Vielleicht wäre es ja sinnvoller, wenn man statt "Boot Camps" und härter Strafen mal wieder dazu übergehen würde, mehr Geld in die Ausbildung von Jugendlichen zu stecken. Ich habe keine Ahnung, wie der Bildungshintergrund der Straftäter der letzten Wochen ist, aber wenn man sich die Vorkommnisse aus Hauptschulen anschaut, scheint es zumindest einen gewissen Zusammenhang zu geben.

Es ist typisch für die deutsche Politik der letzten Jahre und auch für die deutschen Politiker, dass man erst an manchen Ecken das Sozial- und Bildungsnetz zusammenstreicht, um dann nach einer gewissen Zeit hilflos vor den Ergebnissen zu stehen. Und um sie dann zu dämonisieren und zur Schuld derjenigen zu erklären, die durch die Streichungen durchs Netz gefallen sind. Hartz IV Bezieher werden ein Lied davon singen können.

Keine Frage - wer auch noch in einer Gruppe einen andern Menschen angreift und ihn zusammenschlägt hat sie nicht mehr alle. Wer seinen Anstand und seinen Respekt vor der Menschlichkeit verliert, der hat eine möglichst harte Strafe verdient. Und jeder, egal wie übel ihm das Leben mitgespielt hat, jeder hat die Chance, seine Entscheidung vor einer solchen Tat zu treffen. Das ändert aber nichts daran, dass Teile der Probleme in den Schulen und auf der Strasse auch zum Teil Schuld einer Politik sind, die sich nicht mehr um Zukunft, sondern nur noch um den nächsten Wahlterimin im Auge hat.

Ich weiß nicht, ob ein besserer Zugang zu Bildung die Vorkommnisse der letzten Wochen verhindert hätte. In meiner, kleinen, gutbürgerlichen Welt glaube ich daran, dass mehr Bildung, mehr Hinwendung zur Kultur auch Menschen dazu bewegen kann, die Finger von Gewalt zu lassen. Und wer Menschen Chancen und Perpektiven gibt, der hat hat dann auch weniger Probleme mit einer Gesellschaft, die aus Angst und Frust durchdrehen. Doch dummerweise werden wir von Menschen regiert, die demonstrierende Menschen für ein Sicherheitsrisiko halten und in den eigenen Versäumnissen der Vergangenheit nun einen weiteren Grund dafür sehen, die Vorratsdatenspeicherung zu befürworten.

Noch mehr zum Thema hat Heribert Prantl geschrieben

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Es ist eigentlich ganz einfach. 366 Abgeordnete (pdf), die man nicht mehr wählen muss.

Dummerweise ist es nicht ganz so einfach, denn die Parteien haben sich ein hübsches System einfallen lassen, um die demokratischen Wahlen zu unterlaufen. Das nennt sich "Parteiliste". Dort wird die Liste der Kandidaten festgelegt, die auch dann in den Bundestag einziehen, wenn sie nicht direkt gewählt werden, weil sie ihren Wahlkreis verlieren. Passt jemand nicht ins Kalkül der Partei, zum Beispiel weil ein Abgeordneter mal keine Lust auf den Fraktionszwang gehabt hat, steht es der Partei bei der Festlegung der Liste für die nächste Wahl frei, den Kollegen etwas weiter nach unten zu setzen. Das machen alle Parteien gerne, auch die "Grünen". Die Berliner Abteilung der Partei wollte mal Hans-Christian Ströbele nicht so richtig auf der Liste haben (weiter unten im Text) und wählte stattdessen einen anderen Kandidaten.

Allerdings gewann Ströbele das Direktmandat in seinem Wahlkreis und konnte die Landes/Parteiliste so umgehen. Doch das Glück und die Fähigkeiten hat halt nicht jeder Abgeordneter, was offenbar in manchen Parteien ja durchaus gewünscht ist. Selbst wenn also ein Kandidat in einem Wahlkreis nicht gewählt wurde, zum Beispiel weil die Bevölkerung des Wahlkreises festgestellt hat, dass er ein speichelleckender Opportunist ist, bedeutet das noch lange nicht, dass der Kandidat nicht in den Bundestag kommt. Er muss halt nur weit genug oben auf der Landes/Parteiliste stehen. Das ist ein hübsches Belohnungssystem, das noch weiter aufgefächert wird, in dem man festlegt, wie man wichtige Positionen in Ausschüssen etc. festlegt. Man muss entweder sehr begabt und Fraktionstreu oder eben einfach nur brav bei jeder Wahl mitstimmen, und schon steigen die Chancen, dass man auch beim nächsten Mal wieder einen schönen Listenplatz bekommt.

