Diesen Artikel sollte man einfach all denjenigen zur Lektüre empfehlen, die gerne meinen, dass das Internet an allem schuld ist.
Im Umgang mit dem Netz hilft es, wenn man sich an die eigenen Erfahrungen mit menschlicher Gesellschaft hält und nicht Einzelphänomene für das große Ganze hält. So las und hörte man vom Amokläufer Bastian B. in Emsdetten, er hätte "seine Tat vorher im Internet angekündigt". Das klingt, als hätte es auf Seite 1 der FAZ gestanden und wäre von der Öffentlichkeit sträflich ignoriert worden. Etwas "im Internet ankündigen" ist aber in den meisten Fällen gleichbedeutend mit einem DIN A6-Zettel, der an eine Hauswand in einer Seitengasse einer deutschen Kleinstadt geklebt worden ist: Nichts, was einem auffallen würde, wenn man nicht explizit darauf hingewiesen worden wäre oder intensiv danach gesucht hätte. Auch die Attentäter vom 11. September konnten sich "im Internet" treffen und ihre Taten unbehelligt planen, erfuhr man dereinst. Als ob sie sich im FBI-Hauptquartier in Washington getroffen hätten, um dort inmitten von Polizisten ungestört über ihre Gräueltaten zu konferieren. Nicht in der virtuellen Entsprechung eines Kellerraums eines verlassenen Fabrikgebäudes in Thüringen. Und dass es Spiele zweifelhaften Inhalts "im Internet runterzuladen" gibt, erscheint Mediennutzern vom Schlage eines Günther Becksteins so, als würde das Spielzeugangebot sämtlicher Kaufhäuser Deutschlands nur aus einer Puppe, einem Kasten Bauklötze, 30 Porno-DVDs und 68 verschiedenen Luftgewehren bestehen.
An der Stelle sei auch mal erwähnt, dass die Wochenzeitung "Freitag" eine ganz famose Zeitung ist, die man sehr viel öfter lesen sollte. Das einzige Blatt in Deutschland mit einer konsequent links-liberalen Meinung, das auch gerne mal zum Mittel der Kapitalismuskritik greift, was ja dieser Tage gleich eine Kritik an den Grundfesten der Demokratie darstellt, glaubt ein paar verwirrten Menschen aus Berlin.
Nicht, dass am Ende einer sagen könne, er habe nichts gewusst:
Der Bundesrat hat sich in seiner Plenarsitzung am heutigen Freitag für eine Speicherung von Gesichtsbildern und Fingerabdrücken aus biometrischen Ausweisdokumenten bei der Polizei sowie einen automatisierten Vergleich der höchstpersönlichen Daten mit Fahndungsdatenbanken ausgesprochen. [...] Nicht weit genug geht dem Bundesrat ferner eine im Bundestag bereits heftig umstrittene Klausel im Regierungsvorstoß, wonach ein Online-Abruf von Lichtbildern durch die Polizei- und Bußgeldbehörden im Ordnungswidrigkeitenverfahren im Straßenverkehr zugelassen werden soll. Die Länderchefs fordern, dass zum einen die Beschränkung auf das Gesichtsmerkmal aufgehoben werden solle. Darüber hinaus wollen sie ein automatisiertes und auf Eilfälle zugeschnittenes Abrufverfahren für die biometrischen Daten in Pässen und Personalausweisen ganz allgemein eingerichtet wissen, wenn dies "erforderlich ist". Dabei solle es etwa um die "Verfolgung von Straftaten" gehen. Schon die gesetzlich vorgesehenen "umfassenden Aufzeichnungspflichten" über erfolgte Zugriffe würden dabei für eine "effektive Datenschutzkontrolle" sorgen.
Und das geht immer weiter so. Wenn ich mir nur anschaue, was sich seit letzten Juli hier so angesammelt hat,wird mir schlecht. Der ganze Überwachungsmist kommt häppchenweise und wird immer mit anderen Argumenten verhüllt. Mal ist es das organisierte Verbrechen, mal ist es die Kinderpornographie, dann wieder der Terrorismus. Da drehen eine ganze Menge Leute hohl und nichts rührt sich.
Ich hab gehört, dass man in Uruguay sehr angenehm leben kann.
