Zug fahren ist ja auch nicht mehr das, was es früher mal war. Ich meine jetzt gar nicht mal die horrenden Preise, die die Deutsche Bahn haben will, wenn Sie einen durch deutsche Landschaften schaukelt. Oder diese Bistros, mit ihrer merkwürdigen rosa Einrichtung, bei der sich offenbar ein enthemmter Barbiehaus-Dekorateur ausgetobt hat. In diesem Zusammenhang kann ich im Übrigen nur mal eine Fahrt mit einem ungarischen Zug empfehlen, bei denen die Speisewagen noch so aussehen, wie ein Wohnzimmer zu Omas besten Zeiten, inkl. güldener Leuchter am Tischrand.

Nein, das Problem sind vielmehr die Reisenden selber. Und ihr Gepäck. Stieg man früher bewaffnet mit zwei Büchern und drei Zeitungen in sein Abteil und hoffte auf evtl. angenehme Gesellschaft unterwegs, gleicht die Besetzung eines normalen ICEs heutzutage dem Ausflug eines autistischen Vereins. Eines technisch sehr weit fortgeschrittenen, autistischen Vereins. Wenn man sich jemals gefragt hat, warum zum Beispiel Produkte, wie der Ipod von Apple einen derartigen Siegeszug feiern konnte, muss man nur mal in einen Zug steigen. Denn dort herrscht die Natter des totalen Sozialneids, die von der Brust der elektronischen Industrie genährt wird.

Der übliche Bahncard 50 Inhaber besteigt nämlich auch für Kurzstrecken einen Zug nicht ohne seinen gesamten technischen Hausrat. Hat er seinen Sitz erreicht, beginnt das große auspacken. Erst den Laptop aus der Laptoptasche ziehen und siegesgewiss die einzige Steckdose im gesamten Großraumwagen erobern. Während der Laptop fröhlich hoch schnurrt, wühlt der Zugreisende in seiner Tasche und zieht triumphierend einen Ipod der neuesten Generation aus Tasche. Sogleich werden die Ohren zugestöpselt und währenddessen sich auf dem Laptop eingeloggt. Nachdem dies erledigt ist, kommt die DVD Box zum Vorschein, auf der in mehr oder weniger schöner Handschrift die Filmtitel vermerkt sind. Neben Laptop und Ipod wird so dann das Handy zur Schau gestellt. Informatiker erkennt man spätestens jetzt sofort. Hat der normale technische Autist irgendein Handy, welches ihm sein Telefonprovider zur Verfügung gestellt hat, zieht der Informatiker ein Handy aus der Tasche, das ungefähr so groß wie eine TV Fernbedienung aus den 70er Jahren ist. Dieses wird aufgeklappt und mit spitzen Fingern oder einem winzigen Stift, werden Informationen zusammen gesucht. Oder der Freundin geschrieben, dass man etwas später kommt. Auf dem Tisch sind nun also: Laptop, Ipod und GPRS Handy.

Das weckt natürlich sofort den Neid der Mitreisenden, die vielleicht nur mit CD Player und 08/15 Handy ausgestattet die Reise angetreten haben. Schamhaft wird der CD Player im Rucksack verstaut, das Handy in der Hosentasche. Neidisch wandert der Blick nach drüben, zu dem Kerl mit den riesigen Kopfhören und dem 16:9 Breitwand Laptopbildschirm. In der Kreidezeit hatte das geheißen: Hmpf, hmpf, großer Mann mit große Dinosaurierschenkel hat besser Leben = schöner Frauen mit bessere Gene. (Das glauben viele Informatiker heute auch noch, aber das ist ein anderes Problem.) Zu Zeiten Ernst Jüngers wäre es so gelaufen „Däääärrr Härrrr, haben dän wunderschönen Orrrdän ‚Pour le Mérite’ an däärrr Brust, dääärrr Härrr haben Eier wie Stahlgewitter.“ Heute ist die männliche Niederlage eben an der Menge der technischen Geräte gekoppelt. So kann es einen nicht mehr wundern, das Geräte wie der Ipod ihren Siegeszug angetreten haben, weil deren Besitzer auf der Evolutionsleiter durch das kleine, weiße Schmuckstück einen weiten Satz nach oben machen. Wenn ich eine Firma leiten würde, die sich Gedanken macht, wie man ein neues technisches Spielzeug an den Mann bringt, ich würde meinen ganzen Marketingetat darauf verwenden, Studenten mit Zugtickets quer durch die Republik zu schicken, mit der Auflage, das neue Gadget möglichst oft arrogant und demonstrativ rum zu zeigen. Vielleicht gekoppelt mit Anrufen bei Freunden: „Ich hab hier das neue XY 3001 Premium, das Ding….was, ich versteht dich so schlecht, ich sitzt im Zug, scheiß UMTS Leitung, das XY 3001 Premium von SonyAppleNokia, ja XY 3001 Premium, das ist so klasse.“

Auch die Bahn könnte davon profitieren. Denn diese Aufrüstung führt dazu, dass ganze Großraumwagen voll verkabelt werden. Neulich, es war auf einer Fahrt von Frankfurt nach Berlin, rottete sich eine ganze Horde zusammen und verlegte Verlängerungskabel und Mehrfachstecker quer durch den Zug, damit auch alle Strom für ihre Gerätschaften haben. Würde die Deutsche Bahn die Stromzufuhr per Münzeinwurf berechnen, sie hätte ihr Milliardenschweres Defizit schon längst in einen satten Gewinn gewandelt. (Dieser Text wurde in einem ICE auf einem HP NX 9020 Laptop geschrieben, während ich auf meinem Ipod das wundervolle Album von Koop „Waltz for Koop“ gehört habe)