BKA-Gesetz
Heute in der "Zeit Online"
Wer entsetzt ist, wie leicht es war, so viele Überwachungsinstrumente und Eingriffe in die Grundrechte per Gesetz zu verordnen, der muss sich fragen lassen, was er getan hat, um es zu verhindern. Wir sind selbst verantwortlich. Wir alle, die es sehenden Auges haben geschehen lassen. Wir alle, die wir politisch interessiert sind, Nachrichten verfolgen, auf allen möglichen Wegen kommunizieren und diese doch nur nutzen, um zu meckern. Statt etwas zu tun.
Danach führt Autor Kai Biermann dann noch viele Links auf, mit denen er zeigen möchte, wie leicht es doch eigentlich sei, seiner Stimme etwas Gewicht zu verleihen.
Da hat er Recht - jedenfalls teilweise. Mittlerweile gab es zwei Demonstrationen gegen die fortschreitende Überwachung, die zu einem Teil durch die Blogszene bekannt gemacht wurden. Schäuble 2.0 und andere Schlagwörter kommen ebenfalls als der Netzszene. Heise hat das Thema permanent auf dem Bildschirm.
Aber wo waren da die Zeitungen? Warum erscheint so ein Artikel nicht auf der Titelseite der "Zeit"? Warum hat keine Zeitung in den letzten Wochen und Monaten nicht mal eine Titelseite frei geräumt, auf der sämtliche Chefredakteure und Verleger die gegen die schärfer werdenden Überwachungsgesetze sind, unterschreiben, und ihre Meinung klar äußern? Das Netz hat schon viel getan. Es hat aufgeklärt, es hat sich bemüht, die Fakten darzustellen, es hat zu friedlichen Protest aufgerufen. Aber wo waren die Zeitungen und Magazine? Wo war der Titel in Spiegel, Stern, Fokus, FAZ oder Zeit?
Nachtrag 12.11.08, 20:58 Uhr: Mittlerweile haben die im nächsten Abschnitt erwähnten Publikationen alle mit Artikeln nachgezogen. Das geschah nach der offiziellen Abstimmung im Bundestag. Warum sie nicht vorher über die Abstimmung berichtet haben, so dass Wähler sich vielleicht noch informieren und sich an ihre Abgeordnete wenden können, ist mir allerdings immer noch nicht klar.
Und heute bis zum Zeitpunkt, als dieses Posting online ging? Spiegel.de? Nichts. Stern.de? Ein versteckter Hinweis auf einen mutlosen Artikel, wenn man lange und weit genug runterscrollt. Auf focus.de findet sich ein aus Agenturmaterial zusammengestückeltes Dings, dass den Namen "Artikel" nicht verdient, bei der Süddeutschen, ebenfalls sehr gut versteckt, hat man sein liberales Aushhängeschild namens Heribert Prantl was schreiben lassen, die FAZ hat gar nichts, die FR ebenfalls und bei der Zeit findet oben verlinkter Artikel, wenn man runterscrollt.
Das ist ein Armutszeugnis. Und eine komplette Bankrotterklärung des deutschen Journalismus. Der Artikel stellt fest, dass Zeitungen nichts mehr kritisieren oder gar verändern können. Und sie verbreiten keine Meinung mehr und oft genug verbreiten sie nicht mal mehr die Meldung. Vielleicht, weil sie es nicht wollen, vielleicht, weil sie es nicht mehr können. Stattdessen soll der Bürger sich gefälligst selbst informieren und seinen Protest formulieren. Die Zeitung und ihre Online-Ableger haben sich offenbar endgültig vom "Wachhund der Demokratie" zum hysterisch kläffenden Chuhuahua entwickelt, der am liebsten bei Paris Hilton auf den Schoss sitzt.