Die Edelmänner haben mal wieder zugeschlagen und ein pdf rausgebracht, dass den Stand der Blogszene in unterschiedlichen Ländern zusammenfasst. Die Hintergründe zu diesem pdf fasst David Brain (CEO Edelman Europa) in seinem Blog zusammen. Dabei haben sie sich mal nicht auf die Daten von Technorati verlassen, sondern die jeweiligen Blogbauftragten ihrer Landes Dependancen gebeten, eine Einschätzung zu geben. Für Deutschland hat das der sehr freundliche Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach gemacht und das, was er schreibt ist interessant und kommt durchaus dem nahe, was ich auch über die deutsche Blogszene denke. Auch die von ihm genannten Zahlen halte ich realistisch. Warum er allerdings in seiner Liste der einflussreichste deutschen Blogs ausgerechnet "Ehrensenf" aufführt, wird wohl sein Geheimnis bleiben.

Mehr als ärgerlich ist allerdings der Artikel über China. Adam Schokora schreibt das Blogger offen schreiben können und deswegen Blogs nutzen weil die "bureaucratic editorial processes" so nervig seinen. Bei meinem Gespräch mit Michael Anti (Zhao Jing) im November, sagte der was völlig anderes. Da war die Rede davon, dass Blogger die politsch und/oder gesellschaftlich unerwünschtes von sich geben, einer dauerden Gefahr ausgesetzt sind. Das Yahoo regimefeindliche Blogger auch schon an die Regierung verpetzt hat, ist dem Edelmann Vertreter in China wohl entgangen.

Es ist mittlerweile weithin bekannt, dass sich gerade in den Ländern eine intensive und einflußreiche Blogszene entwickelt, in denen die Menschen unter einem rigiden Regime leiden. Iran und Ägypten sind nur zwei Beispiele. Das die Blogszene in China so stark ist, hängt auch mit dem herrschenden Politik zusammen. Schokora schreibt zwar, dass die meisten Chinesen sich eher in anonymen Foren austauschen, weil es dort leichter ist, seine Identität zu verschleiern, aber er schreibt nicht wieso das ist. Als ob Chinese die putzige Angewohnheit hätten von Natur aus misstrauisch zu sein.

Perhaps more than elsewhere, bloggers in China can be extremely hostile if they feel they are being manipulated; this is largely the reason why no PR firm or company has had significant success in leveraging the power of the Chinese blogosphere or the Internet to engage stakeholders and build brand equity.

Edelman ist eben eine PR Firma und kein Nachrichtenmagazin und der Wunsch, dass auch eine solche Firma bei einer Betrachtung nationaler Blogszenen die politischen Einflüße mit einbezieht ist wohl eine Utopie. Vermutlich ist es PR Firmen wie Edelman auch wurscht, warum sich Szene etablieren, weil sie nur als Instrumente gesehen werden, die man für die eigenen Zwecke nutzen kann.

Nachtrag: Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach hat mich auf eine neue Version der Studie aufmerksam gemacht, die man hier finden kann. Inhaltlich hat sich, beim ersten drüberfliegen, wenig verändert. Den Text über China hat allerdings jetzt nicht mehr Adam Schokora sondern dessen Kollege Tony Tao geschrieben. Wer den jetzt tatsächlich geschrieben hat wäre interessant zu wissen, macht ihn aber auch nicht besser. Den Text, mein ich.

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So deutlich kann das ja nur einer sagen:

Das Internet ist so unschön wie die Menschen, die es besuchen, nicht mehr, nicht weniger. Jeder Zeitungsmensch, der sein Brot dank der Inseraten von Prostituierten, der Bundesregierung und gieriger Megakonzerne frisst, sollte das wissen. Wer sich über das Internet wegen Hinrichtungsvideos aufregt, sollte keine Anzeigen von Firmen mehr nehmen, die von Todesschwadronen profitieren, mit Diktatoren und Mördern Handel treiben und bestechen, wo es nur geht, egal wie viele Leute in Folge dessen zwischen dem Drei-Schluchten-Staudamm und dem Nigerdelta krepieren.

