Ballhausschwur
Manche Dinge sind so bizarr, dass sie eigentlich nicht stimmen können. Offensichtlich ist es aber so.
Beispielsweise hatte 1920 der Großvater eines Betroffenen € 4291,53 aufgenommen, um in der Nähe von Pirna einen Gutshof betreiben zu können. 1953 konnte die Familie nicht das Abgabesoll erfüllen, sollte verhaftet werden und flüchtete. Die Familie wurde enteignet, der Hof und das Land in eine LPG überführt. Seitdem haben andere dort gelebt und den Hof bewirtschaftet. Das Gut erhielt die Familie nicht zurück, die neuen Bewohner hatten sich in das Grundbuch eintragen lassen. Dennoch verlangt die KfW mit Schreiben vom 6. Juni dieses Jahres die Schulden aus dem Jahr 1920 zurück.
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) - genau, die mit den 300 Millionen an die Lehman Brothers - treibt gerade sehr, sehr alte Schulden ein. Und überrascht die ein oder andere Familie mit Forderungen, die so alt sind, dass sie eigentlich schon gar nicht mehr wahr sind. So nach zwei Währungsreformen und anderen Dingen, wie Krieg, Vertreibung, Enteignung und was es sonst so gibt. Gut - das man jeden Cent braucht mag ja angesicht der Lage, in der die KfW steckt, ja nachvollziehbar zu sein, aber das ist dann schon etwas merkwürdig. Und irgendwie gefühlt unanständig, auch wenn die Rechtslage mal wieder eindeutig erscheinen sollte.
In meinem Studium meinte mal ein Professor relativ kühl, dass ein Staat dann in Probleme kommen würde, wenn das Recht nach Buchstaben über das gefühlte Rechte obsiegen würde. Es würde dazu führen, dass die Menschen das Vertrauen verlieren würden. Abwanderung, Abwendung und, in letzter Konsequenz, Widerstand seien die Folgen, wobei sich der Widerstand nicht zwangsläufig an einem Unrecht reiben würde, sondern an völlig anderen Dingen ausbrechen könnte. Das "gefühlte Recht" sei, auch wenn alle Juristen da anderer Meinung seien, nicht zu unterschätzen. Letzlich sei man 1789 nicht auf die Barrikaden gegangen, weil man, seit Jahrzehnten, in Armut gelebt habe, oder weil man einer Willkür unterlag, sondern weil man bei einer verfahrenstechnischen Abstimmung nicht weiter kam, was dann zum Ballhausschwur führte. Nach einer Finanzkrise, nur so nebenbei.
Teil II
In Teil I ging es mir um die bevorstehende Entlassungswelle in den Verlagen, in Teil II darum, was das auch für die Meinungsfreiheit bedeuten kann, bzw. warum den klassischen Tageszeitungen u.a. die Leser weglaufen.
Wir haben in Deutschland eine der größten Presselandschaften, die man weltweit finden kann. Es gibt Hunderte von Tageszeitungen, die jeden Tag erscheinen. Dazu Magazine und Wochenzeitungen. Das Spektrum reicht von der "taz" bis zum "Münchner Merkur". Also gibt es theoretisch auch hunderte unterschiedlicher Meinungen, Sichtweisen und Analysen, die man jeden Tag im Print oder teilweise im Netz lesen kann. Doch das stimmt natürlich hinten und vorne nicht. Die Probleme der Meinungspluralität heißen Nachrichtenagentur, Redaktionsabbau und Gewinnausschüttung. Vor allem im Onlinebereich.
In den letzten zwei Jahren ist viel über das Gatekeeping geredet worden, also die Themenvorauswahl seitens der Redaktion. Was kommt ins Blatt, was wird online gestellt? Wer sich einmal den Vollservice der Agenturen angeschaut hat, weiß, dass das Gatekeeping in einem gewissen Rahmen sinnvoll ist. Eine Zeitung oder Onlineseite ohne weitere Erklärungen mit reinen Tickermeldungen voll zu hauen, ist keine gute Idee. Das wäre so, als hätte man sämtlich Blogs im RSS-Feed, die Techorati so anbietet. Das Grundrauschen ist so hoch, dass man nicht mehr mitbekommt, was am Ende eigentlich noch wichtig ist.