Natürlich kann man einen Abgeordneten nicht zwingen für oder gegen etwas zu stimmen. Fraktionszwang hin oder her, die Abgeordneten werden ja keiner Gehirnwäsche unterzogen. Damit aber keiner aus der Reihe tanzt gibt es die namentliche Abstimmung. Wie im heutigen Fall. Denn so können die Fraktionen sehen, wer denn sein Gewissen vor den Franktionszwang gestellt hat, was für die Erstellung einer Landes/Parteiliste sehr hilfreich sein kann. Solche namentlichen Abstimmungen gibt es gerne, wenn strittige Themen zur Wahl stehen, weil man auf die Weise hofft, die Menge der "Abweichler" reduzieren zu können. Offene Revolten gegen Fraktions- oder Vorstandbeschlüsse sind dementsprechend selten in der Geschichte des Parlaments. Was auch daran liegt, dass die Abgeordneten meist "Berufspolitiker" sind. Fallen sie bei einer Wahl durch und haben keinen sicheren Platz auf einer der Listen, haben sie meist auch keinen Beruf mehr. Die finanzielle Komponente sollte man also nicht unterschätzen.

Der Wähler kann das System der nur dann aushebeln, wenn er einer Partei bzw. bestimmten Kandidaten entsprechend viele Direktmandate erteilt. Was theoretisch und auch praktisch funktioniert. 2002 saßen drei zwei PDS Abgeordnete im Parlament, die nur auf Grund ihrer Direktmandate reingekommen waren. Das ginge also in jedem Wahlkreis, in dem ein Kandidat von einer zur Wahl zugelassenen Partei die bisher nicht im Bundestag sitzt für einen Abgeordnetenplatz kandidiert.

Doch das ist mehr als unwahrscheinlich. Man kann sich aber die Frage stellen, wie man das Fraktionssystem aushebeln könnte. Dazu müsste man die Abhängigkeiten der einzelnen Abgeordneten von der Partei lösen. Und wie man das machen soll, weiß keiner.

Bedauerlich ist, dass der "Souverän", wie der Bürger ja gerne genannt wird, nach einer parlamentarischen Abstimmung keine Chance mehr hat, ein Gesetz zu verändern oder abzuschaffen. Dazu muss er den Weg über das Verfassungsgericht gehen, was eine ellenlange Prozedur ist. Und nicht jede Klage, die vor dem Verfassunsgericht landet, wird auch von diesem angenommen. Ist das Gesetz also durch, hat man als Bürger nur die Chance bei der nächsten Wahl explizit die Partei zu wählen, die verspricht (darauf muss man sich auch noch verlassen) das in Frage kommende Gesetz zu verändern. Da wir aber praktisch (noch) ein Zwei-Parteien-System haben, und diese sich programmatisch nur noch minimal unterscheiden, sind die Chancen, dass ein einmal beschlossenes Gesetz wieder rückgänig gemacht wird, äußerst gering. Beispiele hierfür gibt viele, und sie reichen zurück bis zur "Wiederbewaffnungsfrage" 1955.

Eine Variante, dass Parteiensystem auszuhebeln und eine "Volksmeinung" rechtlich bindend zu machen, wäre die Einführung eines Plebiszit, das aber nicht unumstritten ist, weil es auch dazu führen kann, dass nur der eine Volksbefragung gewinnt, der am meisten Geld in die Werbung für seine Argumente steckt, bzw. die meisten Medien auf seiner Seite hat. Und wer will schon eine Demokratie made by "Bild", "Express" oder "tz".

Nachtrag 09.11.07: Aus den Kommentaren gefischt. Ein Bericht aus dem SZ Magazin eines Abgeordneten, der das was ich da oben beschrieben habe, von seiner Seite aus schildert. Danke Chris.

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"Wir hatten den 'größten Feldherrn aller Zeiten', den GröFaZ, und jetzt kommt die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten"

Sagte Wolfgang Schäuble laut "taz" am Mittwoch in Karlsruhe. So sieht der Innenminister also die Leute und Organisationen, die sich gegen die grundlose Speicherung ihrer Daten mit rechtlichen Mitteln zu Wehr setzen wollen. In seinen Augen scheinen das durchgeknallte Idioten zu sein, die jeden Zusammenhang mit der Realität verloren haben. Was ein Beispiel dafür ist, wie sich der Innenminister mittlerweile wohl selber sieht. Als "Fels in der Brandung" als Ruhepol in einer hysterischen Gesellschaft, die wegen ein paar gespeicherten Daten plötzlich durchdreht und nicht begreifen will, dass es doch um etwas ganz anderes geht, nämlich die Terroristen, die uns tagtäglich bedrohen und in die Luft sprengen wollen. Einer muss ja Ruhe bewahren, also macht Herr Schäuble das. Denkt er sich.

Keine Ahnung, was er wirklich denkt, aber ich vermute, nicht zuletzt auf Grund des obigen Zitats, dass nicht Schäuble, sondern große Teile seines Ministeriums völlig paranoid geworden sind. Es ist schon auffällig, dass man mit Schily und Schäuble gleich zwei Innenminister in der Verantwortung waren, bzw. sind, die offenbar völlig von der Rolle sind.

