Wanderer, kommst Du nach Wien, kehre im "Adlerhof" ein. Aber Finger weg vom Marillenschnaps.
Der Laden hat die mit weitem Abstand schlimmste und hässlichste Beleuchtung, die man sich vorstellen kann. Dummerweise vergessen zu fotografieren (Frau Sopran hat es gemacht) , aber ich habe versucht meinen Blick von den 24 stehend und kreisförmig angebrachten Neonröhren abzuwenden, die den Laden beleuchten. Durch die hohen, etwas bröckligen Decken, die klassische braune Wirtshausbestuhlung und das super Licht, kommt man sich ein bisschen wie in der Kantine eines Stahlwerkes Mitte der 60er Jahre vor, was vermutlich genau der Grund ist, warum so viel Personal der umliegenden Theater dort einkehrt.
Ein weiterer Grund könnte das sensationell günstige und durchaus gute Essen sein, dass man im Adlerhof bekommt. Die Knödel mit Ei waren frisch, mein Gulasch war offenbar nicht aus der Dose sondern handgeschnitzt. Dazu gibt es leckeres Bier.
Und eigentlich muss man in den Laden rein, um Herrn Stephan mal kennen zu lernen. Das ist der Wirt und von dem kann zum Beispiel in einem zweiminütigen Schnellkurs erlernen, wie man schlecht gefälschte Euro Banknoten erkennen kann. Den Ländercode vor den Seriennummern kannte ich, aber ich wusste noch nicht, dass die Seriennummer in jedem Herstellerland eine feste Quersumme ergeben muss. Deutsche Scheine müssen in der Quersumme eine "2" ergeben, in Österreich ist es eine "3". Und das hab ich mir sogar nach mehrererereren Bieren und zwei Marillenschnäpsen merken können.
Achja, Wiener Verkehrsbetriebe: 9 Euro für eine Bahnfahrt von 16 Minuten zum Flughafen sind auch ganz schön happig. Wollte ich nur gesagt haben.
Was vergessen: Ich war ja in der Ansel Adams Ausstellung. Und es ist immer wieder ganz schlimm, wenn ich in Ansel Adams Ausstellungen gehe, denn wenn die Bilder sehe, muss ich jedes Mal weinen, weil sie einfach so unfassbar schön sind. So unglaublich klar, scharf und schön - wer da nicht weinen muss, ist kein Mensch. Sach ich mal frech. Die Ausstellung selber ist solala. Tolle Bilder, teilweise handsigniert, Hängung ok, Licht auch. Die Auswahl der Bilder stammt noch von Ansel Adams selber. Was ich aber nie verstehen werde ist der Umstand, dass man die Bilder allerhöchstens in DIN A3 oder A2 Formaten vorstellt. Das ist definitiv viel zu klein für diese Bilder. Aber komischerweise wollte er das wohl selber so. In der Ausstellung lief auch eine Dokumentation über ihn, die Adams auch mehrfach in seinen Ausstellungen zeigte. Die meisten Bilder waren auch nicht größer, als die in Wien. Schade, denn ich würde gerade seine Bilder aus dem Yosemite Park gerne mal in ganz groß sehen.
Als ich Mitte 20 war, habe ich mit meinem beste Freund beschlossen, dass wir im Alter, also so ab 70 aufwärts, nach Wien ziehen, um dort die letzten Jahre zu verbringen. Und das hatten wir beschlossen, obwohl wir beide vorher noch nie in Wien waren und nur Karl Kraus gelesen hatten.
Tatsächlich bekräftigte mein erster Wien Besuch vor ein paar Jahren, dass man auf jeden Fall um nicht zu sagen unbedingt mal in Wien gewohnt haben muss. Das fängt zum Beispiel schon mal damit an, dass es in Wien keine "Kamps" Bäckereien gibt. "Kamps" ist das Ikea des Brotes. Egal, wo man isst, egal wo man in Deutschland hinkommt, man bekommt Brot von "Kamps" serviert. Hier in Wien nicht. Keine Ahnung, wie die Ketten hier heißen, aber ich habe während meines kurzen Aufenthalts schon vier verschiedene Bäckereien gesehen. Das muss man in der Fußgängerzone einer normalen deutschen Großstadt erst mal schaffen. Dabei ist Brot auch so wichtig. Während meiner Bundeswehrzeit verbrachte ich drei Wochen in Wales auf einem Schießplatz. Nicht habe geschossen, sondern Panzer und die nur aufs Meer raus, was ich ziemlich albern fand, aber bitte. In den Kaserne der britischen Armee gab es auch eine Kantine. In dieser Kantine gab es Essen, oder das, was die britische Armee als Essen so definiert hatte. Darunter war auch das übliche Tostbrot. Diese riesigen Scheiben, die man zusammen getackert (wenn man sie zusammentackern könnte) auch als schönen, luftigen Vorhang im Schlafzimmer verwenden könnte. Wenn man die Brote zusammendrückt hat man dafür einen guten Fensterkit. Essen kann man so etwas aber nicht und nach 10 Tagen gab es, neben den ersten Anzeichen von Lagerkoller, einen kleinen Aufstand, der sich dergestalt äußerte, dass verweichlichte Mannschaftsdienstgerade das korrekte Schießen verweigerten. Es wurde eine Ladung Brot eingeflogen.