Auf der anderen Seite wird auch immer wieder über Medienkompetenz geredet, die die Leser entwickeln sollen. Das meinst nicht nur, dass man die Technik bedienen kann (RSS, Twitter z.B.) sondern auch, sich im Allerlei der Meldungen zurecht zu finden. Fokussieren ist angesagt, oder dass spezialisieren auf bestimmte Themengebiete, damit man einerseits den Überblick behalten kann, andererseits auf Dinge aufmerksam machen kann, die sonst untergehen. Egal, ob als User im Netz, oder als Redakteur einer Zeitung, diese Kompetenz brauche ich, wenn ich ein Thema längere Zeit betreuen will. Und da geht das Problem für viele Tageszeitungen und deren Onlinepräsenz schon los. Vielen wird schon aufgefallen sein, dass sich etliche Zeitungen einfach dpa Meldungen ins Blatt oder auf die Webseite kopieren. Die dpa liefert zu jeder Meldung meist ein paar Bilder dazu, und so sieht man dann beim Sponline, Focus und SZ nicht nur einen inhaltlich ähnlichen Text, sondern auch noch die gleichen Bilder. Einerseits nicht weiter schlimm, andererseits auch ärgerlich, weil man nur noch neutrale Texte liest. Von Meinung kaum eine Spur. Eine Meldung wird abgelaicht, die Werbung blinkt, was will man mehr.
Im Grunde wird das Gatekeeping den Agenturen überlassen. Nicht mehr die Redaktion entscheidet, sondern ein anonymer Redakteur einer Agentur. Ich will damit die Arbeit von dpa und anderen nicht schlecht machen. Es ist nicht deren Aufgabe, irgendwas zu bewerten. Sie liefern nur Informationen. Aber hilfreich ist das in den Onlinemedien nicht. Dazu kommt, dass der Großteil der täglichen Meldungen im Prinzip über wenige Agenturen läuft. dpa, Reuters, AP, AFP, ddp, in Deutschland noch sid und SAD. Das war es schon. Die Liste der Agenturen in der Welt ist zwar lang aber jene, die man hier zu lesen bekommt, ist kurz. Im Grunde wird das Weltgeschehen der meisten kleineren Tageszeitungen, die keine Mitarbeiter im Ausland haben, durch die genannten Agenturen betreut. Oder anders ausgedrückt: gerade mal 5 Agenturen in Deutschland und vielleicht drei weltweit, sorgen für den steten Nachrichtenfluss. Noch klarer wird es, wenn man sich vorstellt, dass es in Deutschland nur drei Tageszeitungen geben würde, die jeden Tag berichten, was so passiert. Der Flaschenhals beim Gatekeeping beginnt also schon bei den Agenturen und setzt sich dann fort in den Redaktionen.
Denn da sitzen seit Jahren immer weniger Journalisten, die immer mehr Arbeit leisten müssen. Das Gatekeeping verschärft sich hier also noch mal. Wer hat schon Zeit, einer interessanten Meldung hinterher zu forschen, wer hat noch Zeit, den Hörer in die Hand zu nehmen, und jemanden zu einer Meldung zu befragen? Da wartet man lieber auf den zweiten Teil der Meldung, in der die dpa das schon für einen erledigt hat. Dem Leser fällt es eh nicht auf, ob es nun die dpa oder irgendeiner aus der Redaktion war, der den Artikel verfasst hat. PR- und Lobbyagenturen haben das schon seit Jahren erkannt, und liefern druckfertige Beiträge, häufig von Journalisten, die ihre Jobs in den Redaktionen verloren haben, oder zu besseren Konditionen eingekauft wurden.
Das Problem dabei ist nicht, dass die Meldungen an sich schlecht wären. Oder gar falsch. Das Problem ist, dass es immer weniger Stimmen gibt, die die Meldungen vermitteln. Egal, wie "objektiv" ich als Journalist sein will, es gibt einen Unterschied, ob ich einen Text selber bearbeite, mich hinsetze und Gesprächspartner suche und Meldungen verschiedener Agenturen miteinander vergleiche, oder ob ich das Ding einfach online schiebe. Nach und nach verstummen immer mehr Stimmen, immer mehr Meinungen immer mehr der ach so hoch gehandelten Meinungspluralität.