Na? Wer sagt sowas? Auflösung in den Kommentaren

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Also, das war so: erst schreibt der Außenpolitik-Chef der Süddeutschen Zeitung, Stefan Kornelius, einen Kommentar, in dem er folgendes schreibt:

Die Seuche Internet garantiert, dass die Bilder auf immer abrufbar sein und - so weit der Begriff in diesem Zusammenhang erlaubt ist - kulthaften Status annehmen werden.

Das hat Stefan Niggemeier gelesen, der daraufhin Herrn Kornelius unter anderem gestern Mittag in einer Mail antwortete:

Würden Sie im Zusammenhang mit CDs mit rechtsextremen Texten, die Neonazis vor Schulen verteilen, auch von der „Seuche Musik“ sprechen? Muss man angesichts der antisemitischen Fernsehserien u.a. auf den Hisbollah-Sendern von der „Seuche Fernsehen“ reden?

Daraufhin hat sich Herr Kornelius nach Redaktionsschluss kurz noch Zeit genommen, und Herrn Niggemeier geantwortet:

Oder wollen Sie es etwa als Errungenschaft der Menschheit bezeichnen, dass ich eine Hinrichtung weltweit anschauen kann? Halten Sie es für einen moralischen Gewinn, dass mit Lynch-Bilder Politik gemacht wird? Ist es für Sie ethisch zwingend, dass all dies nun für Kinder zugänglich ist?

Natürlich ist das Internet dafür verantwortlich, dass sich Dinge, wie das Video von der Exekution eines ehemaligen Diktators, schnell verbreiten. Viel schneller als alle arabischen und vermutlich auch westlichen Server auf denen das Video wie durch Zauberhand knapp 48 Stunden nach der Exekution auftauchten, waren aber die Zeitungen, wie zum Beispiel die "Bild", die körnige Photos des ganzen Schauspiels gleich auf die erste Seite packten. Sich darüber aufzuregen, dass das Internet Schuld an der Verbreitung dieser Bilder sei, ist allenfalls überflüssig. (Ah, ich sehe gerade, Mercedes Bunz hat da noch mehr Informationen).

Wer es denn nun war, der die Bilder zu erst hatte - diese Diskussion finde ich nicht nur etwas langweilig, sie ist auch schäbig, weil sie ein wenig danach klingt, dass da jemand, in diesem Fall etliche Journalisten, beleidigt darüber sind, dass sie nicht mehr gefragt werden, was mit Informationen geschieht. Wenn selbst ein Mann wie Stefan Kornelius, der über jede Menge Erfahrung verfügt, beleidigt kommentiert, dass bestehende Regeln unterlaufen werden, dann scheint der Frust groß zu sein. Treffender, aber vermutlich ungewollt hat das Birand Bingül in den "Tagesthemen" gesagt, als er sich über das Internet erregte, dass die Bilder preis gab.

"Vorbei an uns Journalisten, an unserem Ethos die Grenzen von Anstand und Voyeurismus zu bedenken. Vorbei an uns Journalisten, die erklären, einordnen, die Bilder auch nicht senden"

Und genau darum geht es bei den ganzen nervösen Sticheleien quer durch alle Medien: die Meinungshoheit, bzw. wer sie hat, bzw. wer sie behalten darf. Viele Journalisten sehen das offenbar so: Nur wer eine journalistische Ausbildung hat, in einer Redaktion sitzt oder mal gesessen hat, der ist moralisch dazu befähigt ein Urteil darüber zu fällen, was der Bürger sehen darf. Der Journalist fühlt sich verantwortlich dafür, welche Informationen ein Bürger empfängt, welche Bilder er sehen darf. Eine Einstellung aus der Steinzeit des öffentlich-rechtlichen Bildungsfunk. Also jener Zeit, in der der Bayrische Rundfunk sich auch mal gerne aus dem Gemeinschaftsprogramm der ARD ausblendete, weil irgendjemanden eine Episode der Kabarettsendung Scheibenwischer nicht passte. Die Journalisten als Abgeordnete der Bürger in den Medien. Nur hat ihn keiner gewählt. Er hat sich nur selbst ernannt. Und so ist er unsichtbarer Zensor und Repräsentant dessen, was in der Welt so passiert, und steht am Ende einer Ereigniskette wo er entscheidet, was man sehen darf, und was man nicht sehen darf. Der Journalist sorgt dafür, dass es uns allen gut geht. Und besonders auch, wie Herr Kornelius ja in seiner Mail hervorhebt, den Kindern. Weil Kinder, das wissen wir ja, den ganzen Tag am Rechner sitzen, "saddam tot video" bei Google eingeben und Killerspiele spielen.

