Es gibt ja so einige Dinge, die man mal im Leben werden wollte. Nach einem Intermezzo, mit dem Busfahrer kam eine Periode, in der ich mich ganz groß ins Bankgeschäft einsteigen sah. Wertpapierhandel, natürlich. Wall Street, und so Sachen. Ich verfolgte in diesen Tagen genauestens täglich die Aktien von BASF und den Goldpreis, über welchen ich morgens am Frühstückstisch ellenlange Vorträge hielt. Zum meinen und vermutlich zum Glück meiner Familie tat ich das immer alleine, da ich wegen der Entfernung zu meiner Schule immer als erster aufstehen und frühstücken musste. Nachdem mein Vater mir mal erklärte, dass man zum Aktienhandel nur zugelassen wird, wenn man gute Noten in Mathematik vorweisen könnte, verwarf ich den Gedanken aber schnell wieder. Wenn ich gewusst hätte, das er nicht gewusst hat, wie offensichtlich falsch er lag, wäre ich vielleicht heute auch ein reicher, tablettenzerfressender, trinkender, koksender Irrsinniger, der versucht die Verluste seinen Fonds mit dem Werbespruch "An der Börse geht es mal auf und ab" zu kaschieren. Aber reich!

Nachdem es mir mit 13 dämmerte, dass ich auf legalen Weg niemals die Reichtümer würde anhäufen können, die sich in den Hochglanzmagazinen wöchentlich vor mir ausbreiteten, dachte über eine Parallelstrategie nach. Erst ein nobler Dieb werden, dann reich heiraten. Prinzipiell liegt mir das Kriminelle aber nicht. Das wusste ich schon damals. Meine Diebstähle in Süßwarenläden beschränkten sich auf wenige Pfennige, was mein schlechtes Gewissen allerdings nicht davon abhielt, zu glauben, die illegale Mitnahme einiger "Cola Flaschen" der Marke Haribo, würden den Einzelhändler in den Ruin treiben. Außerdem war mir klar, dass er den Diebstahl der Süßigkeiten natürlich Abends beim abzählen selbiger bemerken würde. Selbstverständlich würde er sich sofort daran erinnern, dass ich mich stundenlang vor der Auslage rumgedrückt habe und bei meinem nächsten Besuch - Polizei, Gefängnis, Drogen, weinende Eltern, die mich verstoßen, Sozialhilfe, Schiffschauckelschubser, Tätowierungen, Mörder. Klar.

Aber auf der anderen Seite erschien mir eine Karriere als Gentleman Dieb doch sehr lohnenswert. Also als jemand, der mit einem perfekten Plan Nachts den Tresor einer Bank ausraubt, sich das Geld in die Taschen stopft und fröhlich pfeifend durch die dunklen Gassen wieder in seine Villa zurückkehrt um einen neuen perfekten Coup zu planen. So eine Art Mischung aus James Bond und Thomas Crown halt. Diese Idee begeisterte mich so sehr, dass ich beschloss, sie sofort in die Tat um zu setzen. Am nächsten Tag zog ich meinen sehr unauffälligen Trenchcoat an und betrat die Sparkassen Filiale Godesberg. Unauffällig wie ein schwitzender dreizehnjähriger in einem zu großen hellblauen Trenchcoat (Mutter beim Kauf: Der hält dann auch ein paar Jahre, Du wächst ja noch) mit einer zu großen Pilotenbrille (Mutter beim Kauf....) sich eben an den Ständen rumdrücken kann, beobachtete ich ca. eine halbe Stunde den Kassierer. Das ich mich dabei nicht hinter einer Yucca Palme versteckt hatte, lag nur daran, dass die Sparkassenfiliale keine Yucca Palme hatte. Meine Aufmerksamkeit galt den Überwachungskameras, von denen es nur eine gab und die demonstrativ über dem Kassenhäuschen hing. Was mich aber natürlich viel mehr interessierte, war der Kassierer selber. Ich wollte sehen, welche Tür er nahm, um zum Tresor zu kommen. Sehr konzentriert beobachtete ich alles bis zu dem Moment, als mir jemand von hinten auf die Schulter tippte und ich tödlich erschrak. Mein Plan war aufgefallen. Gleich würde die Polizei da sein. Der Sparkassenangestellte wollte wissen, ob ich ein Konto eröffnen wollte.

