Werde ich nie verstehen, diesen Selbstdarstellungs Journalismus. Diese mit roten Wangen gestellten Fragen. Und überhaupt Fragen, auf die man noch keine Antwort bekommen hat. Das ist wirklich eine schlimme Krankheit mancher Journalisten, die aber meist daher rührt, dass sie selten zu einem Interview gehen, sondern vom Vorgesetzten geschickt werden. Natürlich mit der Anweisung, diese oder jene besonders infame/unverschämte Frage zu stellen, damit man einen guten Aufhänger hat. Weil sich die Journalisten das nicht trauen, stellen sie erst so ein paar unverfängliche Fragen, quasi um das Tier vor ihnen ruhig zu stellen, um dann überraschend mit der investigativen Hammerfrage zu kommen. Und wundern sich dann, wenn der Gesprächspartner keine Lust hat zu antworten. Da wird eine Pressekonferenz, wo man nur eine Chance auf eine Frage hat, mit einem Interview verwechselt. Und gleichzeitig kommt so eine eklige von "Unten-nach-oben-fragen" Attitüde, so eine RTL mäßige an die Zielgruppe Anbiederung, es den "Großen" jetzt mal so richtig zu geben. Aber die Entlarvung der "Bösen" oder die Entzauberung der Macht oder des Images gelingt nur, wenn man auf dem gleichen Niveau arbeitet, und nicht wenn man sich in die Rolle der fragenden grauen Haselmaus begibt, der mal zufällig ein Interview gewährt wurde.
Ich hab Interviews immer als Gelegenheit zu einem Gespräch gesehen. Natürlich hätte man gerne die ein oder andere Frage beantwortet. Manchmal kommt man im Verlaufe eines Interviews dazu, manchmal eben nicht. Das ist oft nicht schlimm, denn in einem netten Gespräch bekommt man meist Antworten, mit denen man so auch nicht gerechnet hat und die meist sogar spannender sind, als das, was man eigentlich wissen wollte. Es ist eben ein Gespräch, das etwas intensiver ist, weil man wenig Zeit hat. Nicht alle Interviews, die ich auf diese Art geführt habe, sind gut gelaufen. Manchmal war es nicht druckbar, manchmal war es fabelhaft, aber bis auf wenige Begegnungen hat die Art, meine Art von Interviews, immer sehr schön funktioniert. Manche gingen weit über die verabredete Zeit hinaus, bei manchen habe ich sogar das Band zwischendurch ausgemacht, weil man auch nicht alles schreiben muss, was man in einem Gespräch so erwähnt. Mit diesen rotwangigen Fragen, die eine Antwort schon beinhalten, kann ich nix anfangen. Ist auch nicht unbedingt das, was ich von Blogs erwarte, wo man doch so viel mehr Zeit hätte, sich mit seinem Gesprächspartner zu beschäftigen, anstatt vorgefertigte Fragen zu stellen.