Der Entscheidung, im Alter nach Wien zu ziehen, nicht abträglich, ist auch die Tatsache, dass es in der Stadt unglaublich viele gutaussehende Frauen gibt. Man will sich ja nicht langweilen, wenn man mit 70 oder 80 auf der Parkbank hockt.
Ein weiterer Grund ist die Tatsache, das die Wiener mit Kultur so beiläufig und selbstverständlich umgehen, wie die Deutschen mit Fußball. Selbst in der abgerocktesten, dreckigsten Kneipe hängt ein neues Poster, dass auf Theaterverstaltungen, Ausstellungen oder sonstiges hinweist. In Berliner Eck-Kneipen hängen allenfalls Hertha Poster.
Hier in Wien gibt es neben diesen Dingen aber auch noch eine andere Spezialität, die ich immer gerne zu mir nehme, wenn ich da bin: Käsekrainer. Und genau die werde ich jetzt suchen, denn ich bin mit meiner Arbeit früher fertig als gedacht. Nach dem Krainer gehts dann in die Ansel Adams Ausstellung und danach freue ich mich schon auf den Abend im Adlerhof.
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Erste Streitigkeiten mit Verkäufern in überfüllten Läden? Check!
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Mordgedanken gegenüber mindestens vier Autofahrern? Check!
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Lust, die Weihnachtsdeko im Einkaufszentrum mit einem riesigen Flammenwerfer an zu zünden? Check!
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Übelkeit bei der Sichtung von Dominosteinen? Check!
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Nervöse Zuckungen, wenn man Weihnachtslieder hört? Check!
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Blutrauschanfälle auf dem Postamt? Check!
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Bahnticket im total überfüllten ICE, aber mit Steckdose? Check!
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Rechtzeitig entwickelte Streßsymptome wie Schlaflosigkeit und Gedankentürme kurz vorm Einschlafen? Check!
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Vorfreude auf den seit Jahrzehnten bestehenden Menüplan zu Weihnachten bei den Eltern? Check!
Wegen mir kann Weihnachten jetzt los gehen.
Ich wünsche dann mal allen Lesern dieser kleinen Seite ein frohes Fest, viel gutes Essen und schöne Geschenke. Danke für die Treue in diesem Jahr und das zahlreiche Erscheinen auf den zahllosen Lesungen. Geht im neuen Jahr auch gleich weiter. Näheres dann nach Weihnachten.
Urlaub, sei er noch so kurz, in einem fremden Land voller Geheimnisse und Abenteuer zu verbringen, bietet Abwechslung vom täglichen zu Hause rumhängen und alle drei Minuten F5 drücken um die Blogroll zu aktualisieren harten Kampf um den Kontostand. So war es eine willkommene Abwechslung, als das wunderschöne Mädchen zwei Tickets nach Venedig organisierte und meinte "Los jetzt." Nach ein paar Tagen in dieser Stadt, bin ich jetzt in der Lage einen höchstgenauen Bericht über Venedig abliefern zu können. Fangen wir einfach mal mit den Eingeborenen an.
Der Venezianer an sich kennt genau drei Berufe, mit denen er sein Geld verdient. 1. Hotelier. 2. Restaurant/Bar/Bistro/Osteria/Trattoria/ Pizzeria/Eisladen Besitzer. 3. Verkäufer von venezianischen Masken und merkwürdigem Glas-Tand. Der Venezianer betrachtet die Touristen ungefähr so, wie ein schlechtgelaunter Hühnerbaron seine Legehennen betrachtet. Besonders in Restaurants längs der Touristenströme. Des weiteren ist die venezianische Küche für zwei Dinge weltweit berühmt: Zum einen für die exorbitanten Preise, zum anderen für die mangelnde Qualität, wie man an einigen Stellen sehr eindrucksvoll unter Beweis stellt. (Zwei Adressen wo es nicht so ist, weiter unten) Interessant auch, die allgemeine Schläfrigkeit der Venezianer. Gondoliere und andere menschliche Touristenfallen machten den Eindruck einer sehr voll gefressenen Spinne, die gelangweilt darauf wartet, dass mal wieder etwas im Netz landet. Im Falle der Gondoliere waren dass dann zumeist kichernde weibliche japanische Reisegruppen. Da konnte man schon ein wenig Mitleid bekommen, mit den Gondoliere, von denen netterweise auch keiner sang.