Aus der Entscheidung, Redaktionen immer weiter zu verkleinern, immer weniger Redakteure immer mehr arbeiten zu lassen und so immer weniger eigenen Content und mehr wortgleiche Meldungen abzudrucken, bzw. online zu stellen, entwickelt sich eine echte Gefahr. Da es eh schon weniger Kanäle für die tägliche Nachrichtenbeschaffung gibt, als man allgemein annimmt, lassen sich diese Kanäle auch leichter beeinflussen. Da es immer weniger Redakteure gibt, die die Zeit dazu haben, diese Meldungen zu überprüfen, oder andere Nachrichten in den Vordergrund zu stellen, wird das Problem noch zusätzlich vergrößert. Die Pressefreiheit ist nicht nur ausgehöhlt, weil Journalisten auf Grund der Überwachungsgesetze ihre Quellen nicht mehr schützen können, sondern auch, weil die Zwischentöne wegfallen.
Für die Verlage ergibt sich daraus aber ein weiteres Problem, dann warum soll ich mir eine Zeitung kaufen, die letztlich zu großen Teilen nur das abdruckt, was ich online erstens schneller und zweitens umsonst zu lesen bekomme?
Erschwerend kommt hinzu, dass es kaum noch klassische Verleger gibt. CBS-Legende Dan Rather beschreibt es im Video, wenn er etwas umständlich davon spricht, dass es früher noch Verleger und Chefredakteure gab, die sich ins Feuer gestellt haben, und man heute mit Technokraten zu tun hat, die keinen Ärger haben wollen. Es geht heute eben oft mehr ums Geld verdienen, denn um etwas anderes. Natürlich - es ist auch schwer mit einer Zeitung in der Gratiskultur Geld zu verdienen. Die "taz" zeigt das immer wieder deutlich. Aber auch, dass es nicht sein muss, dass eine Zeitung und die Webseite nur aus rein geschobenen dpa Texten besteht.
Die Krise der Verlage wird das Gatekeeping in den nächsten Jahren noch weiter verschärfen. Wer sich nicht im Netz bedient, wer nicht selber nach alternativen Quellen sucht, wer keine eigene Medienkompentenz aufbaut, wird bei vielen klassischen Medien nicht mehr als das Grundrauschen erhalten. Mehr als "Merkel hat gesagt..." wird es nicht geben. Profitieren werden jene Blätter, die jetzt schon besser dastehen. SZ, FAZ und andere Zeitungen, die ein eigenes Auslandsnetzwerk haben und die sich noch Redaktionen leisten, in denen "normal" gearbeitet werden kann, werden vermutlich weniger Auflage verlieren, als der Rest.
Print verliert gegenüber Online nicht, weil man nicht mithalten könnte, sondern weil man sich dank der Entlassungen von Journalisten und dem immer weiter um sich greifenden Verlust von eigenem Content, seine Leser vergrault. Print verliert, weil man das ureigene Geschäftsmodell einer Zeitung untergräbt und beerdigt und sie nur noch als leere Hülle für Anzeigen missbraucht, mit Artikeln, die möglichst keinem weh tun und die keinen Widerspruch erzeugen.
Er geht dahin, der Meinungspluralismus im Print. Wenn er nicht eh schon tot ist.
Nachtrag: Die NZZ über die kommenden Entlassungen der Verlage.
Was ich so aus den Redaktionen und den Verlagen höre, klingt grauenhaft und hört sich so an, als ob ein Massaker bevor steht. Die Auflagen sinken auf breiter Front, aber vor allem sinken auch die Werbeeinahmen, was die meisten Printtitel am heftigsten schmerzt. Viele Verlage haben sich nach der ersten Krise vor ein paar Jahren wieder einigermaßen erholt, aber wie Robin Meyer-Lucht mir neulich bei einem Plauerstündchen bei Starbucks erzählte, ist es den meisten nicht gelungen, wieder das Niveau der Jahre vor 2001 zu erreichen. Das gilt nicht für alle im Bereich des operativen Gewinns, aber für fast alle, was die personelle Deckung in den Redaktionen angeht. Man darf dabei sicher nicht vergessen, dass alle in den letzten Jahren teilweise kräftig ins Netz investiert haben. Es wurde massiv Geld für Technik ausgegeben, aber auch zusätzlich Personal geschult und eingestellt. Trotzdem sind viele Online-Redaktionen immer noch schlecht- oder unterbesetzt. Normalerweise müsste man weiter investieren. Mehr Geld für Content, also für Autoren ausgeben, um die Leser, die man im Print verliert, wieder online an sich binden zu können. Aber genau das Gegenteil ist ja der Fall.