Nachtrag: Ich sehe jetzt erst, dass ich die Quelle der Meldung vergessen habe. War eine Heise Meldung
Vor Bild kuscht der gesamte Bundestag, und kein konservativer Landesvater schrickt davor zurück, in Bild zwischen einem blutigen, auf der Titelseite angerichteten Drama, das sich im Genitalbereich eines Sportlers abgespielt hat und einem Kleinanzeigenteil, in welchem eine "rasierte Transe mit XXL-Brüsten" ihre Telefonnummer anzeigt, das Wort zu ergreifen. Gerhardt Henschel über sein neues Buch "Gossenreport", das die Bild Zeitung zum Thema hat. (Wann kommt eigentlich das "Best of Bildblog Buch"?) Link
Kein Urheberrecht für geklautes PR Geschwätz. (Bedeutet das jetzt, dass man 80 % aller Meldungen in einer Zeitung oder bei Spiegel online gefahrlos abschreiben darf). Link
Warum man im Fernsehen nicht mehr mit BHs werfen darf. Link
Warum das Leben eines Boulevard Journalisten kein Zuckerschlecken ist. Teil Eins Link
Warum das Leben eines Boulevard Journalisten kein Zuckerschlecken ist. Teil Zwei Link
Das mit den korrigierten Interviews ist wirklich ein Kreuz und die Idee vom U_Mag, die gestrichenen Passagen einfach mit einem schwarzen Balken zu versehen, ist so neu nicht. Ich meine die SZ hatte so was schon mal mit einem Oliver Kahn Interview. Allerdings muss man auch sagen, dass viele Promis absolut richtig liegen, wenn sie meinen, dass das, was sie sagen, nicht so abgedruckt wird, wie sie es gemeint haben. Tatsächlich werden Interviews massiv eingekürzt, und sinngemäß auch verkürzt. Komischerweise hatte ich mit meinen Interviewpartnern bisher immer Glück. Einzig mit Frau Ferres hatte ich eine sehr lange und intensive Kommunikation per Fax.
Das Problem ist zum einen der knappe Platz in den Magazinen und Zeitungen. Die SZ hat am Wochenende eine ganze Seite, der Spiegel schon mal mehrere Doppelseiten für einen Interviewpartner zur Verfügung. In den meisten anderen Zeitungen und Magazinen sieht es anders aus, und selbst ein Interviewmagazin wie die "Galore" bleibt bei vielen Interviews sehr oberflächlich. Was man bei Interviews mit Hollywood Stars schon verstehen kann, denn gehen meistens so: Nach Überprüfung und Zusage für ein Interview bekommt der Durchschnittsjournalist (Print) einen Termin in einem Hotel zugewiesen. Dort sitzt er ein wenig rum und unterschreibt viele Zettel mit Strafandrohungen. Dann darf er mit ein paar anderen Kollegen in ein Hotelzimmer gehen, wo der Star, der Manager und Pressebetreuer warten. Man hat 15 Minuten Zeit, jeder Journalist hat drei oder vier Fragen, dann wird man wieder rausgeschmissen. Wenn man mit dem deutschen Pressebetreuer gut kann, und/oder einen großen Auftraggeber hat, dann bekommt man auch mal alleine ein paar Minuten. Das nennt man dann "Exklusiv Interview". Mit den meisten Musikern geht das genauso. Wobei einige da eine sehr eigene Technik entwickelt haben, wie sie mit Journalisten umgehen. Roland Orzabal von "Tears for Fears" verfällt während eines Interviews gerne mal in dumpfes Schweigen, der schwedische Rocker Joakim Thastrom (Peace, Love & Pitbulls) legte früher bei unpassenden Fragen den Kopf einfach auf den Tisch und redete nicht mehr, Moby verwickelt einen in eine Diskussion über irgendwas politisch Unkorrektes und Matt Johnson von "The The" führt eine akribisch genaue Liste in einem Laptop über jeden Interviewpartner, dessen Aussehen, Fragen und Musikkenntnisse er mit Schulnoten versieht. Wer zu schlecht ist, darf nicht mehr kommen. Die Liste ist mittlerweile sehr, sehr lang.
Zumindest machen Interviews in dieser Form meist keinen Sinn mehr. Interviews brauchen Platz und sollten nicht irgendwo in einem Kasten neben der abgeschriebenen PR-Mitteilung stehen. Da könnten Blogs in Zukunft auch Abhilfe schaffen.