Die "Seuche Internet" sorgt jetzt dafür, dass diese Meinungshoheit bröckelt, da aus dem "Zuschauer" ein "Bediener" geworden ist. Da sitzt keiner mehr, der einfach nur zuschaut, was die Journalisten zulassen, sondern da wählt jemand aus, was er sehen will. Die Verantwortung, welche Informationen jemand lesen oder sehen möchte, liegt immer mehr bei jedem einzelnen. Das kann man unschön finden, weil es genügend Idioten gibt, die meinen mit einem Video auf der Webseite ein paar Klicks zu bekommen, ändern kann man das aber nicht. Die Vertriebswege der Nachrichten haben sich nun mal verändert und damit auch die Verantwortung. Genauso wie jene, ob man seine Kinder einfach vor den PC sitzen lässt, oder ob man per Software steuert, was sie sehen dürfen, und was nicht. Man würde seine Kinder ja schließlich auch nicht in einen DVD Verleih mitnehmen, und sie sich in Ruhe in der Pornoabteilung umsehen lassen.

Das Video des Exekution von Saddam Hussein ist widerlich, man muss es nicht sehen. Die ARD hat dass im Tagesschau-Blog treffend analysiert. Tatsächlich ohne "das Internet" dafür verantwortlich zu machen. Es wäre langsam wirklich mal an der Zeit, wenn Journalisten lernen würden, das Internet nicht als natürlichen Feind, sondern als Verbündeten im Kampf um Bürgerrechte, Demokratie, Meinungsfreiheit und Machtkontrolle zu sehen.

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Braucht man einen Bloggerverband?

... oder reicht auch ein Pflaster? Der Oldman hat eine schöne Idee. In Sachen Abmahnungsgesetze und deren Umsetzung im Internet, möge man doch mal schauen, wie weit man die noch vorhandenen demokratischen Grundrechte nutzen kann.

"Nehmt Kontakt mit dem Wahlkreisbüro Eures / Eurer Bundetagsabgeordneten auf und versucht einen Termin mit Eurer/ Eurem Abgeordneten persönlich zu bekommen. Geht zu diesem Termin und vermittelt dem / der Abgeordneten die nötigen Kenntnisse über die Blogosphäre und Weblogs"

Kann man machen, ob man allerdings die Zeit dazu, einen dreitägigen Einführungskurs zu geben, ist dann wieder eine andere Sache. Ich persönlich glaube ja, dass die Kluft zwischen einem Blogger und einem Abgeordneten nicht nur vom Alter her ziemlich groß ist. Und gegen den herrschenden Fraktionszwang kann man leider nichts machen. Treffend formulierte dies Quentin Skinner die Tage in eine Interview in der FAZ. Bezogen auf das englische Rechts- und Partiensystem und die Frage, ob wir heute Sklaven seien, ohne es zur Kenntnis zu nehmen, antwortete er:

Ja, natürlich. Wir werden von einer Exekutive regiert, der wir nicht zugestimmt haben. Wir haben zwar die Abgeordneten ins Parlament hineingewählt, aber das Parlament hat in ganz entscheidenden Fragen überhaupt nichts zu melden. In der Entscheidung über Krieg und Frieden, wie beispielsweise in der Frage des Irak-Krieges, gibt es in Großbritannien eine königliche Prerogative, ein Vorrecht, das vom Premierminister im Namen der Krone ausgeübt wird: vom römischen Recht her betrachtet, ein klarer Fall von Sklaverei. Außerdem folgen die Abgeordneten der Parteidisziplin, obwohl wir sie als Abgeordnete und nicht als Funktionäre von Parteien gewählt haben.

In Deutschland heißt das nicht königliche Perogative, sondern Richtlinienkompetenz des Kanzlers., bzw. Kanzlerdemokratie und unterscheidet sich in praktischen Umsetzung nur in Nuancen vom englischen Modell.