Und jetzt droht da am Horizont eine Rezession, oder zumindest eine wirtschaftliche Stagnation. Auf der WebExpo raunte mir ein Vertreter einer sehr großen Mediaagentur ins Ohr, dass man mit einem Anzeigenrückgang im Print von ca. 15% rechnen würde. Minimum. Wenn es richtig blöd laufen würde auch mehr als 25%. Der Rückgang im Print-Bereich bedeutet aber nicht automatisch, dass mehr Geld für Online-Werbung ausgegeben wird. Zwar steigen hier die Umsätze (dieses Jahr wohl um mehr als 20%), aber zum einen machen sie das von einem deutlich niedrigen Niveau aus, zum anderen verdient man mit einem Banner deutlich weniger, als mit einer Anzeigenseite.
Es geht also aufwärts, aber die Preise für Werbung liegen weit, sehr weit weg von dem, was man im Print verdienen kann. Die Personalkosten bleiben allerdings gleich. Im Online Bereich gibt es zu dem zwei Theorien, was mit der Werbung passieren wird. Die eine lautet, dass die Mediaagenturen die Anzeigen zurückfahren, weil die Kunden in der Krise auf bewährte Printtitel und das Fernsehen zurückgreifen. Man würde zwar online bleiben, aber gezielter werben. Also keine breitgestreute Kampagne bei StudiVZ, sondern eher gezielte Werbung in kleineren Communitys, die spezielle Themen haben, zum Beispiel Qype. Die andere Theorie ist, dass man zwar die Ausgaben beibehält, aber mehr von Print in Richtung Online schiebt, weil man hier größere Reichweiten erzielt. Das würde dann auch bedeuten, dass die Preise für Werbung online steigen würden. Der Kollege von der Mediaagentur aus dem Süden Deutschlands zuckte aber auch nur mit den Schultern, und meinte, dass er einen Trend sehen würde, der weg vom Print geht.
Man weiß es halt nicht, aber Wirtschaftsunternehmen wie Verlage haben die letzte Krise noch gut im Kopf und wissen, dass man besser anfängt zu sparen, bevor es richtig schlimm wird. Aber wo wollen die Verlage noch sparen? Neu-Einstellungen gibt es bei meisten schon seit dem Sommer nicht mehr. Entlassungen werden in allen Verlagen diskutiert. Bei manchen, wie der WAZ, lauter, bei anderen, wie bei Gruner&Jahr noch sehr leise, da man erst mal unrentable Auslands-Titel los werden will. Aber die Betriebsräte sitzen in den meisten Verlagen von denen ich gehört habe, in den letzten Wochen ebenso häufig, wie lange mit der Geschäftsführung zusammen.
Das Problem ist nur, dass die meisten Redaktionen schon am Anschlag arbeiten. Hier personell noch zu kürzen muss weiter zu Lasten der Qualität gehen. Rutscht die weiter ab, sinken aber auch die Auflagen, wie man allein am Beispiel der "Berliner Zeitung" im diesem Jahr schön sehen kann. Der Sparkurs der Inhaber mag die Zeitung auf mehr Rendite getrimmt haben, aber dummerweise finden die Leser die ausgedünnte Qualität des Blattes eben auch so schlecht, dass sie sich ihre Informationen eben woanders holen.
