Ok -Frühling. Kommt mir ganz recht. Deswegen habe ich heute wieder etwas getan, was aufmerksame Leser dieses Blogs als die "Dahlmannsche Leidensepistel" kennen: Ich war beim Friseur. Natürlich wieder bei meinem treuen 10 Euro Friseur. Ich mach das nämlich immer so: Alle vier bis sechs Monate merke ich, das nicht nur irgendwas in, sondern auch auf meinem Kopf nicht stimmt. 'Aber so was merkt man doch vorher!' hör ich den Leser da rufen und hinzusetzen 'Man hat doch einen Spiegel zu Hause. Ich mein den richtigen, nicht den 'piegel'. Womit wir bei einem weiteren Sorgenkreis im Hause Dahlmann angelangt wären: "Das große Spiegel-Problem"

Ich habe nämlich keinen. Keinen richtigen. Also verspiegelten Spiegel. Ich habe aus dem Nachlass einer Dame (Grüße nach Mönchengladbach) einen kleinen Schminkspiegel, welchen ich an die losen Nervenenden einer aus der Wand rausragenden Stromleitung gehangen habe. Natürlich hätte ich gerne einen richtigen Spiegel, vielleicht einen mit güldenem Rahmen, in dem ich morgens mein Antlitz erfreut zu Gänze betrachten kann. Das Problem dabei: Ich finde keinen. Gut, ich suche auch nicht, aber es läuft mir einfach keiner über den Weg. Deswegen hängt also dort seit meinem Einzug im letzten Juni ein Schminkspiegel.

Das ist gar nicht so schlecht, wie es sich anhört. Das hat nämlich grandiose, ich würde sogar sagen glamourhafte Vorteile. Zum einen den, dass ich meinen Ruf als kauziger und liebenswürdiger Junggeselle gerecht werden kann, zum anderen dass man sich morgens nicht sehen muss. Man kann einfach am Spiegel vorbei schauen und hat selbst nach einer durchzechten Nacht den Eindruck, man sehe aus wie ein frisch gebügelter Cary Grant. Desweiteren kann ich in diesem Spiegel genau erkennen, wann es wieder Zeit ist, zum Friseur zu gehen. Ragt meine Frisur über den Spiegelrand heraus,weiß ich, dass es Zeit ist, einen Fachbetrieb aufzusuchen. Auf Grund des langen Winters ragten meine Haare aber mittlerweile so weit über den Rand heraus, dass ich schon gezwungen war, den Spiegel in dem fünf Meter langen Flur aufzuhängen, um meine Haare mal in voller Länge sehen zu können.

Also Friseur. Obwohl mir neulich von kompetenter Seite gesagt wurde, ich hätte eine "Nicht-Frisur", also keine Frisur die in Ansätzen oder auch nur im entferntesten etwas mit dem Ding zu tun haben könnte, was andere Leute auf dem Kopp haben. Ich habe dies brüsk zurück gewiesen, getreu der Devise "Erst alles dementieren, dann scheibchenweise zugeben." Das mit der Frisur habe ich nämlich mal in Köln ausprobiert, und es kann durchaus sein, dass dies einer der Gründe ist, warum ich seitdem nicht mehr nach Köln gezogen bin, obwohl mein Herz am Rheinland hängt. Es war so, dass ich meine Haare hatte wachsen lassen, bis ich zu der Überzeugung kam, dass sie nun eine Länge hätten, mit der eine gut geschulte Friseurmeisterin Wunder vollbringen könnte. Ich holte mir einen Termin in einer der feinsten Frisurmanufakturen die Köln zu bieten hat, kam ein wenig zu früh und blätterte interessiert in den drei Tonnen schweren Frisurkatalogen der Manufaktur. Was es da alles an tollen Frisuren gab! Was die Frisur-Könige an der Kölner Unterwelt High Society alles vollbringen konnten! Ich dachte mir: wenn sie es schaffen Wolfgang Niedecken eine Frisur zu verpassen, der eigentlich immer so aussah als sei eine wild gewordene Vorstadtfriseuse mit einem TCM Lockenstab über einen Bobtail hergefallen, also wenn die das hinbekommen, dann bin ich ja wohl einer, den man mal so nebenbei formschön gestaltet. Also zeigte ich der Dame ein paar Bilder und sagte vertrauensvoll "Machnse mal". Das mit dem Vertrauen meine ich sehr ernst, denn man muss beim Friseur ja immer seine Brille aussehen, und ohne Brille sehe ich nichts, weiß also auch nicht, was man mit meinen Haaren veranstaltet.

Um es kurz zu machen: Danach hatte ich etwas auf dem Kopf das aussah, wie ein vier Jahre altes, von einem völlig desinteressierten und erschöpften Vogel läppisch zusammengehauenes Nest, in dem ein Tube Isolierschaum explodiert war. Schon im Laden begleiteten mich vor Schreck und Unglauben geweitete Augen. Draußen blieben Kinder stehen, zeigten mit dem Finger auf mich oder fingen einfach an zu weinen. In einem nahe gelegenen Nike-Laden kaufte ich mir dann ein Mützchen, das man mir aus Mitleid schenken wollte. Nach ein paar Tagen in meiner abgedunkelten Wohnung ging ich dann bewaffnet mit der Mütze schnell um die Ecke zu einem türkischen Barbier, der sich nichts anmerken ließ und das Nest entfernte. Seitdem habe ich auf weitere Versuche in Sachen „Frisur“ verzichtet. So auch heute. Das Ergebnis gibt es bald auch mal wieder auf einer Lesung zu sehen.