Damit war klar: Dieser Tresor ist verbrannt. Der Angestellte würde, nachdem ich den Tresor ausgeräumt hatte, sich sofort an mich erinnern. Dann Polizei, Gefängnis, Drogen usw. Überhaupt erschien mir das Vorhaben, einen Tresor auszurauben dann doch etwas gewagt. Wie ich in einigen Filme gesehen hatte, benötigte man dafür eine Bohrmaschine. Die hätte ich meinen Vater entwenden müssen, der das sofort bemerkt hätte. Stundenlange, peinliche Befragungen, was ich mit der heiligen Bohrmaschine angestellt hätte, wären die Folge gewesen. Danach vermutlich Stubenarrest. Selber eine kaufen ging auch nicht. Zum einen fehlte mir das Geld, zum anderen würde sich der Bohrmaschinenverkäufer wahrscheinlich sofort an mich erinnern, wenn die Polizei ihn fragen würde. Nächtelang überlegte ich, was ich nun anstellen konnte, und da hatte ich die zündende Idee. Ein Komplize musste her! Doch wer? Nach ein paar weiteren schlaflosen Nächten viel mir Andreas ein, ein ebenso unglaublich dämlicher wie fetter Mitschüler aus der Parallelklasse, mit dem keiner redete.

In einer Schulpause eruierte ich, in wie weit Andreas dämlich genug war, bei meinem Plan mitzumachen. Nachdem er sich vom Schock erholt hatte, dass jemand ihn ansprach ohne ihm kurz danach in die Fresse zu hauen, freundeten wir uns ein wenig an. Nach drei Wochen dachte ich mir, dass es nun so weit sei. Ich zog ihn nach der Schule in einen Park und wir besprachen die Dinge, die dreizehnjährige ebenso besprechen. Autos. Toller neuer Mercedes. Schneller neuer BWM 323i. Ferrari. So einen müsste man mal haben, meinte ich beiläufig, und er nickte. So einen würde er sich nie erlauben können. Tja, meinte ich gelassen, kommt darauf an. Möchtest Du gerne einen Ferrari? Er nickte erneut und ich sagte, während seine Wangen sich rosarot färbten: "Ich habe einen Plan, wie wir beide einen Ferrari haben können." Ich schilderte ihm meinen nächtelang ausgeklügelten Plan. Er solle, getarnt als Schülerzeitungsmitarbeiter, in die Bank gehen, und sich den Tresor zeigen lassen. Dabei solle er sich den Weg merken. Am nächsten Abend würde er kurz vor Schalterschluss bewaffnet mit der Bohrmaschine seines Vaters sich in Bank verstecken, dann, wenn alle weg seien, mit der Bohrmaschine zum Tresor und diesen aufbohren. Danach würde er das Geld in Tasche stecken, einen Zettel mit den Wort "The Cat" in den Tresor legen, sich wieder in sein Versteck begeben und bei Öffnung der Bank mit den ersten Kunden unauffällig den Laden verlassen.

Andreas schaute sehr lange auf den Boden. Nach endlosen Minuten sagte er schließlich: "Und wenn beim Tresor keine Steckdose für die Bohrmaschine ist?" Ich war empört. Wie konnte er nur mit so einer Kleinigkeit meinen großartigen Plan in Frage stellen. "Dann nimmste halt eine Kabeltrommel mit" antwortete ich genervt. Andreas blickte weiter auf den Boden. Er dachte sehr angestrengt nach und einige Minuten später folgte die nächste Frage. "Und was machst Du die ganze Zeit?" Ich schaute ihn entgeistert an. "Ich bin natürlich zu Hause, und erwarte dich am nächsten Morgen vor der Bank. Dann gehen wir in den Kurpark und machen halbehalbe." Wieder angestrengtes Nachdenken seinerseits. Dann ging ihm ein Licht auf und er schaute mich fassungslos an. "Aber ich hab doch die ganze Arbeit. Und wenn mich jemand erwischt!". Jetzt war ich sauer: "Ich habe die Idee gehabt, mir alles ausgedacht und minutiös geplant. Ich kann das auch selber machen, aber ich will ja, dass Du mitmachst." Andreas schaute wieder auf den Boden und machte "Hmmmm". Ich sagte beschwörend "Ferrari". Dann stand er auf und meinte, dass er darüber nachdenken würde. Ich warte bis heute auf eine Antwort.

Meinen Bemühungen einen genialen Diebstahl zu landen, gab das einen herben Rückschlag. Wenn man sich nicht mal mehr auf den Schuldeppen verlassen konnte, wen sonst sollte man bitteschön in seine Pläne einweihen? Ich hatte zwar noch weitere Ideen, wie zum Beispiel die, in der ich eine Mitschülerin überreden wollte, dem örtlichen Juwelier ein paar Geschmeide gegen Quittung (natürlich unterschrieben mit Tinte, die nach wenigen Minuten wieder verschwand) abzuschwatzen, die wir dann zu Goldbarren einschmelzen, und einer Bank verkaufen würden, aber so recht kam meine kriminelle Karriere nicht in Gang. Immer hatten diese Kleingeister etwas an meinen genialen Plänen auszusetzen. So kann man natürlich nicht arbeiten.

Aber immerhin muss ich im Nachhinein sagen, dass ich schon damals die sehr gute Idee hatte, es andere machen lassen. Ich wäre zum Beispiel nie auf die Idee gekommen, mir eine Unterhose über den Kopf zu ziehen, um einen Schokoladenladen zu überfallen..