Es gibt viele Fehler, den die Verlage in den letzten Jahren gemacht haben aber einer der schlimmsten war eine seperate Online-Redaktion aufzubauen. Mal abgesehen, dass das viel darüber aussagt, wie viele Häuser das Internet lange behandelt haben, konnte ich die Entscheidung nie verstehen. Warum sollte man die Inhalte trennen wollen? Titten fürs Internet, die Leitartikel für Print? Man kann die "Welt" in Sachen PI-Optimierung und Inhalt abwatschen, aber die Idee, die Redaktionen zusammen zu legen (Newsroom genannt) war sicher nicht die schlechteste. Das Gegenteil passierte bei der WAZ und beim Tagesspiegel, wo man die Redaktionen zu dem auch noch räumlich komplett von einander getrennt hat. Diese, teilweise, doppelten Redaktionen dürften im Falle einer wirklich tiefen Krise, die ersten sein, durch den die Personal-Sense geht.
Teil II: Was der Abbau von Redakteuren fürs Gatekeeping bedeutet
Lieber Deutsche Verbrauchertreuhand,
vielen Dank für die fünf sieben neun Mails mit dem Titel "Schuldenfrei in Kürze", die Sie mir heute zugesandt haben. Ich habe mir die Freiheit genommen, diese Mails an die "Hypo Real Estate" und die "Kaupthing Bank" weiter zu leiten. Dies ist sicher in Ihrem Interesse.
Sollten Sie weitere Interessenten für Ihre Angebote suchen, würde ich Ihnen einen Blick in den Bankensektor der internationalen Börsenverzeichnisse empfehlen. Ich bin kein Experte, habe aber das Gefühl, dass hier ein Geschäft zu machen ist.
Mfg Don Dahlmann
Löschen macht es nicht besser
Manchmal wird man ja schon überrascht. Das "Handelsblatt" hat einen Eintrag im Blog des Wirtschaftsexperten Harald Uhlig gelöscht. So weit ich weiß, ohne Rücksprache mit dem Autor. Der Grund ist einfach - Uhilg hatte (unter anderem) geschrieben:
Wenn Sie ein grösseres Konto bei der Commerzbank oder der von ihr geschluckten Dresdner Bank oder UBS oder Fortis haben, so sollten Sie froh sein. Denn noch können sie dort ihr Geld abheben: in aller Ruhe und ohne Schlange zu stehen. Die Einleger scheinen nämlich Nerven aus Stahl zu haben, und das ist gut so. Bisher ist ein bank run auf diese Institutionen ausgeblieben, und dabei könnte es auch bleiben. Dabei stehen die Zeichen schon lange an der Wand. Die Dresdner Bank hat sich mit ihrem K2 Fond verspekuliert, und war schon lange das Sorgenkind der Allianz. Die Chinesen wollten die Dresdner nicht: nun hat die Commerzbank sie geschluckt. Mittelfristig sicher eine gute Idee – man kann im gemeinsamen Filialgeschäft viel sparen – aber kurzfristig ist das ein schwer verdaulicher Brocken, und die Risiken sind da. Die Aktie der Commerzbank hat seit Juli 2007 fast 60 Prozent verloren – so berichtete die FAZ am Samstag. Ich denke, der Aktienmarkt weiss schon warum. Und sollte es einen run auf die Commerzbank geben, dann ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Die Einlagensicherung des Bankenverbandes der Privatbanken ist nach dem Lehmann-Untergang so gut wie pleite.
So etwas dieser Tage in einer Wirtschaftszeitung zu lesen wundert eigentlich nicht. Der Spiegel schrieb heute, dass im Falle der endgültigen Pleite der "Hypo Real Estate" der gesamte Pfandbriefmarkt und damit der Kreditmarkt komplett zusammenbrechen könnte. Uhlig hat auch nicht geschrieben, dass dies unbedingt geschehen muss, aber dass es eine Möglichkeit darstellt, dass eine der genannten Banken in Probleme kommt. Tortzdem hat man den Beitrag gelöscht, was für einigen Aufruhr gesorgt, wie man bei Rivva sehen kann. Mittlerweile hat die Chefredaktion des Handelsblatt in den Kommentaren des gelöschten Eintrags reagiert (kann man nicht verlinken, blog.de) und u.a. folgendes geschrieben:
Grund für unsere Entscheidung war die Befürchtung, dass der Blog-Beitrag von Herrn Uhlig in der Öffentlichkeit irrtümlich nicht als die persönliche Meinung eines Wissenschaftlers, sondern als redaktioneller Beitrag des Handelsblatt wahrgenommen werden könnte und der Eindruck entsteht, das Handelsblatt rufe zu einem „Run“ auf die Commerzbank und andere Finanzhäuser auf. In einer Situation, die ohnehin sehr fragil ist, wollten wir jedes Risiko ausschließen, durch missverständliche Äußerungen eine Panik in der deutschen Finanzindustrie zu verursachen. Dies haben wir höher bewertet als die Meinungsfreiheit unseres Bloggers.
