Das ist ja so eine Sache mit den Völkern, die irgendwo am anderen Ende der Welt aufeinander schlagen. Eigentlich kann es einem recht egal sein, wer wem den Schädel spaltet. Jeden Tag spaltet irgendeiner irgendwem den Schädel. Sei es, weil er doof guckt, sei es, dass sich gerade zwei, aus welchen Gründen auch immer, seit Urmutter Gaia verfeindeten ethnischen Grüppchen beim Biertrinken über den Weg laufen. Mein alter Geschichtlehrer hat immer behauptet, dass das zwar immer schon so gewesen, aber heute etwas komplizierter sei. Früher (düsteres Mittelalter), da rechnete man einfach so: "Ich hab 100 Pferde und drei Kanonen. Der andere hat 80 Pferde und keine Kanonen. Den mach ich fertig." Heute sei das komplizierter, weil dauernd das Fernsehen dabei sei. Er fügte immer hinzu: "Und das ist ja mal richtig so, denn je mehr Menschen sehen, wie groß das Elend eines jeden Krieges ist, desto mehr mischen sich die ein, die noch bei gesunden Menschenverstand sind"

Dererlei Ungehobeltheiten gehören zumindest in Europa der Vergangenheit an und weil man hier zumindest seit 1945 offenbar ein paar sehr grundsätzliche Sachen gelernt hat, ist es auch ruhig und man kann in Frankreich unbehelligt Froschschenkel essen. Dass sich diese freundliche Einstellung aber nicht in ganz Europa rum gesprochen hat, durfte man ja leider in den 90er Jahren auf dem Balkan erleben. Das dortige Geflecht von historischer Blutschuld, Freund/Feind Bildung, schlechter Laune und ungünstigen Hochzeiten ist selbst für penible Historiker ein gordischer Knoten, vor dem die meisten entnervt das Handtuch werfen. Dem nicht unähnlich ist die Situation im Nahen Osten. Gut, die meisten wissen, dass mit der Gründung des Staates Israel nach dem zweiten Weltkrieg die Lage hochexplosiv wurde, doch das war sie im Grunde schon seit Jahrtausenden. Die Gemengenlage, wer mit wem, wann, wie und warum mal kann, und wann nicht, ist auch ziemlich undurchschaubar. Ist Libanon nun ein Vasallenstaat Syriens? Mag man im Libanon die Hisbollah, nur weil ein Vertreter des politischen Armes in der Regierung sitzt, oder wäre man froh, wenn die einfach verschwinden würden? Was macht eigentlich Ägypten? Ist Jordanien, wo ziemlich viele Palästinenser leben, auf der Seite Palästinas oder ist man doch näher bei Israel? Fragen, auf die das "Slate" mittels einer hübschen Grafik versucht eine Antwort zu finden

Den Menschen, die gerade sinnlos sterben oder in Todesangst leben hilft das alles leider nicht. Da wäre der von meinem Geschichtslehrer angemahnte gesunde Menschenverstand angebracht, aber wer traut sich diesen da unten gerade aufzubringen? Normalerweise kommt der irgendwann von außen. Sei es, weil sich jemand profilieren will, sei es, weil es jemanden auf den Senkel geht, dass sich Menschen wegen was auch immer umbringen. Die grundsätzliche Aussage: "Aber das muss doch jetzt nun wirklich nicht sein" wäre ja schon Grund genug. Bei den vergangenen Konflikten fand sich dann auch schnell meist ein Europäer, der mittels altbekannter Pendeldiplomatie beide Seiten irgendwie beruhigen konnte. Und wenn die Europäer mal wieder gepennt haben, dann sandten die Amerikaner einen altgedienten Ex-Außenminister, und wenn gar nichts half, dann drohten sie mit Jimmy Carter. Aber im Moment? Stille. Niemand, zumindest nicht öffentlich, fliegt durch die Gegend, und schon gar kein Amerikaner. Letzteres mag natürlich damit zusammenhängen, dass die USA in diesem Landstrich gerade nicht den allerbesten Ruf genießen, aber eigentlich wäre es für die USA ein riesiger Image Erfolg, bekämen sie die Hisbollah und alle andere mal einen geheimen Tisch. Das gerade die USA nichts machen, zeugt wohl davon, dass ihnen der Konflikt sehr gelegen kommt. Zum einen lenkt er vom Irak ab, zum anderen muss sich Syrien dieser Tage mehr um Israel kümmern. Und zum dritten hofft man wohl, dass sich mittels dieses Konfliktes heraus bekommen lässt, dass der Iran sowieso an allem schuld ist. Fände man Beweise, dass die Hisbollah mit neuestem iranischem Material auf Israel schießt, könnte man vor den UN Sicherheitsrat marschieren ohne dass man billig gezeichnete Powerpoint Präsentationen vorzeigen müsste.