Die Frage stellt sich anschließend, was man machen kann. Versucht man, wie der andere Don in der Blogbar vorsichtig andeutet, eine Art "Neo-APO" mittels Blogs auf die Beine zu stellen, oder passt man sich den Gegebenheiten an und gründet einen "Verband zum Schutz der Rechte deutschsprachiger Blogger e.v." und macht eben das, was alle machen: Politik? Die Idee taucht seit einigen Monaten immer mal wieder auf, und ich hab über das Thema auch schon mit etlichen Bloggern diskutiert. Persönlich kann ich mich mit der Idee einer Verbandsgründung nicht anfreunden, und ich frage mich, was so ein Verband bringen sollte, mal abgesehen von der wirklich witzigen Idee, zu versuchen den Bloggerverband dem "Netzwerk Recherche" anzugliedern (Insiderwitz, muss man nicht verstehen).

So richtig sehe ich aber keinen Sinn in einer Verbandsgründung. Zumal man ja weiß, wie einflussreich zum Beispiel die verschiedenen Journalisten Verbände in Deutschland sind, wie man an der täglich wachsenden, kritischen Berichterstattung der Medien ja sehen kann. (Ironietag bitte selber setzen). Zwar gibt es das Argument, dass man sich mittels eines Rechtshilfefonds innerhalb eines Vereines besser gegen ungerechtfertigte oder strittige Abmahnungen zur Wehr setzen könnte, aber dieses Argument geht meiner Meinung am Ziel vorbei. Denn dann könnte man auch schlicht einen "Anti-Abmahnungs-Verein" gründen. Ich gebe allerdings auch zu, dass die bisherige Vernetzungsstrategie (Verlinken, Mailen, Treffen, Vertrauen gewinnen, zusammenarbeiten) auf Grund der wachsenden und zersplitternden Blogszene an ihre Grenzen stößt.

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Neulich schrieb jemand mal, dass die deutsche Weblogszene große Anstrengungen unternehmen würde, StudiVZ eins mitzugeben, aber gleichzeitig würden im Irak mittlerweile täglich dutzende bis hunderte von Menschen sterben, ohne dass man hier davon etwas lesen würde. Das ist ohne Zweifel richtig, aber was soll man angesichts der unfassbaren Gewalt auch schreiben? Das die Invasion ein Fehler war? Das man mit Hussein immer noch besser dran war? Die Bemühungen, sich zum Thema zu äußern, sind schon deswegen zum Scheitern verurteilt, weil man sich nicht auskennt, also weil man im Grunde genommen keine Ahnung hat, was eigentlich in dem Land los ist. Aber da ist man ja in guter Gesellschaft, da ja offenbar weder Briten noch Amerikaner eine Ahnung haben, welche Splittergruppe nun gerade von der Al-Quaida, Iran oder Syrien finanziert wird. Oder vielleicht auch einfach unterwegs ist, um die eignen Interessen zu sichern.

Aber wenn man schon nicht mehr wer weiß, wer jetzt eigentlich mit und gegen wen im Irak kämpft und auch wenn man so jeden strategischen Überblick verloren hat, so kann man sich doch noch auf den taktischen Bereich zurückziehen. Also verstehen, in welche sich Richtung sich das alles bewegt. Genau das macht John Robb in seinem sehr lesenwerten Blog Global Guerrillas.

Robb ist, laut eigener Aussage, ein ehemaliger Missions Kommandeur einer US Anti-Terror Einheit und erfolgreicher Finanzanalyst (hübsche Kombination). Auf jeden Fall scheint er über gute Kontakte zu verfügen und seine Analysen, zum Beispiel die vom 02.12.06 über den Stand des Bürgerkriegs im Irak, sind sehr einleuchtend. Robb gehört auch zu denen, die schon seit Jahren vor einem Splittergruppen-Terrorismus warnen, der, wenn man überhaupt diesen Weg gehen will, nur durch die Sisyphos-Arbeit von Anti-Splittergruppen Einheiten und nicht mehr durch ganze Armeen eingedämmt werden kann.

[Update zum Thema - "Man muss nicht alles glauben, was die Medien berichten"]

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