Die Löschung war eine ziemliche Dummheit. Es hätte vermutlich gereicht, wenn man über den Text einfach geschrieben hätte, dass Herr Uhlig eine Privatmeinung äußert, die nicht vom Handelsblatt vertreten wird. Die Argumentation der Chefredaktion ist mehr als dünn.
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Die Situation auf den Finanzmärkten mag schlimm sein, aber dass ein, ich vermute mal bis Freitag eher kaum wahrgenommenes, Blog den eurpäischen Wirtschaftsmarkt zusammenbrechen lassen könnte, weil die Leser ihr Geld vom Konto räumen, ist doch etwas weit hergeholt. Wäre ja nett, wenn Blogs das könnten, aber so weit ist es noch lange nicht.
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Der Eintrag mag rechtlich schwierig sein. Wenn die angesprochen Banken zusammenbrechen würden, weil die Kunden ihr Geld holen, ist das sicher nicht isoliert von der gesamten Situation in den letzten Wochen zu betrachten und es passiert schon gar nicht, weil versteckt im Handelsblatt in einem schwach gelesenen Blog ein Autor schreibt, dass es möglich sein könnte, dass die genannten Banken Probleme bekommen könnten.
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Die Löschung unterstützt die Argumente von Uhlig nur. Wer sich vorher keine Gedanken gemacht, der wird das jetzt erst recht machen. Wie beschissen muss die Situation sein, wenn eine angesehene Wirtschaftszeitung wie das Handelsblatt einen solchen Eintrag löscht, weil sie Angst hat, dieser Eintrag könnte der Tropfen sein, der das Fass zum überlaufen bringt?
Das Handelsblatt hat sich mit der Löschung einen Bärendienst erwiesen. Zum einen hat ihre Glaubwürdigkeit zumindest in Blogger-Kreisen eine kräftige Delle bekommen. Zum anderen hat sie das Thema erst recht bei Google hoch geschoben. Ich hätte da eigentlich eine klügere Reaktion erwartet, zu mal einer der anderen Blogger vom Handelblatt, Thomas Knüwer in seinem Blog schon mehrfach gezeigt habt, dass man mit den neuen Medien vorsichtig umgehen sollte.
Früher konnten Chefredakteure Artikel, die sie nicht sehen wollten etc. einfach noch in letzter Sekunden aus dem Blatt kicken. Jetzt müssen sie nachträglich löschen und stellen fest, dass sie damit mehr Ärger verursachen, als sie jemals dachten. Man kann jetzt hingehen und eine Vorab-Kontrolle einführen, was aber dem Geist eines Blogs komplett widerspricht, weil sie dann nur noch eine Abteilung der Redaktion wären.
Dass sich durch das Internet und dem faktischen Wegfall etlicher Gatekeeping-Funktionen in den letzten Jahren der Umgang mit den Medien für viele Menschen komplett verändert hat, ist offenbar nicht jedem klar. Die Dummheit mancher Journalisten geht ja immer noch so weit, dass sie Google News nicht verstehen. Sie halten die Linkschleuder von Google für Content-Diebstahl. Die Mechanismen des Netzes sind offenbar immer noch nicht überall angekommen.
Man sollte in diesen Tagen sicher keine zusätzlichen Sorgen schüren, aber auf der anderen Seite sollte man auch bei der Wahrheit bleiben, auch wenn sie nicht eben freundlich klingt und dazu führt, dass sich Menschen Sorgen machen könnten. Wenn ich das Recht im Kopf habe, war es mal die Aufgabe der Presse auch dann die Wahrheit zu schreiben, wenn es eben mal weh tut. Dass dies seit einiger Zeit auch durch Autoren im Netz geschieht ist schon merkwürdig genug, dass es immer noch nicht in den Chefredaktionen angekommen ist, erschreckend.