Nachtrag: Kaum geschrieben, lese ich, dass Condoleezza Rice im Nahen Osten unterwegs ist. Hätte man ja auch gleich Anne Coulter schicken können.

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Meine Herren, da ist ja richtig was los. Dagegen sind die kleinen Scharmützel in der Blogszene Sandkastenspiele.

Worum geht es? Die NYT hatte in einem Artikel offen gelegt, dass die US Regierung, ohne Zustimmung des Repräsentantenhauses oder des Senats, seit Jahren Daten von Millionen Kontobewegungen gespeichert hat und über den belgischen Anbieter SWIFT abfragt. An sich ist diese Nummer schon sehr fragwürdig, auch wenn man mittels Kontobewegungen meint, Terroristen auftreiben zu können. (Ich dachte, die werden deswegen seit Jahrzehnten über hundertfünfzig Ecken mit Bargeld versorgt. Jedenfalls war das in meinen "Mr. Dynamit" Romanen aus den 70er Jahren so)

Die NYT hat also einen Artikel veröffentlicht, in dem diese Sache aufgedeckt wird und man wohl auch die Frage stellt, wo eigentlich die Terroristenabwehr aufhört und die, sagen wir mal, die neurotische, panische, faschistoide, diktatorische Überwachungsstaatmentalität der Bush Regierung anfängt. Und dann ging der Ärger los. Präsident Bush selber blies zum Angriff auf die NYT in dem er von "Landesverrat" sprach und Rechts-Konservative wie die Kolumnistin Anne Coulter fingen ihre mediale Hetzjagd an. Coulter, republikanische Giftspritze sondersgleichen, soll mal bzgl. der NYT gesagt haben: "My only regret with Timothy McVeigh [Anm: der Oklahoma Attentäter] is he did not go to the New York Times Building." Und das sind noch die harmlosen Kommentare der Dame, die auf ihrer Webseite ziemlich unerträglichen Mist absondert. Aber die Phototour lohnt sich. Nicht das man denkt, das sei eine relativ unbekannte Dame aus dem mittleren Westen. Diese Frau tritt regelmäßig in allen wichtigen Sendern der USA auf. Natürlich ist sie bei Fox News ständiger Gast, aber auch bei CNN oder CBS ist sie ein Dauergast. Ihre Bücher verkaufen sich zu dem Millionenfach. Das ist also nicht einfach eine etwas lauterer Dame aus der rechten Ecke, dass ist jemand, die von rechts-konservativen Kreisen nach vorne geschickt wird um zu testen, wie weit man gehen kann.

Nun kann man sich wundern und erleichtert sagen: "Ja, die verrückten Amis, wie gut, dass wir hier leben." Aber ich wäre da doch etwas vorsichtiger. Nachdem man im letzten Jahr schon die Redaktionsräume der "Cicero" und eines Journalisten durchsucht hat, um eine "undichte Stelle" beim BKA zu finden, dies ebenfalls mit dem Totschlagargument "Innere Sicherheit" begründete, sagte Innenminister Wolfgang Schäuble neulich mal: „Die Pressefreiheit ist nicht absolut, auch die Geheimhaltungsinteressen des Staates haben Verfassungsrang" [Quelle] Und Deutschland ist weder angegriffen worden, noch ist man im Krieg.

Mehr zum Thema Die Welt Berliner Umschau D-Radio Tagesschau Anne Coulter Zitate Hintergrund zu Anne Coulter und somit auch zu den konservativen Kommentatoren Typisches Interview mit Anne Coulter

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Das ist ein bekanntes Problem der Krisenberichterstattung: Die Medien zeigen das Außergewöhnliche, nicht das Alltägliche. Am Montag haben 68 Millionen Iraner einen ganz normalen, durchschnittlich langweiligen Tag gehabt. 200 andere Iraner haben versucht, sich der österreichischen Botschaft zu nähern und wurden von der Polizei daran gehindert. Ein kleiner, außergewöhnlicher Ausschnitt der Wirklichkeit wird in Zeitungen, Fernsehen, Radio und Internet so lange wiederholt, bis das Außergewöhnliche als das Normale erscheint.

Sehr amüsanter und ebenso interessanter Bericht eines Reisenden der gerade in Syrien Urlaub macht.