Erstaunlich auch die ebenso sympathische wie vehemente Weigerung der Einwohner, trotz vermutlich rund 6 Millionen USA Touristen pro Jahr, auch nur eine Fremdsprache einigermaßen verständlich zu beherrschen, was vielleicht auch damit zusammenhängen mag, dass Venedig eben eine Insel ist und man irgendwann was essen muss, auch wenn man nicht versteht, was der Kellner da von einem will. Um die Touristengegenden Rialto/San Marco haben die Venezianer dann einen Kompromiss geschlossen und servieren fast ausschließlich Pizza, was die amerikanische Bevölkerung dankend zur Kenntnis nimmt. Auch gut: die erstaunliche Fähigkeit der Venezianer Touristen zu riesigen Gruppen zu bündeln, und diese dazu zu bewegen, den ganzen Tag einem Schirm hinter her zu laufen, der sie durch die Gassen schleift, möglichst weit weg von all den Ecken, an denen die Eingeborenen leben und ihre Ruhe haben wollen. Der Stadtteil San Marco, der alle wichtigen Sehenswürdigkeiten beherbergt, ist dann auch so was wie eine sehr gute Idee eines Walt Disney Managers, der mal was völlig anderes machen wollte, als immer diese Achterbahnen und Mickey Maus Figuren. Stattdessen: ein bisschen alter Krempel, von dem keiner weiß, was er eigentlich soll, außer hübsch zu sein, enge Gasse und sehr, sehr viele bekannte Modefirmen, neben genuine italian Food.
Wo Nationen aufeinander treffen sind jedoch auch andere Beobachtungen möglich. Engländer kann man zum Beispiel mit geschlossenen Augen daran erkennen, dass sie die Akustik der winzigen, engen Gässchen gerne mittels eines kräftigen Rülpsers austesten. Gewonnen hat bei diesem Wettbewerb mit weitem Abstand ein ca. 20jähriges Mädchen, dass die dreitausend Anwesenden, die gerade versuchten gleichzeitig durch eine zwei Meter schmale Gasse zu gehen und dabei den Eindruck zu vermitteln, sie würden gemütlich schlendern, damit in Erstaunen versetzte, dass aus so einem jungen, schmalen Ding, so ein Geräusch rauskommen kann.
Aber natürlich ist Venedig auch schön. Zum Beispiel der Gemüse und Fischmarkt, das wundervoll grünlich schimmernde Wasser, die kleinen ruhigen Gassen an den noch kleineren Kanälen, die man am allerliebsten einpacken und mitnehmen würde, die kleinen unaufgeregten Weinbars in denen man knutschen kann, eben die Kleinigkeiten, die man suchen kann. Man muss nur einen kleinen Trick anwenden: Niemals den Schildern "San Marco" oder "Rialto" folgen, die so eine Art Autobahn für den Touristenherdenauf- und Abtrieb kennzeichnen. Es sei denn, man sucht sein Hotel, weil man sich an Hand des Stadtplans verlaufen hat. Verlaufen kann man sich sehr schnell, und die Stadtpläne sind in Venedig mit sehr viel Humor und nach dem Zufallsprinzip entworfen. Niemals enthält ein Stadtplan alle Strassen oder Gässchen, die in Ecken enden, die nicht eingezeichnet sind und noch sind alle Kanäle drauf, in die man stolpert. Und schon gar nicht sollte man sich zum Beispiel auf die Karten verlassen, die Hotels auf ihren Webseiten haben. Die beiden Webseiten unseres Hotels zeigten fröhlich zwei völlig unterschiedliche Kartenausschnitte. Zusammen mit einem Ausdruck des Stadtteils von Google Earth wurden wir aber dann doch fündig und ich konnte sagen "Mann gut! Mann Haus gefunden!"
Hier noch die versprochenen zwei Tipps. Essen: Trattoria Antica Mola, Canneregio 2800. Einfaches, frisches, gutes Essen am Kanal Fondamente Ormesini nahe des alten Juden Viertels. Wir hatten jeweils Vor-, Haupt,- und Nachspeise nebst einer Flasche Wein plus noch einen halben Liter Hauswein und einer Flasche Wasser. Zusammen für 55 Euro, was für venezianische Verhältnisse geradezu lächerlich billig ist. Trinken: Cantina Vecia Carbonera, Cannergio, Campo Maddalena. Ein kleiner Laden, in dem es recht guten Wein für 2 Euro das Glas gibt. Man kann gemütlich draußen auf der Treppe sitzen. Macht allerdings früh zu. Wie fast alle Läden in Venedig umm kurz vor Mitternacht dicht machen, was aber nicht schlimm ist, da man nach dem stundenlangen Betrachten von engen Gassen, schlecht angezogenen Amerikanern und noch schlechter angezogenen Engländern sowieso todmüde ist.
Bilder. Erlebnisbericht mit 1a Erlebnissen folgt später, wenn ich aus der redundanten "Das ist aber pittoresk!" Schleife raus bin.