Datenschutz?
Wie bekannt ist die Festplatte meines Siemens Rechners hinüber. Sie zuckt nicht mehr, Daten kann man nicht auslesen. Aber natürlich sind die Daten noch drauf, und zwar alle. Bookmarks, Mails, Cookies und die damit verbundenen Passwörter, Briefe, Steuersachen usw. usf.
Gestern baute mir ein weiterer Techniker die neue Festplatte ein, und wollte die alte dann mitnehmen. Das wollte ich nicht, denn es sind ja immer noch meine Daten drauf, und da ich nicht weiß, ob die Festplatte unwiederbringlich hinüber ist, oder ob man sie doch noch auslesen kann, möchte ich meine Daten nicht einfach weggeben. Schon gar nicht an einen Servicedienst, der im Auftrag von Siemens und Karstadt unterwegs ist. Der Techniker wies mich darauf hin, dass er auf jeden Fall die defekte Platte zurückschicken müsse.
Heute rief er mich an, und bat noch einmal um die Festplatte, was ich weiterhin nicht einsehe. Und dann klingelt das Telefon und ein Mensch von Siemens war dran. Der meinte, ich müsse die defekte Festplatte zurücksenden, da man mir sonst folgendes in Rechnung stellen würde:
a) die Festplatte zum damaligen Preis b) die Lagerkosten für die Festplatte. Wenn die Platte vor dem Einbau in den Rechner ein Jahr gelegen habe, könne das teuer werden.
Das würde so viel kosten, wie eine 500 GB dieser Tage. Ungefähr. Meinte er. Aber ich könne ja die alte, kaputte Platte behalten und dem Techniker die Neue wieder ausbauen lasse. 160 GB würden ja nicht die Welt kosten.
Das kann ja wohl nicht wahr sein. Da wird man sein halbes Leben lang davor gewarnt, seine Daten aus der Hand zu geben, und dann kommt eine Firma und will gleich alle Daten einsammeln.
Tja - hat jemand einen sehr großen Magneten?
Update 09.02.07: Heute Morgen klingelte das Telefon und die die Technikfirma unterrichtete mich in harschen Worten darüber, dass keine weiteren Arbeiten an meinem Rechner durch geführt würden, wenn ich die Festplatte nicht raus rücken würde. Auch könnte es passieren, dass die bisherigen eingebauten Ersatzteile in Rechnung gestellt werden. Original Wortlaut: "Das wird dann so teuer, davon können Sie sich zwei Rechner kaufen". Man sagte mir, dass die Daten nicht angerührt würden, man müsse die Festplatte allerdings zu Siemens senden. Mal abgesehen davon, dass das solche Anrufe einen nervösen Rechtsanwalt das Gesetzbuch beim Absatz "Nötigung" aufschlagen lassen, finde ich die Erklärung immer noch nicht befriedigend. Die Mail an den Support ist raus, die an die Anfrage an die Pressestelle, wie man das mit dem Datenschutz sieht, auch.
Zensur im Blog
Don Alphonso greift ein Thema auf, dass in den nächsten Monaten wahrscheinlich sehr wichtig in der deutschen Blogszene werden wird: Soll man alle Informationen über ein Thema weitergeben und in seinem Blog publik machen? Oder sollte man lieber ein paar Dinge für sich behalten? Und wenn man letzteres macht, ist man dann nicht genauso schlecht, wie jene Zeitungen oder Behörden, die das Zurückhalten einer Information damit begründen, dass dies zum Wohle der Leser/des Volkes geschieht? Natürlich kann man sagen: Blogs sollten anders sein - wer Graswurzeljournalismus betreibt, wer gleichzeitig über die "alten Medien" schreibt, dass sie genauso Lobbyisten geworden sind, wie eine beliebige Industrievertretung, der sollte mit gutem Beispiel voran gehen und über all das schreiben, was man weiß. Der Leser ist klug genug zu unterscheiden, was für ihn persönlich wichtig ist, und was nicht. Diese Einstellung ist aber in dem Moment schon nicht mehr tragbar, wenn durch einen Blogeintrag Leib und Leben eines anderen Menschen gefährdet ist, was aber vielleicht ein extremes Beispiel ist. Eine anderes Beispiel war und ist die Veröffentlichung jener Videos, in denen StudiVZ Gründer Ehssan Dariani deutlich zeigte, dass man sich nicht dabei filmen lassen sollte, wenn man sich selber mit einer Videokamera vor ein paar fremden Frauen lächerlich macht. So sehr ich die Kritik an StudiVZ und an Ehssan nachvollziehen konnte, das ging mir doch persönlich ein ganzes Stück zu weit.