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Fazit. Das war kurz und schmerzlos. Um kurz nach elf ging es los, um kurz nach vier war Feierabend. Fünf Stunden geballte Wahlkampfaufrufe, Reden, Singen und sich Mut machen. Während man in der Halle den Eindruck haben konnte, dass sich die SPD auf den Weg macht, die bisher stabile Mehrheit der CDU zu Fall zu bringen, während drinnen gejubelt und geschrieen wurde, war die Stimmung draußen im Foyer etwas anders. Hier und da hörte man ein "Jetzt müssen wir...", "Gleich werde ich" oder "Morgen werden wir richtig..." aber die Stimmung blieb flach. Als ob es völlige unterschiedliche Realitäten drinnen und draußen geben würde. Als ob man drinnen das tat, was der Parteivorstand vom Parteivolk verlangt bei so einer Sitzung, um draußen dann das Partyhütchen abzulegen um wieder im Jammertal zu verbleiben. Nachdem Parteitag zogen die SPD Massen schweigend zur S-Bahn. Keine Gespräche, nur stilles in sich grübeln, wie man das Ding noch drehen könnte.

Eine merkwürdige Choreographie haben diese Parteitage. Da wird aufgehetzt, damit die Reihen geschlossen werden, da wird Stimmung gemacht und niemand der Anwesenden will sich die Blöße geben, nicht wenigstens im Saal gekämpft zu haben. Dann kommt der Boss und alle schweigen andächtig, es wird ruhig, kaum noch Gespräche untereinander und man tut das, weswegen man gekommen ist: an den richtigen Stellen applaudieren. Die Redner... man fragt sich: glauben die das wirklich, was die da erzählen? Gut, ein Wahlparteitag ist nicht der Ort, an dem man sich inhaltlich auseinandersetzt. Dass man also einen Betriebsratsvorsitzenden der erfolgreichen Porsche AG eher dort sprechen lässt, als einen Kollegen aus dem Bergbau, ist bei der Inszenierungstaktik der Parteitage nicht weiter verwunderlich. Aber auch vielsagend, weil es die Verdrängungsmomente von Partei, Vorstand und Verantwortlichen aufzeigt. Das Abwenden von der Realität, das Zusammenkratzen von positiven Meldungen und das Zusammenrücken stehen im Vordergrund. Eine Parallelrealität, in der es nur darum geht, „die anderen“ zu schlagen. Am Ende hat man eine Halle voller scheinbar motivierter Menschen, deren Motivation am nächsten Bierstand genauso schnell verschwunden ist, wie das Lächeln in ihren Gesichtern.

„Wir müssen“, „Wir haben“, „Wir werden“. Das sind die Schlagworte, hinter die man die beliebigen politischen Worthülsen klemmen darf. Das gilt aber nicht nur für die SPD, sondern für alle. Die SPD scheint mir nur gerade am schlimmsten an einer Art Persönlichkeitsspaltung zu leiden, denn nach dem ganzen Murks der letzten Jahre, fragt man sich selbst als neutraler, dem sozialen und linken Gedankengut durchaus zugewandter Mensch, ob die wirklich genau die Dinge weiter machen wollen, die ihnen noch vor wenigen Wochen zu Halse raus hingen, oder ob die meisten nicht einfach Angst um ihr Mandat haben.

Man sollte nicht vergessen: nach der verlorenen Wahl in NRW war die SPD kurz davor, Schröder ab zu schießen und die Politik der Regierung im 180° Grad zu drehen. Jetzt stehen sie alle auf, klatschen elf Minuten lang Beifall, und das, obwohl der Mann nichts anderes sagt oder macht, als noch vor einem Jahr. Da könnte man schon den Eindruck bekommen, dass dieses Verhalten ein wenig schizophren und unehrlich ist. Wäre ich Gerhardt Schröder, würde ich den Leuten den Vogel zeigen und sagen „Hömma, erst macht ihr mir das regieren unmöglich, un jetzt macht hier den Kasper und hebt mich aufs Schild. Ihr könnt mich mal.“ Aber so was wird man wohl nie hören.

P.S. Fotos kommen später. Flickr zickt gerade rum Fotos sind online. Da ich gerade in Stimmung bin, gehe ich gleich dann noch zur Supatopcheckerbunny Lesung im NBI (Kulturfabrik, am Biergarten), wo Herr Ix dann auch noch später hinkommen will.

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Jetzt wird es leer hier. Das lang wohl weder an Münte, noch an Kurt Beck, sondern vielleicht daran, dass jetzt gleich alle aufstehen und das "Abschlußlied" singen sollen. Zeit nach Hause zu gehen.

Moment - ER spricht nochmal. Er macht Münte gerade eine Liebeserklärung, in der er "dem großartigen" Menschen Franz Müntefeing dankt, der Solidarität lebt, Trotzdem müder Applaus.

Jetzt ist aber Schluss. Bevor die "Fischer Chöre" die SPD Mitglieder singen, geh ich lieber. Danke für die Aufmerksamkeit. Bilder (Promi-Content!) folgen gegen späten Nachmittag.

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