Naja, mittlerweile merken zumindest auch die Journalisten so langsam etwas, die in den letzten zwei Jahren lieber geschwiegen oder die Überwachungswut der Bundesregierung verteidigt haben. Selbst bei konservativen Boulevardblättern macht sich offenbar Unmut breit. Einerseits gegen den Paragrafen 129a, mit dem man offenbar jeden Brief abfangen kann, "...deren äußeres Erscheinungsbild darauf schließen ließ, dass es sich um Selbstbezichtigungsschreiben handelt" (Sprecher des Generalbundesanwaltes), andererseits gegen die Vorratsdatenspeicherung, die so eben im Bundestag beschlossen wurde (366 "Ja" Stimmen, 156 "Nein" Stimmen, zwei Enthaltungen). Denn diese Vorratsdatenspeicherung betrifft alle Journalisten und sonstigen Geheimnisträger. Jetzt kann man schön sehen, welcher Journalist mit welchen Nummern so spricht. Und da man seine Briefe wie erwähnt auch schnell lesen kann, wird die Kontaktaufnahme mit Informanten und Whistleblowern unendlich schwierig. Immerhin haben das nun schon ein paar Kollegen begriffen. So erschien der "Donaukurier" vor einigen Tagen mit einer komplett schwarzen Titelseite und im Editorial fand man auch die richtigen Worte in Sachen Überwachung.

Man kann jetzt nur noch hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht die Sache mal wieder richtet und, wie so viele Vorhaben der Bundesregierung, auch die Vorratsdatenspeicherung kassiert. Aber ein Urteil wird es wohl erst in einigen Jahren geben.

Als ehemaliger Bürger der DDR käme ich mir an diesem so besonderen Tag der deutschen Geschichte ganz besonders verarscht vor.

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Ich frage mich schon länger, seit wann die Stimmung unter den Politikern so gekippt ist. Seit wann man das Bedürfnis hat, die Bürger besser kontrollieren zu wollen. Seit der Debatte über den großen Lauschangriff, als man in den 90er Jahren den Eindruck erwecken wollte, die russische Mafia sei kurz davor, diesen Staat zu übernehmen? Wo ist die überhaupt? Wahrscheinlich hat sie zu viel damit zu tun, neue Mädchen nach Berlin zu importieren, wo es offenbar, wie man seit der Affäre um Michel Friedmann weiß, einen hohen Bedarf zu geben scheint.

Aber polemisieren hilft vermutlich auch nicht, obwohl ich zu Zeit viele Stimmen vermisse, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Wo ist denn eigentlich das Kabarett? Na gut, es ist eh tot, wie haben ja jetzt Oliver Pocher, das haben wir uns offensichtlich verdient. Und wo sind die Schriftsteller? Hat irgendein in der kulturellen Hackordnung weit oben stehender Autor, Schauspieler, Musiker oder Künstler irgendwas zum Thema Bürgerrechte in den letzten Jahren gesagt? Hab ich da vielleicht irgendwas verpaßt?

Der einzige Protest gegen das momentane, unerklärliche Vorgehen des Staates gegen seine Bürger, scheint aus dem Netz zu kommen. Ich vermisse eine große Stimme.Von Günter Grass zum Beispiel, der selber noch mit erlebt hat, was es bedeutet, wenn ein Staat plötzlich die Gesinnung wechselt. Stattdessen kann man dabei zu sehen wie Gesetze, die ja mal dazu gedacht waren eine Bedrohung von radikalen Islamisten zu entschärfen, auf die eigenen Bürger angewendet werden.

Immerhin - in den Medien kommt so langsam an, was da abgeht. Die SZ, allen voran Heribert Prantl, schreibt schon lange gegen den Überwachungsstaat und auch beim "Stern" tut sich was. Sätze wie sie Hans-Ulrich Jörges hier beim Stern Audio Kommentar spricht, müssten viel öfter und noch viel lauter ausgesprochen werden.

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Das ist so schön, das muss man gar nicht kommentieren.

Merkel kritisierte, dass Oppositionsführer gehindert worden seien, zu einer Demonstration in die Wolgastadt Samara zu kommen.

Damit spielte sie auf den Fall des ehemaligen Schachweltmeisters Garri Kasparow an, dessen Namen sie aber nicht nannte. Sie habe "jedes Verständnis", dass man Demonstranten festnehmen müsse, wenn sie Gewalt anwendeten. "Wenn jemand nichts gemacht hat und nur auf dem Weg zu einer Demonstration ist, ist das aus meiner Sicht eine andere Sache", sagte Merkel.

Putin entgegnete, solche Maßnahmen würden auch in Deutschland angewandt. Er nannte konkret die Razzien gegen G-8-Gegner in Hamburg im Vorfeld des Gipfels in Heiligendamm

Via SZ

Gut, man muss die Kirche auch im Dorf lassen. Hier werden keine kritischen Journalisten ermordet. Hier werden bislang nur Redaktionen durchsucht.

Aber wo genau der Unterschied zwischen den Aktionen der russischen und der deutschen Polizei liegen, würde ich auch mal gerne wissen. Achja, in Deutschland lässt man Demos einfach nicht zu, in dem man ein Verbot verhängt.

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