aber ich wollte das nicht. Mein Bewußtsein, oder das was noch davon da war, wollte es nicht. Ich klammerte mich an die Hand, die ich hielt. Griff noch eine weitere. Wehrte mich so gut ich kann gegen alles, was da auf mich einstürzte. So will ich nicht sterben, dachte ich. Ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht. Und die Schmerzen wurden größer und der Geist hing auf einer Klippe.

"Kammerflimmern" höre ich den Sanitäter sagen, Scheiße, dachte ich. So transportieren wir den nicht, das ist viel zu riskant, sagt der andere Sanitäter. Also wurde ein Notarzt per Funk gerufen. Und während ich da lag geschah es erneut. Wieder wollte etwas aus mir raus, wieder wollte hatte ich das Gefühl etwas quält sich aus meinem Körper heraus. Wie ne Geburt eigentlich, dachte ich. Doch das war mir zu positiv, zu nah an dem, was ich nicht wollte. Also klammerte ich mich weiter an die Hände die ich greifen konnte. Wurde beruhigt, während Menschen sehr sorgenvoll auf mich nieder blickten und von den Sanitätern aus dem Raum geschickt wurden.

Dann kam die Ärztin, mitten in einem weiteren Kampf den ich austrug und das erste was sie machte war mich per Spritze in eine Art Narkose zu setzen. Ich weiß nicht mehr was dann geschah.

Aufgewacht bin ich im Krankenhaus. Völlig neben mir, aber lebend, was mich ein wenig überraschte. Dann kamen Ärzte, maßen dies und das, und dann war meine (damalige) Freudin da, welche informiert worden war, weil sie die einzige war, von der man eine Nummer hatte. Ich lag da, narkotisiert. Mir wurden Schläuche in den Arm gestochen, Elektroden angelegt, Ärtze sprachen zu mir, und schauten mich ernst an. Meine Angst wuchs weiter, zumal moderne Intensivstationen nicht zu den schönsten Dingen gehören. Drei Tage lag ich da, wußte nicht was mit mir los war, und ich war mir zum allerstenmal in meinem Leben nicht sicher, was nun geschehen würde, und ich das alles überleben würde. Noch weniger sicher war ich mir, als mir Elektroden ins Herz geschoben wurden, mit denen man selbiges unter Strom setzte. Da begriff ich zum erstenmal, zum wirklich allererstenmal wie knapp das Leben ist. Wie dünn der blöde Faden ist.

Soweit. Es war nichts mit dem Herz. Ich hatte einen Schwächeanfall oder Kreislaufkollaps- nicht ungewöhnlich wenn man überarbeitet, übermüdet und gestresst ist. Aber ein deutlicher Warnschuss. Ich fiel danach in ein riesigen Loch. Es war so unglaublich tief, und ich hatte wochenlang Mühe, da wieder raus zu kommen. Und irgendwann habe ich angefangen mein Leben Stück für Stück zu verändern. Dann einen neuen Job gesucht, dann eine neue Stadt, raus aus dem ungeliebten Hamburg. Und nun lebe ich in Berlin, habe einen wundervollen Menschen kennen gelernt und ich fange endlich wieder an zu leben.