Schreibblockaden kommen ja immer dann, wenn man sie gerade nicht so richtig gebrauchen kann. Zum Beispiel, wenn man an einem Tag gleich drei Deadlines hat und rettungslos mit seinen Projekten im Verzug ist, um diese dann mit verzweifelten Nachtschichten zu retten. Das gemeine an Schreibblockaden ist ja, dass man sie vorher schon spürt. Man weiß ganz genau dass man niemals, auch nicht, wenn es 30 Milliarden Euro geben würde, den Zeitplan den man sich gesteckt hat, einhalten wird können. Stattdessen sitzt man stundenlang vor dem Rechner und starrt da rein, in der Hoffnung, es würde was raus kommen, was ja per se schon mal Quatsch ist, weil es genau umgekehrt sein müsste.

Aber man wird ja auch älter und erfahrener und kennt seine Momente im Leben. Wenn ich merke, dass sich eine Schreibblockade zeigt, fange ich normalerweise schon mal damit an, dass ich die Schreibblockade nicht Schreibblockade nenne, sondern "writers cramp". Das klingt irgendwie viel schöner, so wie der Name eines etwas abgelegenen, für seine Verhältnisse aber ganz hübschen, weißen Bergs in Südafrika, den ein englischer, adliger Nichtnutz Reisender im 18. Jhd. in memoriam für seinen leider auf der Wegstrecke an Schüttelfieber verstorbenen besten Freund, den er trotz seiner Neigung zum Trunke als Schreiber mit auf die Reise genommen hat, um seine adeligen Taten in einem guten Licht erscheinen zu lassen, in einem Anfall typisch britischen Humors so genannt hat. Jedenfalls klingt es besser, und nicht so medizinisch.

Im Falle eines auf dräunenden writers cramp fange ich meist damit an, meine Wohnung aufzuräumen. Zu erst in der Küche, genauer gesagt an der Spüle. Spülen befreit den Geist, weil es eine ziemlich sinnlose Tätigkeit ist, die einen aber koordinationstechnisch einigermaßen fordert. Man räumt den Geist frei und wenn man Glück hat, vergisst man auch den writers cramp. Wenn das nicht hilft, wird die Küche geputzt. Wenn das nicht hilft, das Bad, ob es will oder nicht. Wenn das nicht hilft wird gesaugt, Staubsaugerbeutel voll hin oder her. Wenn das nicht hilft wird der Kleiderschrank aufgeräumt. Wenn das nicht hilft, wird Staub gewischt, Allergien werden mannstark ignoriert. Wenn das nicht hilft, wird der Boden in der ganzen Wohnung gewischt. Wenn das nicht hilft, werden die Fenster gewischt, und die neu gewonnene Weitsicht erstaunt zur Kenntnis genommen. Wenn das nicht hilft, ist immerhin die Wohnung mal wieder sauber, was einen sehr glücklich macht, was wiederum dazu führt, dass man durch seinen Glückszustand, den writers cramp einfach vergisst.

Dieses Endszenario ist aber extrem selten. Normalerweise fällt einem spätestens bevor man den Kleiderschrank aufräumen muss, irgendwas Sinnvolles ein, das man zu Papier bringen kann. Was dazu führt, dass bestimmte Ecken in der Wohnung ein einsames Dasein fristen. Aber das ist ja egal, denn sie tun es ja für einen guten Zweck.

Allerdings gibt es auch den nicht zu rettenden writers cramp. Den sieht man auch kommen, aber man weiß gleich, dass alle Ablenkungsversuche nichts fruchten. Man könnte sich in eine manisch putzsüchtige, hypochondrische, jammernde Memme verwandeln, nachher ist man genauso blockiert wie vorher. Also lässt man es, was dazu führt, dass man selber und die Wohnung in einen Zustand der exorbitanten Unordnung geraten. Man sackt weg, wird stumpf, fühlt sich wie ein leichter Nieselregen im Winter und wie Pu, der Bär, nachdem er von I-Ah vergewaltig wurde.

Und genauso ging es mir dir Woche, bis der Deadline Druck so groß wurde, dass ich die Nächte bis morgens um fünf verlängert habe, um die Arbeit zu erledigen Das ist einerseits toll, toll, toll, weil man die Arbeit erledigt hat und man gleichzeitig die MLB Playoffs (Baseball, wehrte Leserinnen), verfolgen konnte, andererseits ist mein Schlaf/Wachrhythmus nun völlig versaut und der Weinvorrat ist auch geplündert. Soll noch mal einer sagen, als Autor führe man ein lockeres Leben.