Eben diese Rentendiskussion da in der ARD gesehen, aber auch nur, weil alle vorher darauf hingewiesen haben, dass Sascha Lobo da sitzen würde. Hat der Diskussion leider auch nicht auch nicht geholfen, das war aber vorher klar und sicher nicht natürlich die Schuld von Sascha.
Rente, Rente, Rente. Ich hab keine. Ich hab gut die Hälfte meines Lebens hinter mir, und die Rente interessiert mich überhaupt nicht. Meine Rente beträgt im Moment 148 Euro und wenn ich weiter so schlapp in die KSK einzahle, dann werden es irgendwann mal 380 Euro sein. Ich mache mir da keine Gedanken drum. Was vielleicht daran liegt, dass ich aus einer Familie komme, in der schon immer alle Selbstständig waren. Jedenfalls auf der väterlichen Seite. Mein Vater ist auch Alleinunterhalter in Sachen Verdienst. Er wird dieses Jahr 66 und er arbeitet jeden Tag und oft auch am Wochenende. Er arbeitet weniger als noch vor zehn oder zwanzig Jahren, er schläft morgens etwas länger, geht erst mit Hund raus, und kümmert sich dann um die Arbeit. Manchmal sitzt er auch zu mal zu Hause, aber wenn man ihm die Arbeit wegnehmen würde, er wäre unglücklich. Warum soll man auch als Selbstständiger, als einer, der Spaß an seiner Arbeit hat, plötzlich aufhören. Ich vermute, das mein Vater seine Arbeit in den nächsten Jahren vielleicht reduzieren wird, aber aufhören?
Nun gibt es Arbeit und Arbeit. Wer selbstständig ist, der hat sich seinen Beruf selbst ausgesucht und das gemacht, weil er damit glücklich ist. Mein Großvater war Arzt und er war es bis zu seinem Tod. Mein Vater verkauft Häuser und das wird er so lange machen wie kann. Ich schreibe und auch das werde ich wohl so lange tun, bis ich umfalle. Aber wer bei Lidl an der überwachten Kasse sitzt, wer in einer Fabrik im Akkord irgendwas sortiert, der will das sicher nicht machen bis er tot umfällt. Was verständlich ist. Weil der Job beschissen bezahlt ist, weil er kaum Perspektiven hat, weil er weiß, dass sein Arbeitsplatz von einer für ihn undurchsichtigen Entscheidung eines Fondsmanager in London, New York oder Peking abhängt. Das ist frustrierend, weil man sich dagegen wehren kann und am Ende auf jeden Fall der Verlierer ist. Weil man sich entweder tot gearbeitet hat, oder arbeitslos ist. Oder beides. Und ich wundere mich jeden Tag ein wenig mehr, das die Menschen nicht einfach aufhören, auf die Strasse gehen und/oder sagen: "Ohne mich - keine Dividende."
Es wird in Deutschland immer soviel davon geredet, dass man schneller in den Beruf kommen müsse. Zu lange Schulzeiten, zu langes Studium oder Ausbildung. Ich halte das für Quatsch. Ich hab nach meinem Abi zehn Jahre gebraucht um festzustellen, was ich eigentlich will. Ich kenne viele, die mit Anfang 30 plötzlich die "Quarterlife Crisis" bekommen haben und danach endlich das gemacht haben, was sie immer machen wollten. Woher will man auch mit 20 wissen, was einen mit 40 noch interessiert? Ich weiß nicht mal heute, was ich in zwei Jahren machen werde. Ich weiß nicht mal, wo ich dann wohnen werde und ich finde das sehr beruhigend, denn nichts erschreckt mich mehr, als eine klare, gerade Zukunft ohne Überraschungen.
Das Buch von Lobo/Friebe über die "Digital Bohème" verkündet nicht wirklich was revolutionäres, sondern nur dass, was in den 70er Jahren in anti-autoritären Kindertagesstätten gepredigt wurde: "Mach halt das was DU willst." Das mag man mit fünf Jahren nicht entscheiden können, aber mit 25 schon. Was man eigentlich ab der fünften Klasse jedem Schüler eintrichtern müsste ist: "Schau dich um. Probier was aus. Scheiß auf den geraden Lebenslauf ohne Lücken. Wenn Du willst sei Müllmann, Wal-Schubser, Hacker, Banker, Lyriker, Chauffeur, Lingiust und Kellner. Du findest Deinen Weg, so oder so. Du findest ihn, wenn Du Dich loskoppelst von dem Gedanken, dass man mit 20 schon an die Rente denken muss. Du findest ihn, wenn Dir klar wird, dass viele Firmen Dich sowieso nur als ersetzbare "Human Ressource" sehen, Du findest Ihn, wenn Dir klar wird, dass, egal was Du machst, Du am Ende eh für Dich und Dein Leben selber gerade stehen musst, und all die Versprechungen der Politik nach einem besseren Leben ab 67 sowieso nur Blödsinn sind, weil die Chance, dass Du in Deinem erlernten Beruf mit 50 auf der Strasse stehst, größer sind, als ein Autounfall. Aber wenn Du vorher gelernt hast, dass nichts sicher ist, dass Du selber klar kommen musst, und Du dafür frei entscheiden kannst, was Du mit Deinem Leben anstellen willst, wie Du Deine Gesundheit und Dein Leben einsetzen möchtest um das verdammte Geld zu verdienen, dann bist Du wenigstens ein Stückchen frei. Und dann interessiert Dich die Rente auch nicht mehr, die eh nur eine Chimäre und die letztlich nur eine virtuelle Abhängigkeit ist."
Rente, Rente, Rente. Ist eine Erfindung des Turbo-Kapitalismus des späten 19. Jahrhunderts, die in der durch Ludwig Erhardt angepassten Weise gerade mal 30 Jahre gut funktioniert hat. Und vielleicht auch noch funktionieren würde, wenn wir alle noch in dem ehrenhaften kaufmänischen Geist früherer Jahre leben würden. Aber wir leben heute, wo Spekulanten die Pensionsfonds darauf verwetten, dass die Getreidepreise steigen, und diejenigen, die da ihre schmale Rente in den Fonds reingeben, das Brot kaum noch zahlen können. Wer glaubt in Mitten dieses Irrsins noch daran, dass man als ehrlicher Angestellter, nicht irgendwann wegrationalisiert wird, weil die kleine Firma auch Teil der Globalisierung geworden ist? Da sollte man den Schülern von heute doch lieber sagen, dass sie einfach dass machen sollen, worauf sie Spaß haben anstatt ihnen vorzulügen, dass sie mit ihrer Berufsentscheidung als Zwanzigjährige sicher bis in die Rente durchkommen. Vor 20 Jahren war die Welt noch in Ost/West geteilt, es gab kein Internet, da war die "Rende sischer". Wer weiß schon, was in weiteren 20 Jahren sein wird. Vielleicht ist die Welt untergegangen, vielleicht stehen wir dann kurz vor einer Revolution, weil 90% der Bevölkerung 10% einer Oberschicht ernähren, vielleicht ist das Geld abgeschafft worden, weil eh alle auf Pump leben. Rente gibt es aber sicher keine und Ruhestand ist etwas für die, die ihr Leben lang Jobs machen mussten, die sie im Grunde gehasst haben.