Was mich ja auch immer wundert: Warum haben manchen Menschen so viel Angst vor dem Internet? Heute im Radio gehört, dass die Bundesstaatsanwältin darauf hinweist, dass das Netz von Terroristen genutzt wird, die dort Bombenanleitungen ausdrucken. Sicher, das kann man machen. Dafür braucht man aber nicht unbedingt das Netz. In fast jedem besseren Thriller gibt es eine Anleitung für irgendwas, in Kinofilmen wird manchmal minutiös gezeigt, wie man eine Bank überfallen kann und im Fernsehen plaudern Pathologen darüber, wie sie Verbrechen aufklären. Heute mag man Bombenbauanleitungen blitzschnell per Mail versenden. Früher musste man das mit der Post machen. Aber hat man deswegen die Leser von Büchern, die Besucher eines Kinos, die Zuschauer des Fernsehens oder die Post kontrolliert, nur weil es auch Verbrecher gab, die diesen Service genutzt haben?
Immer wieder hört man: Das Internet! Da wird man betrogen! Phishing! Viren! Trojaner! Terroristen! Nur ist es so, dass man halt nur das sieht, was man sehen will. Genausogut könnte ich sagen: Die Post! Werbung! Betrüger, die gefälschte Rechnungen schicken! Milzbrandpulver! Terroristen, die sich Bombenpläne zuschicken. Am besten wird die ganze Post geöffnet und kopiert bevor sie beim Empfänger an kommt.
Ich bin seit über zehn Jahren im Netz. Ich habe eine Menge Arschlöcher, Schweine, Drecksäcke, Idioten, Trolle und Schwachmaten gesehen und ich bin hier und da persönlich enttäuscht worden. Vermutlich gibt es auch ein paar Menschen, die mich für all das oben genannte halten und von mir enttäuscht sind. Aber das ist mir bisher in jedem soziale Gefüge widerfahren.
Heute war ich auf der Trauerfeier für einen Menschen, den ich nur durch das Forum der Höflichen Paparrazi kennen gelernt habe. Und das, wie die viele der anwesenden Pappen, noch nicht mal gut. Aber es reichte dafür, dass die anwesenden Forumsmitglieder allesamt Tränen verdrücken mussten und seit dem der Tod des Forumsmitgliedes bekannt ist, haben die Mitglieder Geld gesammelt, damit ein ordentlicher Kranz da war und morgen in der taz Berlin eine große Todesanzeige erscheint. Die Familie des Verstorbenen war gerührt, dass die "Internet-Freunde" zur Trauerfeier da waren. Wie gesagt, dass war kein Mensch, mit dem ich dauernd zusammenhing, dass war einer, dessen Geschichten ich gemocht und den ich auf etlichen Partys usw. getroffen habe. Mit dem ich mich über das, was ich von ihm gelesen habe, was ich mit ihm in den wenigen gemeinsamen Momenten erlebt habe, verbunden gefühlt habe. Ein solches Band kann man fast ausschließlich nur im Netz knüpfen. Und man kann es nur knüpfen, wenn man nicht von Panik um eine eh nicht vorhandene Sicherheit getrieben, jede Interaktion zwischen Menschen im Netz per se unter den Verdacht stellt, dass sie etwas Böses vorhaben. Das geht nicht, wenn man Kommentare und Meinungsaustausch nur noch zulässt, wenn man sie vorher auf rechtliche Unebenheiten geprüft hat.
Man muss keine Angst vor dem Netz haben, wenn man auch an das Gute im Menschen im glaubt. Aber man muss vor jenen Angst haben, die das nicht sehen. Sie stehlen und vernichten mehr, als es Terroristen, Gangster und Betrüger jemals schaffen würden.