Aber es ist nicht nur die Schere des Anstands, die schwer ist zu definieren. Blogs haben im letzten Jahr so einiges bewegt und sind sehr in den Fokus der Medienöffentlichkeit geraten. Wie stark, zeigt sich an der Geschichte bei Spreeblick die eine kleine Story über einen Bürgermeister hatten, und diese rausnahmen, als die ersten Medien am Telefon waren. Denn die Welt der Medien da draußen, ist ganz sicher nicht so gut, überparteilich und brav, wie mache Menschen gerne denken. Journalisten sind nicht die Hohepriester der Wahrheit, haben nicht das Wesen eines kleinen, puscheligen, blinden Welpen. Die Medien werden von Menschen gemacht, und diese Menschen haben hier und da Rechnungen zu begleichen. Manche wollen einem Politiker etwas böses, weil sie in einer anderen Partei sind (viel häufiger passiert das allerdings, wenn sie in derselben Partei sind), manche Menschen suchen einfach nur eine schöne große Story, die mal wieder ein paar Klicks oder Zuschauer bringt. Was mit den Menschen geschieht, die wegen der Quote für ein paar Stunden oder Wochen in den Nachrichten war, das interessiert ja nicht. Ich kann eine eine lustige Geschichte über eine flapsige Bemerkung eines Politikers machen, der Journalist der Zeitung XYZ macht daraus etwas völlig anderes. Wer unter Beobachtung der Medien oder einer große Öffentlichkeit steht, der wird schnell merken, dass man nicht mehr einfach so mal eben eine Geschichte raus haut und schaut was passiert.
Aber ein paar einfache Regeln beim Erstellen einer Geschichte helfen einem schon:
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Solange es nur um einen selber geht, kann man alles schreiben, was man will. Die Grenzen werden durch die eigene Leidensfährigkeit, Exhibitionismus oder Schamgrenze bestimmt. Egal ob ich über mein Sexualleben berichten möchte, oder über das, was ich gerade zum Frühstück hatte.
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Sobald eine andere Person in dem Beitrag eine Rolle spielt, wird es schon schwieriger. Ich weiß, das, denn ich habe auch bei einigen Texten unterschätzt, wie klein das Internet ist. Bei dem Text über meine ehemalige Grundschullehrerin, meldete sich nach Monaten ein Angehöriger, der sich bitterlich über meinen Geschichte beschwerte. Ein anderer Mal habe ich über eine Ex-Freundin geschrieben. Die Geschichte hatte ich sehr verfremdet, aber dennoch erkannte sie sich wieder und war not amused. Solange man sich nach einer Geschichte privat ein wenig anzickt, ist es aber noch ok. Der Schreibende hat ja durchaus einen Grund etwas zu schreiben, über die Formulierungen kann man aber sicher lange und anhaltend streiten.
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Wenn man über Menschen schreibt, die einen nicht kennen, und wenn man sich nicht lobend über diese Menschen äußert, dann wird es gleich doppelt schwierig. Zum einen kann man wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts abgemahnt, werden. Zum anderen muss man immer überlegen, ob das, was man schreibt, nur aus einer Momentaufnahme besteht, oder ob man wirklich in der Lage ist, über jemanden eine dezidierte Meinung wiedergeben zu können. Im Prinzip gilt bei Beschimpfungen etc. eigentlich immer, dass man nur das schreiben sollte, was man jemanden auch ins Gesicht sagen würde.
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Und schließlich: ja, man kann auch Geschichten wieder offline nehmen, wenn man den Eindruck hat, dass man etwas weitreichendes los getreten hat, was man in der Art nicht wollte. Man sollte dann aber so ehrlich sein wie Johnny Spreeblick, und was dazu schreiben.
Sollte man eh in jedes Blog einbauen, diesen Link zum wasted comment dump der auch für nicht geschriebene oder gelöschte Blogeinträge gilt.