Löschen macht es nicht besser
Manchmal wird man ja schon überrascht. Das "Handelsblatt" hat einen Eintrag im Blog des Wirtschaftsexperten Harald Uhlig gelöscht. So weit ich weiß, ohne Rücksprache mit dem Autor. Der Grund ist einfach - Uhilg hatte (unter anderem) geschrieben:
Wenn Sie ein grösseres Konto bei der Commerzbank oder der von ihr geschluckten Dresdner Bank oder UBS oder Fortis haben, so sollten Sie froh sein. Denn noch können sie dort ihr Geld abheben: in aller Ruhe und ohne Schlange zu stehen. Die Einleger scheinen nämlich Nerven aus Stahl zu haben, und das ist gut so. Bisher ist ein bank run auf diese Institutionen ausgeblieben, und dabei könnte es auch bleiben. Dabei stehen die Zeichen schon lange an der Wand. Die Dresdner Bank hat sich mit ihrem K2 Fond verspekuliert, und war schon lange das Sorgenkind der Allianz. Die Chinesen wollten die Dresdner nicht: nun hat die Commerzbank sie geschluckt. Mittelfristig sicher eine gute Idee – man kann im gemeinsamen Filialgeschäft viel sparen – aber kurzfristig ist das ein schwer verdaulicher Brocken, und die Risiken sind da. Die Aktie der Commerzbank hat seit Juli 2007 fast 60 Prozent verloren – so berichtete die FAZ am Samstag. Ich denke, der Aktienmarkt weiss schon warum. Und sollte es einen run auf die Commerzbank geben, dann ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Die Einlagensicherung des Bankenverbandes der Privatbanken ist nach dem Lehmann-Untergang so gut wie pleite.
So etwas dieser Tage in einer Wirtschaftszeitung zu lesen wundert eigentlich nicht. Der Spiegel schrieb heute, dass im Falle der endgültigen Pleite der "Hypo Real Estate" der gesamte Pfandbriefmarkt und damit der Kreditmarkt komplett zusammenbrechen könnte. Uhlig hat auch nicht geschrieben, dass dies unbedingt geschehen muss, aber dass es eine Möglichkeit darstellt, dass eine der genannten Banken in Probleme kommt. Tortzdem hat man den Beitrag gelöscht, was für einigen Aufruhr gesorgt, wie man bei Rivva sehen kann. Mittlerweile hat die Chefredaktion des Handelsblatt in den Kommentaren des gelöschten Eintrags reagiert (kann man nicht verlinken, blog.de) und u.a. folgendes geschrieben:
Grund für unsere Entscheidung war die Befürchtung, dass der Blog-Beitrag von Herrn Uhlig in der Öffentlichkeit irrtümlich nicht als die persönliche Meinung eines Wissenschaftlers, sondern als redaktioneller Beitrag des Handelsblatt wahrgenommen werden könnte und der Eindruck entsteht, das Handelsblatt rufe zu einem „Run“ auf die Commerzbank und andere Finanzhäuser auf. In einer Situation, die ohnehin sehr fragil ist, wollten wir jedes Risiko ausschließen, durch missverständliche Äußerungen eine Panik in der deutschen Finanzindustrie zu verursachen. Dies haben wir höher bewertet als die Meinungsfreiheit unseres Bloggers.
Die Löschung war eine ziemliche Dummheit. Es hätte vermutlich gereicht, wenn man über den Text einfach geschrieben hätte, dass Herr Uhlig eine Privatmeinung äußert, die nicht vom Handelsblatt vertreten wird. Die Argumentation der Chefredaktion ist mehr als dünn.
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Die Situation auf den Finanzmärkten mag schlimm sein, aber dass ein, ich vermute mal bis Freitag eher kaum wahrgenommenes, Blog den eurpäischen Wirtschaftsmarkt zusammenbrechen lassen könnte, weil die Leser ihr Geld vom Konto räumen, ist doch etwas weit hergeholt. Wäre ja nett, wenn Blogs das könnten, aber so weit ist es noch lange nicht.
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Der Eintrag mag rechtlich schwierig sein. Wenn die angesprochen Banken zusammenbrechen würden, weil die Kunden ihr Geld holen, ist das sicher nicht isoliert von der gesamten Situation in den letzten Wochen zu betrachten und es passiert schon gar nicht, weil versteckt im Handelsblatt in einem schwach gelesenen Blog ein Autor schreibt, dass es möglich sein könnte, dass die genannten Banken Probleme bekommen könnten.
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Die Löschung unterstützt die Argumente von Uhlig nur. Wer sich vorher keine Gedanken gemacht, der wird das jetzt erst recht machen. Wie beschissen muss die Situation sein, wenn eine angesehene Wirtschaftszeitung wie das Handelsblatt einen solchen Eintrag löscht, weil sie Angst hat, dieser Eintrag könnte der Tropfen sein, der das Fass zum überlaufen bringt?
Das Handelsblatt hat sich mit der Löschung einen Bärendienst erwiesen. Zum einen hat ihre Glaubwürdigkeit zumindest in Blogger-Kreisen eine kräftige Delle bekommen. Zum anderen hat sie das Thema erst recht bei Google hoch geschoben. Ich hätte da eigentlich eine klügere Reaktion erwartet, zu mal einer der anderen Blogger vom Handelblatt, Thomas Knüwer in seinem Blog schon mehrfach gezeigt habt, dass man mit den neuen Medien vorsichtig umgehen sollte.
Früher konnten Chefredakteure Artikel, die sie nicht sehen wollten etc. einfach noch in letzter Sekunden aus dem Blatt kicken. Jetzt müssen sie nachträglich löschen und stellen fest, dass sie damit mehr Ärger verursachen, als sie jemals dachten. Man kann jetzt hingehen und eine Vorab-Kontrolle einführen, was aber dem Geist eines Blogs komplett widerspricht, weil sie dann nur noch eine Abteilung der Redaktion wären.
Dass sich durch das Internet und dem faktischen Wegfall etlicher Gatekeeping-Funktionen in den letzten Jahren der Umgang mit den Medien für viele Menschen komplett verändert hat, ist offenbar nicht jedem klar. Die Dummheit mancher Journalisten geht ja immer noch so weit, dass sie Google News nicht verstehen. Sie halten die Linkschleuder von Google für Content-Diebstahl. Die Mechanismen des Netzes sind offenbar immer noch nicht überall angekommen.
Man sollte in diesen Tagen sicher keine zusätzlichen Sorgen schüren, aber auf der anderen Seite sollte man auch bei der Wahrheit bleiben, auch wenn sie nicht eben freundlich klingt und dazu führt, dass sich Menschen Sorgen machen könnten. Wenn ich das Recht im Kopf habe, war es mal die Aufgabe der Presse auch dann die Wahrheit zu schreiben, wenn es eben mal weh tut. Dass dies seit einiger Zeit auch durch Autoren im Netz geschieht ist schon merkwürdig genug, dass es immer noch nicht in den Chefredaktionen angekommen ist, erschreckend.